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Ulrike Liedtke, Präsidentin des Brandenburger Landtages.

© Soeren Stache/dpa

Interview | Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke: Erste Verfahren wegen Verstoß gegen die Maskenpflicht eingeleitet

Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke sorgte mit der Maskenpflicht im Parlament bundesweit für Aufsehen. Mittlerweile sind die ersten Verfahren wegen Verletzung der Maskenpflicht im Landtag eingeleitet worden. 

Frau Professor Liedtke, wie ist der Landtag durch das Corona-Jahr gekommen?
Ich finde, der Landtag ist optimal durch das Jahr gekommen. Es gab keine wirkliche Pause, und die wäre der Pandemie-Situation auch nicht angemessen gewesen. Es haben die Ausschüsse und das Plenum getagt, und wir haben im Sommer den Innenhof für Veranstaltungen geöffnet, um zu zeigen: Der Landtag ist da. Er öffnet sich. Er arbeitet. Wir sind, denke ich, auch Mutmacher für unser Land. Wir sind dafür gewählt worden, um hier in Potsdam zu arbeiten, und nicht um im Homeoffice zu Hause zu sitzen. Und damit sage ich nichts gegen das Homeoffice: Aber wir müssen auch präsent sein und uns zeigen. Das erwarte ich von einer Verkäuferin, das erwarte ich von einem Briefträger und dann darf man das auch von Landtagsabgeordneten erwarten.

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Sie haben im Landtag mit einer strafbewehrten Allgemeinverfügung die Maskenpflicht eingeführt. Wie funktioniert das in der Praxis?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich hätte das vielleicht gar nicht tun müssen, wenn alles gut geklappt hätte. Es hat aber eine Fraktion gegeben, die sich generell nicht an die Regel, Masken zu tragen, gehalten – das war die AfD. Und es gab auch einige Abgeordnete, die kurzzeitig einmal vergessen haben, dass sie ja nach der Maske greifen müssen. Und dann gab es den Anlass, dass in der AfD-Fraktion ein Mitarbeiter an Corona erkrankte. Da musste ich handeln, und klipp und klar zeigen, dass es so nicht geht. Und wenn ich sage: „Wir Abgeordnete sind dafür gewählt worden, dass wir arbeiten“, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass wir gesund bleiben und keine anderen Menschen anstecken.

Hätte es andere Wege geben können?
Ich halte die Anordnung einer allgemeinen Maskenpflicht für die einzig probate und verhältnismäßige Maßnahme. Ich kannte die Anordnung aus Bayern und wusste, dass dort die Anordnung beklagt, aber gerichtlich erfolgreich durchgesetzt wurde. Wegen des akuten Handlungsbedarfs habe ich mich dann kurzfristig entschieden, die allgemeine Maskenpflicht im Landtag anzuordnen.

Halten sich die Abgeordneten denn nun an die Vorschriften der Allgemeinverfügung?
Nein. Nicht alle Abgeordneten halten sich an diese Vorschriften. Ich begegne im Gebäude manchmal Abgeordneten, die ich dann darauf aufmerksam mache oder die dann ganz schnell, wenn sie mich sehen, die Maske aus der Tasche ziehen. Aber darum geht es ja nicht: Es geht ja wirklich darum, die Anderen zu schützen und nicht, wenn die Präsidentin vorbeikommt, mal schnell die Maske aus der Tasche zu ziehen.

Sie sind also nicht die Oberlehrerin oder Hauspolizistin?
Nein, das bin ich natürlich nicht. Aber ich merke, dass manche doch Respekt haben vor mir. Und ich bin natürlich entsetzt über manche Facebook-Einträge von Abgeordneten, wo sich die Parlamentarier ganz bewusst mit der Maske in der Hand fotografieren lassen.

Mussten Sie schon ein Bußgeld verhängen?
Ich kann gegenüber Abgeordneten aus rechtlichen Gründen nur ein Zwangsgeld verhängen. Die Regel ist, dass man das Zwangsgeld zunächst in Aussicht stellen muss, wenn sich jemand nicht an die Anordnung hält. Man schreibt der betreffenden Person dann: „Wenn ich noch einmal feststellen muss, dass Sie sich nicht an die Anordnung halten, wird das Zwangsgeld verhängt.“ Und diese Verfahren habe ich jetzt eingeleitet. Gegen Mitarbeiter der Fraktionen und andere Personen kann nach Anhörung auch ein Bußgeld ergehen. Auch von dieser Möglichkeit habe ich bereits Gebrauch gemacht.

Manche Abgeordnete erklären, sie hätten ein Attest, das sie vom Maskentragen befreit.
So etwas ist möglich. Es gibt Krankheiten, bei denen man ein Attest bekommt, das vom Maskentragen befreit. In diesem Fall ist jedoch ein sogenanntes Visier, also face shield, zu tragen. Ich appelliere da aber an die Ärzte, Atteste verantwortlich und nicht leichtfertig auszustellen. Wenn ein Feuerwehrmann beispielsweise ein Attest mitbringt, das ihn vom Maskentragen befreit, dann spricht das dafür, das irgendetwas nicht stimmt.

Sie hatten im Sommer eine Reihe von Kulturveranstaltungen im Innenhof durchgeführt. Geht das eigentlich weiter?
Ich denke, dass das weiter geht. Es ist ja so, dass der Landtag schon lange mit Kunst in die Öffentlichkeit gegangen ist. Das gilt für die Jahresausstellungen in unseren Fluren ebenso wie für die Ausstellungen, die zum Beispiel im Foyer unten stattfinden. Für mich ist Kunst ein Mittel der Kommunikation mit den Bürgerinnen und den Bürgern. Man muss politische Themen nicht immer über Diskussionsveranstaltungen anschneiden – man kann das auch innerhalb von drei Minuten mit einem Chanson sehr auf den Punkt gebracht tun.

Was plant der Landtag im Winter?
Das ist eine schwierige Frage in Corona-Zeiten. Ich würde gerne so wie im Sommer etwas machen, das so eine Regelmäßigkeit hat, wie die Veranstaltungen im Innenhof. So etwas könnte ich mir auch im Winter vorstellen - aber ich scheue davor zurück, weil wir den Landtag noch nicht voll geöffnet haben. Wir lassen ja auch noch keine Gruppen aus den Wahlkreisen mit mehr als zehn Personen ins Haus.

In diesem Jahr wird auch der Landtag 30 Jahre alt. Wie begehen Sie das Jubiläum?
Wir machen das in sehr viel kleinerem Rahmen als wir es sonst vermutlich getan hätten. Wir werden drei ehemalige Präsidenten oder Vizepräsidenten aus unterschiedlichen Fraktionen zu einer Podiumsdiskussion einladen: Das werden Gunter Fritsch (SPD), Gerrit Große (Linke) und Dieter Dombrowski (CDU) sein. Und zusätzlich werden wir die erste Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Frau Ulrike Poppe, einladen, so dass sie sich an der Diskussion beteiligen kann. Und wir wollen die Erinnerungen der allerersten Mitarbeiter aus dem Landtag festhalten – zum Beispiel durch Interviews. Wir wollen aufschreiben, was man damals erlebt hat, als es darum ging, das Land von Grund auf neu aufzubauen.

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