zum Hauptinhalt
Thomas Domres (mit roter Krawatte) im Kreis der Linke-Landtagsfraktion.

© Julian Stähle/dpa

Interview | Linke-Chef Thomas Domres: „Diese Koalition ist wie ein Überraschungs-Ei“

Linke-Geschäftsführer Thomas Domres kritisiert im Interview die bisherige Arbeit der rot-schwarz-grünen Koalition und beklagt fehlende Parlamentsbeteiligung in der Coronakrise.

Herr Domres, wo steht die Kenia-Koalition heute aus Ihrer Sicht?
 

Als Linke haben wir zu Beginn der Legislaturperiode bereits kritisiert, dass sich die Koalition sehr in der Produktion von Überschriften gefällt. Wir haben festgestellt, dass da oft wenig dahinter ist. Brandenburg muss weg von der Ankündigungspolitik durch Kenia und hin zu mehr konkreter Umsetzung. Dazu kommt: Wenn man die Koalition beobachtet, und zwar sowohl die Landesregierung als auch die Fraktionen, die sie tragen, dann wirkt vieles unkoordiniert. Nehmen Sie das Anti-Diskriminierungsgesetz, die Stellen bei der Polizei, die Debatte um ein soziales Pflichtjahr oder die Hilfen für Soloselbständige. Da gab es immer wieder unterschiedliche Töne aus Regierung und Koalition. Diese Dissonanz lässt es schwierig werden. Außerdem will man jetzt den Koalitionsvertrag schon nach nicht einmal einem Jahr überarbeiten. Da frage ich mich: Auf welcher Geschäftsgrundlage arbeitet diese Koalition eigentlich? Was gilt denn noch? Diese Koalition ist wie ein Überraschungs-Ei, wo man nicht weiß, was man am Ende darin findet.

War das denn bei rot-rot so anders?

In einer Koalition arbeiten immer verschiedene Parteien zusammen. Aber ein gemeinsames Ziel muss erkennbar sein. Und das erkenne ich im Moment nicht. Nehmen wir den Nachhaltigkeitsbeirat. Es erschließt sich mir überhaupt nicht, warum der noch nicht da ist – ein dreiviertel Jahr nach der Wahl. Und der wäre in diesen Zeiten von Corona noch wichtiger. Bisher gab es aber nur leere Versprechen und Zusagen. Eine Koalition sollte klar sein in dem, was sie ankündigt, und in dem, was sie macht. Die Kompromisse, die von den Kenianern gefunden werden, sind oftmals der kleinste gemeinsame Nenner. Sie lähmen Brandenburg und verzögern oder verhindern nötige Entscheidungen.

Was wäre unter rot-rot anders gelaufen?

Ich bin mir sicher, die Kommunikation zwischen Parlament und Regierung wäre insbesondere in den vergangenen Monaten anders gelaufen. Obwohl die Kenia-Koalition einen grundlegend neuen Politikstil angekündigt hat, habe ich davon nicht viel gemerkt. Im Gegenteil: Die Regierung arbeitet intransparent, das Parlament wird bei wichtigen Verordnungen im Zusammenhang mit der Eingrenzung der Corona-Pandemie außen vorgelassen und nicht oder maximal im Nachhinein informiert – etwa, wenn es um Eingriffe in Grundrechte und die soziale Abfederung der Folgen geht. Oder der Strukturwandel in der Lausitz: Was im Strukturstärkungsgesetz beschlossen wurde, ist alles am grünen Tisch entschieden worden. Da fand keine Beteiligung des Parlamentes statt. Dass es anders geht, haben wir 2015/2016 gezeigt, als auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle das „Bündnis für Brandenburg“ mit der Opposition gemeinsam gegründet wurde.

Was muss denn als Nächstes passieren?

Auf alle Fälle müssen wir gemeinsam die bisherigen Erfahrungen aus der Pandemie auswerten und Schlussfolgerungen ziehen. Ich kann mir dafür ein Parlamentsgremium vorstellen, etwa eine Enquete-Kommission. Wie ist künftig mit Pandemien umzugehen, welches sind erste und zweite Schritte? Außerdem drängen neue Fragen: Kommt die Insolvenzwelle im Herbst? Was müssen wir tun? Wie können wir den Pflegebereich und die Krankenhäuser dauerhaft stärken? Die Pflegekräfte besser bezahlen? Was machen wir im Kultur- und Veranstaltungsbereich, wenn wir bis 31. Oktober und möglicherweise darüber hinaus nichts oder eingeschränkt Veranstaltungen durchführen können? Wie sieht es denn aus mit der Zukunft der Kontakt- und Beratungsstellen, oder der der Frauenhäuser? Die Zeit ist so, dass wir schnell belastbare Antworten auf viele Fragen brauchen. Dafür braucht es neue Haushaltsaufstellungen. Wir warten jetzt auf die Steuerschätzung im September. Auch die Aussagen des Städte- und Gemeindebunds und des Städtetags zum Ausfall der Gewerbesteuern muss man ernst nehmen.

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe

Thomas Domres, 50, ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Brandenburger Landtag, dem er seit 1999 angehört. Zudem sitzt der gelernte Altenpfleger im Prignitzer Kreistag.

Zur Startseite