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Brandenburg: Langes Schweigen über die Rohrbomben

Nicht einmal der Staatssekretär ist informiert worden. Präsidium räumt Pannen ein

Berlin - Beim Fund der nicht gezündeten Rohrbomben auf der Autonomendemo hat es offensichtlich mehrere gravierende Pannen bei der Berliner Polizei gegeben. Das Präsidium kündigte eine genaue Untersuchung an. So wurde die Brisanz der Sprengkörper völlig unterschätzt, sie wurden von Beamten per Hand auf der Straße aufgelesen und gelagert. Dort wurden sie als „Fundstücke“ betrachtet und später der Kriminaltechnik übergeben. Da diese nicht direkt in den Einsatz zum 1. Mai eingebunden war, erfolgte keine Meldung an die Einsatzleitung. Dies habe die ansonsten vorgeschriebene Meldekette unterbrochen, hieß es im Präsidium. So erfuhren Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers und Einsatzleiter Klug erst am Abend des 3. Mai mündlich davon, dass drei baugleiche offensichtlich gefährliche Rohrbomben entdeckt worden sind. Am 4. Mai lag ein schriftlicher Bericht vor. Im Präsidium wurde entschieden, die Öffentlichkeit erst im Innenausschuss am Montag zu unterrichten. Nur Senator Frank Henkel (CDU) erfuhr bereits am Wochenende von Objekten, „deren Zweck und Gefährdungspotenzial nicht abschließend eingeschätzt werden könne“, wie sein Büro am Dienstag bestätigte. Abgeordnete der CDU zeigten sich „verwundert“ über diese Informationspolitik von Koppers.

Am Montagvormittag berichtete die amtierende Polizeipräsidentin zur Überraschung aller Abgeordneten  von den brisanten Funden. Selbst Staatssekretär Bernd Krömer, der den erkrankten Henkel  vertrat, erfuhr erst Minuten vor der Sitzung davon. Um 15.15 Uhr am Montag veröffentlichte die Polizei dann eine Warnung an mögliche Finder weiterer Bomben im Internet: „Es besteht Lebensgefahr“, heißt es dort, und weiter: „Bitte den Gegenstand nicht bewegen und nicht zur Polizei bringen.“ 

Der grüne Innenexperte Benedikt Lux kritisierte die Verzögerung als „unverständlich“. Wenn eine Gefahr erkannt sei, müsse sofort gewarnt werden. Lux sagte, dass er versuchen werde, eine Sondersitzung zu diesem Thema zu beantragen. Tom Schreiber von der SPD will mit der Diskussion warten, bis die Sprengkraft getestet worden ist.

Polizeisprecher Redlich nannte die erst am Montag erfolgte Veröffentlichung eine Abwägung zwischen „schneller Transparenz und sorgfältiger Prüfung“.

Bis Dienstagnachmittag hat sich nach Polizeiangaben niemand deswegen gemeldet. Der Beamte, der in der Markgrafenstraße die dritte Bombe sicherstellte, hatte zuvor mehrere weitere Alustangen gesehen. Nach dem Abzug der Demonstranten seien diese aber verschwunden gewesen. Wie das Präsidium am Dienstag bestätigte, habe die Einheit des Beamten noch am Abend die Wegstrecke abgesucht – sie hatten offensichtlich die Brisanz des Gegenstandes erkannt. Doch auch dies ist nicht der Einsatzleitung gemeldet worden. Koppers hatte am Montag gesagt, dass die Autonomendemo vermutlich sofort beendet worden wäre, wenn die Rohrbomben als solche erkannt worden wären.

Wie ein hochrangiger Beamter, der am Abend des 1. Mai im Einsatz war, berichtete, soll es bereits während des Aufzuges der etwa 10 000 Autonomen eine Lagemeldung über Funk gegeben haben, in der von einem verdächtigen Gegenstand die Rede war. Gegen 22 Uhr soll im Funk von „Sprengkörpern in Aluminiumgehäuse mit Zündschnur“ die Rede gewesen sein.

Wieso all dies versandete, ist unklar. Nach Angaben von Behördensprecher Stefan Redlich prüft das Präsidium derzeit, wie und wann gewarnt worden ist. Redlich betonte, dass das Wort „Rohrbombe“ im Polizeifunk wohl nicht gefallen sei. Unklar ist auch, ob der Teilausfall des polizeilichen Digitalfunks diese Kommunikationspanne gefördert oder gar verschuldet hat. Bekanntlich war am 1. Mai zwischen 16.30 und 20.30 Uhr die entscheidende Funkzelle Kreuzberg/Neukölln gestört. Dem Vernehmen nach wurde der Störsender abgeschaltet, kurz bevor er geortet werden konnte. Offiziell hält die Polizei weiterhin „eine technische Störung“ für möglich.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist entsetzt, dass Linksextremisten die Störung des Digitalfunks gelungen ist. „Störsender kannten wir bisher vor allem aus dem Krieg in Afghanistan“, sagte der stellvertretende Fraktionvorsitzende Günter Krings. Schon am Sonnabend zieht die nächste große Demo der linken Szene durch die Stadt, darunter sollen auch gewaltbereite Extremisten sein. Koppers hatte am Montag gesagt: „Wir müssen bei künftigen Einsätzen darauf vorbereitet sein, dass es Menschen gibt, die einen blinden Hass in sich tragen.“

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