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Er will nicht mehr: Martin Lindner tritt nicht mehr zur Europawahl an.

© Paul Zinken/dpa

Exklusiv

Kurz vor der Europawahl: Brandenburger FDP-Spitzenkandidat schmeißt hin

In der Brandenburger FDP gibt es Krach: Der Europa-Spitzenkandidat Martin Lindner wirft dem Brandenburger Parteichef mangelnde Unterstützung vor - und zieht seine Kandidatur zurück.

Potsdam - Brandenburgs Liberale müssen zum Auftakt des Superwahljahres einen schweren wie peinlichen Rückschlag einstecken: Sie stehen zur Europawahl am 26. Mai plötzlich ohne Spitzenkandidat da. Denn der Berliner Liberale Martin Lindner hat nach PNN-Informationen die FDP-Spitzenkandidatur für die Europawahl in Brandenburg niedergelegt, für die er vom märkischen Landesverband im November nominiert worden war. Das bestätigte Lindner am Dienstag auf Anfrage dieser Zeitung. 

„Der Grund sind ausschließlich Differenzen mit dem Landesvorsitzenden, von dem ich deutlich zu wenig Unterstützung erfahren habe“, sagt Lindner, der vor 2013 Vize-Fraktionschef im Bundestag und in Berlin bis 2009 Fraktionschef im Abgeordnetenhaus war. Es gebe keine Vertrauensbasis mit dem Brandenburger Parteichef Axel Graf von Bülow.

Foto: Patrick Pleul/dpa
Zum Brandenburger FDP-Chef Axel Graf von Bülow sieht Lindner keine Vertrauensbasis.

© dpa

Ein Ersatz-Kandidat kann nicht mehr aufgestellt werden

Dieser hat am 1. Februar das Präsidium und jetzt auch den Landesvorstand in Brandenburg über den abhanden gekommenen Europawahl-Spitzenkandidaten informiert. Nach einer Mail von Bülow, die dieser Zeitung vorliegt, kann die Brandenburger FDP nun auch gar keinen Ersatz-Spitzenkandidaten mehr aufstellen. „Da die Frage nach einer ,Neuwahl’ eines Spitzenkandidaten an mich herangetragen wurde, habe ich dies mit dem Justitiar der Bundespartei beraten“, schrieb von Bülow jetzt an den Landesvorstand. „Er sieht keine Möglichkeit, eine erneute LVV (Landesvertreterversammlung, die Red.) einzuberufen …“

In der Mail gibt von Bülow deshalb diese Marschroute vor: „Im Präsidium sind wir übereingekommen, nach vorn zu schauen und die Angelegenheit mit der gebotenen Gelassenheit zu behandeln.“ Zwar bedauert der FDP-Chef diesen Schritt Lindners „außerordentlich“, wie er schreibt. Zugleich argumentiert er, als wäre ein brandenburgischer FDP-Spitzenkandidat – Lindner hatte sich in einer Kampfkandidatur im Dezember gegen mehrere Kandidaten durchgesetzt – ohnehin kaum von Belang, Zitat: „Große Auswirkungen dürfte die Personalie ohnehin nicht haben, da (…) plakativ ohnehin nur mit den Personen Nicola Beer und Christian Lindner geworben werden soll.“ 

FDP-Landeschef wollte den Krach vertuschen

Von Bülow informierte die Führung auch schon mal, wie der verlorene Spitzenkandidat kommuniziert werden soll: „Den Rückzug von Herrn Dr. Lindner werden wir nach außen mit persönlichen Gründen begründen.“

In der Mail an von Bülow, in der Lindner am 31. Januar 2019 seinen Rückzug erklärte, liest sich das Ganze anders. Lindner begründet seine Entscheidung mit dem Agieren von Bülows auf dem jüngsten Europaparteitag der FDP, auf der die Partei ihre Bundesliste für die Europawahl aufgestellt hatte. Die ostdeutschen Landesverbände, auch der Brandenburger, hatten sich auf Robert Martin Montag als gemeinsamen „Ost-Kandidaten“ verständigt, der es so immerhin auf Listenplatz 7 schaffte.

Für Lindner war das Maß voll

Lindner dagegen landete völlig abgeschlagen auf Platz 21, wofür er auch mangelnde Rückendeckung des Brandenburger Landesverbandes verantwortlich macht. „Von Ihnen, sehr geehrter Graf Bülow, habe ich keine Unterstützung wahrgenommen. Im Gegenteil: Entgegen Ihrer eigenen Zusage an das Präsidium das Landespartei vom 15.11. haben Sie und Herr Neumann einem ,Ostkandidaten’ Montag zugestimmt. Sie haben nichts versucht, mich auf einen vernünftigen Platz nach dem ,Ost-Kandidaten’ zu platzieren.“ Oder auch: „Und schließlich hatten Sie mir auf dem Europaparteitag den Zugang zur gemeinsamen Delegiertenbesprechung vor der Saaltür verwehrt.“ 

Für Lindner war das Maß voll. „Sehen Sie vor diesem Hintergrund … selbst eine einigermaßen solide Grundlage dafür, dass ich in den nächsten Wochen und Monaten für die FDP in Brandenburg Wahlkampf machen soll? Sollte es hierfür nicht eines Minimums an Vertrauen der Partei sowie insbesondere zwischen dem Kandidaten und der Landesspitze geben? Ich sehe diese Grundlage nicht.“

Bülow hingegen erklärt in einer Mail an den Landesvorstand am 1. Februar, dass er Lindner im Vorfeld des Parteitages „mehrfach informiert“ habe, dass eine Kandidatur auf einen aussichtsreichen Listenplatz „kaum Aussicht auf Erfolg“ habe. Er könne Lindners Enttäuschung über das Wahlergebnis ja durchaus verstehen. „Ich kann sogar nachvollziehen, dass er sich mehr Unterstützung meinerseits erhofft hat. Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass meine Bedenken nicht unberechtigt waren.“ Im Gegenzug wirft Brandenburgs FDP-Chef dem Ex-Spitzenkandidaten mangelnde Zuverlässigkeit vor. „Mir gegenüber hat Dr. Lindner noch kurz vor dem Europaparteitag zugesagt, für Brandenburg auch dann Wahlkampf zu machen, wenn sein Listenplatz nicht ausreichend sein könnte.“ Das Angebot eines persönlichen Gesprächs zu den Vorwürfen und Behauptungen habe Lindner „trotz der erheblichen Folgen seines Handelns ausgeschlagen“. 

Die Brandenburger FDP hat offenbar kein Glück

Wie man es auch dreht, mit Parteifreunden aus Berlin hat die Brandenburger FDP offenbar kein Glück: Kürzlich hatte die FDP die nach zehn Monaten im Land bisher gefloppte Kampagne „Brandenburg braucht Tegel“, für die der in Kleinmachnow lebende Berliner FDP-Schatzmeister Lars Lindemann die Regie führte, wegen Erfolglosigkeit an die Freien Wähler abgeben. 

Nun hat die märkische FDP plötzlich keinen Spitzenkandidaten für die Europawahl mehr. Oder vielleicht doch? Eine Hintertür lässt sich Lindner nämlich offen, vielleicht doch noch anzutreten. „Eine Basis dafür gibt es nicht, solange Herr von Bülow Landesvorsitzender ist“, sagte Lindner dieser Zeitung. „Unter anderen Umständen würde ich natürlich versuchen, den Brandenburgern zu helfen.“ Das ist quasi eine Rücktrittsforderung. 

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