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Abgesägt. Die Personalpolitik von Brandenburgs Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD), hier bei der Eröffnung der letzten Weihnachtsbaumsaison in Werder/Havel, sorgt nicht nur bei Naturschützern zunehmend für Unverständnis.

© dpa

Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg: Minister Kahlschlag

Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) ist auch für Umwelt zuständig. Eigentlich. Seine Personalpolitik macht seit 2014 den Naturschutz klein – diesmal trifft es den Abteilungsleiter.

Potsdam - Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) provoziert erneut mit einer Personalie gegen den Naturschutz, den er nun schon seit seinem Amtsantritt 2014 als Minister für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft systematisch zu schwächen versucht. Jetzt trifft es den nächsten profilierten Kopf, fast den letzten, der noch übrig ist: Axel Steffen, langjähriger Naturschutzabteilungsleiter im Ministerium und faktisch oberster Naturschützer im Land, muss überraschend seinen Posten räumen. Er soll eine andere Abteilung übernehmen. Die Personalie wurde am Montag publik, kurz vor der Grünen Woche, wo Vogelsänger bei der Agrarlobby mit solchen Entscheidungen erfahrungsgemäß punkten kann. Brandenburgs Naturschutzverbände hingegen gehen auf die Barrikaden.

Nabu: „Der erfolgreiche Naturschutz unter Umweltminister Platzeck soll offensichtlich beseitigt werden“

„Mit beispielloser Rigorosität wird der Politikbereich Naturschutz erledigt“, klagt etwa Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu). „Der erfolgreiche Naturschutz aus den 90er-Jahren unter dem Umweltminister Matthias Platzeck soll offensichtlich beseitigt werden.“ Nach Einschätzung von Schmitz-Jersch (SPD), früher selbst mal Umweltstaatssekretär hier, verfolgt das Agrar- und Umweltministerium unter Vogelsänger „eine Doppelstrategie“, die so aussieht: „Inhaltlich wird die Arbeit auf das unumgängliche Maß reduziert, personell werden die führenden Köpfe ausgeschaltet.“ Vogelsänger war nach der Landtagswahl 2014 Nachfolger der früheren Ministerin Anita Tack von den Linken geworden, die zu der Kahlschlag-Personalpolitik bisher schweigen. Nabu-Chef Schmitz-Jersch forderte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf, „nicht zuzulassen, dass das Erbe seines Vorgängers als Umweltminister und Ministerpräsident zerschlagen wird“. Die Versetzung Steffens „untergräbt den Naturschutz“, sei „Tiefpunkt einer unsäglichen Personalpolitik“. Er habe sich über viele Jahre als „äußerst fachkundiger, ausgleichender, pragmatischer Abteilungsleiter einen Namen gemacht“.

Das spielte für Vogelsänger bei bisherigen Personalien auch schon keine Rolle. Und Kritik daran perlt an ihm ab. Seit 2014 hat er bereits den „Nachhaltigkeitsbeirat“ Brandenburgs aufgelöst, in dem Wissenschaftler die auf Braunkohle setzende Energiepolitik des Landes kritisiert hatten. Kurz vor Weihnachten 2014 hatte Vogelsänger einen Mann versetzt, der im Naturschutz bis dato als Institution galt, dessen Verdienste bei den „Jahrhunderthochwassern“ etwa immer gewürdigt worden waren: Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, musste seinen Posten mit Dirk Ilgenstein tauschen, dem Chef des Landesamtes für ländliche Entwicklung. Der hat sich seitdem den Ruf erworben, Vogelsängers Anti-Naturschutz-Personalpolitik durchzusetzen – wie im Fall Martin Flade. Der sei „kurz vor Weihnachten 2015“, erinnert Schmitz-Jersch, als Leiter des Biosphärenreservates Schorfheide Chorin zwangsversetzt worden. In einem Verfahren, das mit rechtsstaatlichen Standards und Führungskultur nichts zu tun hatte, wie inzwischen Gerichtsurteile bestätigten. Flade hatte sich das nicht gefallen lassen, dagegen geklagt – und gewonnen. Erst vor wenigen Wochen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die unter Vogelsänger im Jahr 2015 exekutierte Ablösung und Versetzung Flades für willkürlich und unwirksam erklärt. Das höchste Arbeitsgericht der Region kam zum gleichen Ergebnis wie in der ersten Instanz bereits das Arbeitsgericht Eberswalde. Eine Revision war nicht zugelassen worden.

Grünen-Opposition reagiert empört

Eine Begründung des Vogelsänger-Ministeriums zur Steffen-Personalie gab es nicht. „Es ist eine Leitungsentscheidung. Da müssten Sie mir bitte direkt eine Anfrage an die Leitung schicken“, erklärte Sprecher Jens-Uwe Schade zunächst. Die PNN-Anfrage wurde später so beantwortet: „Der Abteilungsleiter Naturschutz wird – auch aufgrund der inhaltlichen Schnittmengen – zukünftig die Abteilung Umwelt, Klimaschutz, Nachhaltigkeit übernehmen.“

Die Grünen-Opposition reagierte empört. Es passe ins Konzept dieser Regierung, den Natur- und Umweltschutz soweit wie möglich zu schleifen, sagte der Abgeordnete Benjamin Raschke. Er kritisierte, dass der Naturschutz-Schlüsselposten mit Vogelsängers Büroleiter besetzt werden soll: Es entwickle sich in der Regierung mittlerweile zur Unsitte, in der Regel als Vertrauenspersonen ohne Ausschreibung eingestellte Büroleiter später „unter Umgehung der regulären Beamtenlaufbahn auf hohe Posten zu setzen“. Das Ministerium bestätigte den PNN, dass der bisherige Büroleiter des Ministers „mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Abteilung Naturschutz beauftragt“ werde. 

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