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Jamaika beschäftigt Brandenburg: Opfer Ostdeutschland

Aus der Debatte im Landtag über die Jamaika-Koalition wurde deutlich: Dietmar Woidke wartet mit seinem Kurswechsel bei der Braunkohle vorerst noch ab.

Potsdam - In Berlin wird noch sondiert, ob Jamaika-Koalitionsgespräche möglich sind – aber in Potsdam wird schon diskutiert über die neue Bundesregierung. Die rot-rote Koalition hatte dazu eine Aktuelle Stunde anberaumt. Das Thema: „Die künftige Bundesregierung muss ostdeutsche Interessen berücksichtigen.“ Einen eigenen Beschlussentwurf hatten SPD und Linke jedoch nicht vorgelegt. Zumindest dürfte es der Linken auch nicht leicht fallen, jetzt der SPD, die im Bund in der Verantwortung stand, einfach das Signum als Ostdeutschland-Partei zu überlassen.

Da der Brandenburger SPD nun jeder Draht in eine neue Bundesregierung aus Union, FDP und Grünen fehlen würde, werden nun offenbar neue Töne angeschlagen. Die Sozialdemokraten warnten vor westdeutschen bürgerlichen Eliten, die in einer Jamaika-Koalition den armen Osten abschreiben könnten. Von Seiten der SPD war es eine Angstdebatte. Die Interessen des Ostens hätten bei den Parteien einer Jamaika-Koalition nur eine ganz kleine Lobby, sagte etwa SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. Das spürten die Brandenburger, erklärte er und bezog sich auf einen entsprechende Umfrage. Und: „Es kann nicht sein, dass die Jamaika-Koalition auf dem Altar der Mehrheitsfindung vorrangig ostdeutsche Interessen opfert.“ Diese ostdeutschen Interessen lägen vor allem im Bereich der Sozialpolitik und Strukturpolitik. Er befürchte, dass der Bund beim Mindestlohn die Axt anlege, auf den vor allem die Arbeitnehmer im Osten angewiesen seien, sagte Bischoff.

Debatte über Sondeirungen gipfelt im Streit um die Braunkohle in Brandenburg

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz warf der rot-roten Landesregierung vor, keine eigenen Konzepte zu entwickeln und stattdessen über den Stand der Sondierungen in Berlin zu diskutieren. Dies verrate viel über den Zustand der SPD im Land, sagte Bretz. Die SPD sei groß darin, von anderen etwas zu fordern. Zum Thema Mindestlohn sagte er: „Bezahlen Sie mal Ihre Angestellten und Beamten im Land anständig.“

Schließlich gipfelte die Debatte in einem Streit um die Braunkohle. Während Bischoff nur am Rande warnte, es stünden wegen des möglichen Kohleausstiegs mit der Jamaika-Koalition 8000 Arbeitsplätze in der Braunkohleregion Lausitz auf dem Spiel, hielt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine komplette Verteidigungsrede für die Braunkohle. Zwar hatte es zuvor Signale gegeben, Woidke könnte nun doch noch den Kurs wenden, sich – wie die Grünen geforderten hatten – an die Spitze der Bewegung beim Strukturwandel stellen. Doch dafür war es wohl noch zu früh.

Grünen-Fraktionschef Axel Voge: „Klimaschutz ist keine Ideologie“

Er  warnte vor den Folgen der Klimaschutzdebatte für die Braunkohleregionen im Osten. Viele Arbeitnehmer im Osten hätten seit 1990 einen neuen Job lernen müssen. Die neue Bundesregierung dürfe keinen Klimaschutz zu Lasten derjenigen machen, die wie die Lausitz schon die größten Umbrüche mitmachen mussten. Vielmehr müsse die neue Bundesregierung die Ungleichbehandlung von Ost und West etwa bei der Rentenangleichung schneller beenden. Es dürfe keinen neuen Strukturbruch in der Lausitz geben, erst müssten Perspektiven aufgezeigt, neue Jobs klar sein. Es dürfe keine Ideologie geleitete Debatte sein.

„Klimaschutz ist keine Ideologie“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Allein das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde produzieren so viel Kohlendioxid (CO2) wie die gesamte in Bayern am Emissionshandel beteiligte Industrie. Seit 2005 steige der CO2-Ausstoß in Brandenburg wieder. Der Schlüssel für die deutschen Klimaziele liege einfach im Ausstieg aus der Braunkohle.

Senftleben kritisiert: Wirtschaft in der Lausitz beim Abschied von der Braunkohle schon weiter als die Landesregierung

Selbst die Brandenburger CDU stellt sich inzwischen offen auf einen Kohleausstieg ein und verlangt von Woidke, selbst zu handeln, die Region tatsächlich bei dieser Zukunftsfrage zu unterstützen. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben sagte den PNN: „Wenn wir die Entwicklung nicht gestalten, werden wir Opfer der Entwicklung sein, die andere an anderer Stelle uns aufdrücken.“ Man dürfe nicht so tun, als würde die Braunkohle noch auf unbestimmte Zeit aus der Lausitzer Erde geholt werden können. „Wir müssen uns jetzt Gedanken machen. Je mehr wir mit der Strukturentwicklung erfolgreich sind, desto mehr sind wir unabhängig von anderen Entscheidungen.“

Senftleben verwies auch auf die Lausitzer Wirtschaft, die bereits viel weiter sei, „als es Woidke wahrhaben will“. Wie berichtet stellt sich Lausitzer Wirtschaft offensiv auf den zu erwartenden Ausstieg aus der Braunkohle in absehbarer Zeit ein. In einem Positionspapier fordert die Industrie- und Handelskammer Cottbus deshalb ein flankierendes Zweieinhalb-Milliarden-Euro-Programm des Bundes für die Lausitz, samt Ausbau von Verkehrstrassen und der Ansiedlung von Instituten.

Woidke selbst, so heißt es aus Koalitionskreisen, wird seine harte Haltung für die Braunkohle öffentlich wohl erst aufgeben, wenn die Jamaika-Koalition tatsächlich steht, die genauen Vorgaben für Braunkohle klar sind. Die Pläne für den Schwenk der Landesregierung liegen bereits in der Schublade. Sie decken sich mit den Vorschlägen der Lausitzer Wirtschaft. Der Grund für das Abwarten: Woidke will seine Verhandlungsposition gegenüber dem Bund nicht schwächen, wenn es um das Geld für den Strukturwandel geht. 

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