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Prozessauftakt. Im September 2017 wurde der Angeklagte, hier mit Anwältin Mehtap Ayhan, mit seinem Lkw auf der A12 gestoppt. 51 Personen aus Syrien und dem Irak befanden sich im Sattelauflieger. Seit Dienstag muss sich der 46-jährige mutmaßliche Schleuser in Frankfurt (Oder) vor Gericht verantworten.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Notdurft in Flaschen verrichtet

46-Jähriger soll 71 Personen eingeschleust haben. Lkw mit türkischem Kennzeichen wurde auf A12 gestoppt

Frankfurt (Oder) - Weil er 71 Flüchtlinge illegal nach Deutschland gebracht haben soll, muss sich seit Dienstag ein 46-jähriger Mann vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) verantworten. Die Anklage wirft dem türkischen Lastwagenfahrer das Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen vor. Er habe die Menschen bei den Lastwagen-Transporten bewusst in Lebensgefahr gebracht, sagte Staatsanwalt Martin Kramberg zum gestrigen Prozessauftakt. Der Angeklagte selbst schwieg zunächst zu den Vorwürfen.

Im September vergangenen Jahres hatten ihn Bundespolizisten laut Anklage auf frischer Tat ertappt. Der Lastwagen mit türkischen Kennzeichnen wirkte auf der nächtlichen zumeist von osteuropäischen Speditionen genutzten Autobahn 12 wie ein „Exot“, wie Beamte am ersten Verhandlungstag als Zeugen vor Gericht erklärten. Für eine Routinekontrolle lotsten sie den Transporter von der Autobahn nahe Müllrose (Oder-Spree).

Eine Bundespolizistin wurde dann hellhörig, als sie zunächst leise Geräusche und später auch Stimmen von der verplombten Ladefläche vernahm. Die Bundespolizisten entschieden sich, nachzuschauen. „Und dann sahen wir plötzlich jede Menge erleichtert wirkende Menschen zwischen der Ladung. Ich war schockiert“, erinnerte sich eine Bundespolizistin.

Insgesamt 51 Flüchtlinge – 50 Männer, Frauen und Kinder aus dem Irak sowie einen Syrer – entdeckten die Beamten; später auch zerrissene Ausweispapiere, Flaschen, Bekleidung. Zwei Tage lang waren die Menschen von Rumänien aus ohne Pause unterwegs gewesen, ergaben die Ermittlungen. Auf die Toilette durften sie demnach nicht, mussten die Notdurft in Flaschen verrichten.

Was die Beamten laut den Zeugenaussagen ebenfalls entsetzte, war die nahezu ungesicherte Ladung, zwischen der sich die Flüchtlinge versteckten. Laut Beweisaufnahme waren Maschinenteile nur notdürftig auf Holzpaletten gelagert, die bereits verrutscht waren. Bestimmt war die offizielle Ladung laut den Ermittlungen für verschiedene Kunden in Skandinavien. „Es ist ein ausgesprochener Glücksfall, dass da nichts Schlimmes passiert ist. Bei einer Notbremsung wäre den Menschen da drin alles um die Ohren geflogen“, sagte ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Güterverkehr am Rande des Prozesses.

Der Fahrer des Schleuser-Lasters habe während der Entdeckung der illegalen Fracht erstaunlich gefasst und keineswegs überrascht gewirkt, erklärten die Zeugen vor Gericht. Zur Last gelegt wird ihm in dem Strafverfahren noch ein weiterer Schleuserfall. Ende August vergangenen Jahres hatten Bundespolizisten auf nächtlicher Streife 20 illegale Flüchtlinge aus dem Irak und dem Iran aufgegriffen, die zu Fuß an der Bundesstraße 5 bei Heinersdorf (Oder-Spree) unterwegs waren. Sie gaben an, von dem Angeklagten per Laster nach Deutschland gebracht und an der A12 ausgesetzt worden zu sein. Ermittler werteten Stempel im Reisepass des Angeklagten, Maut- und Handydaten aus.

Nachdem der Angeklagte im September 2017 auf frischer Tat ertappt worden war, hatten sich die Ermittlungen auch gegen den einzigen Syrer auf der Ladefläche gerichtet, wie ein Bundespolizist vor Gericht sagte. „Der Verdacht lag nahe, dass der 26-Jährige von den Schleusern als Aufpasser für die Flüchtlingsgruppe eingesetzt und dafür bezahlt wurde.“ Der Mann habe als einziger auf der Ladefläche gültige Einreisepapiere gehabt. Er sei dann aber mangels Beweisen aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Erst später hätten drei der Geschleusten den Syrer beschuldigt. Die Ermittlungen gegen ihn seien wieder aufgenommen worden und noch nicht abgeschlossen, bestätigte Staatsanwalt Kramberg. Seinen Angaben nach ist es den Ermittlern bisher nicht gelungen, an die Hintermänner und Auftraggeber der Schleuserfahrten zu gelangen. Der Prozess gegen den Lasterfahrer wird am 8. März mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Dann sollen auch einige der geschleusten Flüchtlinge gehört werden. dpa

Jeanette Bederke

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