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Tobias Meyer, Konzernvorstand Post & Paket Deutschland bei Deutsche Post DHL Group, und Sigrid Nikutta, DB Konzernvorstand Güterverkehr und Chefin von DB Cargo, am Montag in Großbeeren.

© Kevin P. Hoffmann

Neue Liebe von Post und Bahn: DHL will Paketmenge in Güterzügen verzehnfachen

Bisher befördert die Post-Tochter nur jedes fünfzigste Paket mit der Bahn. Ein Pakt mit DB Cargo soll das ändern. Davon profitiert auch Brandenburg.

Großbeeren - Es ist nicht der idyllischste Flecken Brandenburgs, wo die Deutsche Post und die Deutsch Bahn ihrer eingeschlafenen Beziehung neuen Schwung geben wollen: In Großbeeren, zehn Autominuten von der südlichen Berliner Stadtgrenze, liegt zwischen Bundesstraße 101 und der Trasse der Anhalter Bahn ein Umschlagbahnhof. Dort heben und senken zwei gigantischen Krananlagen, jede mit mehr als 350 Tonnen Eigengewicht, im Zwei-Minuten-Takt Container und sogenannte Wechselbehälter von Lkw auf Güterzüge – und umgekehrt.

Die Anlage gehört der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS), die bundesweit 44 solcher Terminals betreibt. An dem in Großbeeren arbeiten zwar nur 15 Personen fast rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche – trotzdem spielt dieser Anlage künftig eine zunehmend wichtigen Rolle: Denn nur vier Kilometer entfernt, in Ludwigsfelde, errichtet der Großkunde Deutsche Post DHL eines seiner drei größten Paketzentren. Dort können bald bis zu 50.000 Sendungen pro Stunde sortiert werden.

Vor Weihnachten soll Ludwigsfelde in den Testbetrieb gehen

Vor Weihnachten, wo besonders viele Sendungen durchs Land rollen, soll Ludwigsfelde in den Testbetrieb gehen. Im ersten Quartal 2022 soll das Paketzentrum dann voll ins Netz des Logistikkonzerns aufgenommen werden – und rund 600 Menschen aus der Hauptstadtregion Arbeit geben.

Bisher befördert die DHL den ganz überwiegenden Teil der Pakete über die Autobahn. Nur zwei Prozent oder jedes fünfzigste Paket wird im Durchschnitt per Zug transportiert.

Hauptgrund dafür sind Weichenstellungen der Politik in den 1990er Jahren gewesen. Man wollte Fracht auf der Straße – weil man damit flexibel jeden Ort anfahren kann und damit im Durchschnitt auch etwas schneller ist. Feinstaub und der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) spielten damals kaum eine Rolle.

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Kürzlich offenbarte eine Anfrage der Grünen im Bundestag, dass kein einziges der 36 Paket- und 82 Briefzentren der Deutschen Post mehr einen eigenen Gleisanschluss hat und zudem nur zwei Standorte ohne größeren Aufwand ans Schienennetz angebunden werden können. Denn nach der Bahnreform 1994 und der Umwandlung auch der Bundespost in einen Konzern steuerten die Manager auf Renditekurs und lösten die einst engen Bande von Post und Bahn.

Die Frachtsparte wurde zum Sanierungsfall

Die Post gab ihre Gleisanschlüsse auf und baute neue Verteilzentren nahe den Autobahnen, wo Bahnanschlüsse meist komplett fehlen. Pakete rollen seitdem meist auch über lange Strecken per Lkw ans Ziel, die Briefpost wird über Nacht per Luftfracht befördert. Die Frachtsparte der Deutschen Bahn AG wurde derweil wegen Missmanagements und fehlender politischer Entscheidungen zum Sanierungsfall, allein 2020 fuhr die DB Cargo einen Verlust von 786 Millionen Euro nach Zinsen ein.

Vor fast zwei Jahren holte der Deutsche-Bahn-Konzern Sigrid Nikutta, bis Ende 2019 Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), in ihren Vorstand. Sie soll die Tochtergesellschaft DB Cargo, die größte Frachtbahn Europas, wieder auf Kurs bringen. Nikutta lässt seither kaum eine Chance ungenutzt, um für ein rasches Umdenken in der Wirtschaft und CO2-freie Transporte auf der Schiene zu werben. Man könne durch die Verlagerung von Gütern auf die Schiene 80 bis 100 Prozent CO2 einsparen im Vergleich zum Straßentransport, sagt sie.

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Am Montagvormittag posierte die Managerin gemeinsam mit Tobias Meyer, dem Konzernvorstand Post & Paket Deutschland bei der Deutsche Post DHL Group, auf dem Umschlagbahnhof in Großbeeren vor einem in quietschgrün gestrichenen Container mit der Aufschrift „Güter gehören auf die Schiene“.

Man wolle gemeinsam mit der Deutschen Post DHL ein Netzwerk für die Schiene aufbauen, kündigte Nikutta an. Mit einem symbolischen Knopfdruck weihten beide eine neue Strecke ein, auf der von Großbeeren künftig jeden Abend auch an Werktagen Paketsendungen in den Raum Dortmund befördert werden – und umgekehrt. Von diesem Standort bei Berlin fährt DB Cargo für die Post zudem in die Region bei Mannheim und nach Frankfurt am Main.

Container werden in Großbeeren südlich von Berlin auf einem Verladebahnhof am DUSS-Terminal von der Straße auf die Schiene oder umgekehrt verladen.
Container werden in Großbeeren südlich von Berlin auf einem Verladebahnhof am DUSS-Terminal von der Straße auf die Schiene oder umgekehrt verladen.

© Patrick Pleul/dpa

Mayer von Deutsche Post DHL sagte, dass sein Unternehmen den Anteil von per Bahn transportierten Paketen relativ kurzfristig von zwei auf sechs Prozent steigern könne. Der Logistikkonzern aus Bonn hat sich selbst das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Eines der Fernziele dabei: Jedes fünfte Paket soll auf der Schiene befördert werden. „Das Thema ist von strategischer Bedeutung von uns“, sagte er.

Dauer der Genehmigungsverfahren ein Problem

Allerdings gebe es auch Faktoren, die ein noch schnelleren oder weiterreichenden Umstieg auf die Schiene behindern würden. Es müssten mehr Kunden als bisher bereit sein, etwa einen Tag länger als bisher auf ihr Paket zu warten. Denn das ist die Zeit, die DHL braucht, um Pakete von den Umschlagbahnhöfen der Bahn zu den Paketverteilzentren und dann zu den Empfängern zu befördern.

Als anderes Problem nannte er die Dauer der Genehmigungsverfahren. Meyer sprach von „einer Vielzahl baulicher und regulatorischen Vorschriften“. Es brauche Jahre an Vorlaufzeit. Immerhin soll das Paketzentrum Köln beim Erweiterungsbau in den nächsten Jahren einen eigenen Bahnhof erhalten.

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Beim noch im Aufbau befindlichen Zentrum in Ludwigsfelde und den anderen beiden – etwas kleineren – Paketzentren in der Hauptstadtregion ist bisher kein Gleisanschluss geplant. Dort müssen die letzten Kilometer durchs Umladen auf Lkw bewältigt werden.

Insofern dürfte der Lkw-Verkehr auf den rund vier Kilometern Strecke von Großbeeren nach Ludwigsfelde zunehmen in den kommenden Jahren. Dafür brauchen die Partner aber keine weitere Sondergenehmigung: Schon heute dürften die Kunden der Bahn bis zu 44 Tonnen (statt der sonst erlaubten 40) aus Großbeeren abholen – und auch an Sonn- und Feiertagen fahren.

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