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Manja Schüle (SPD), Brandenburger Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur.

© Soeren Stache/dpa

Interview | Kulturministerin Manja Schüle: "Die Situation schmerzt mich natürlich"

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) spricht im PNN-Interview über Gratismentalität und Solidarität, Wege aus der Coronakrise und den Neuanlauf für die Potsdamer Synagoge. 

Frau Schüle, Sie haben vor acht Monaten ihr Bundestagsmandat niedergelegt, um in Brandenburg Ministerin zu werden. Was hat sich für Sie verändert?

Ganz ehrlich: Die Entscheidung ist mir damals schwergefallen. Es hat mir außerordentlich viel Spaß gemacht, mich als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für die Menschen in meinem Wahlkreis und in meinem Land einzusetzen. Heute weiß ich: Es war die richtige Entscheidung. Ich darf jeden Tag mit Leuten zusammenarbeiten, die Wissenschaft und Kultur in Brandenburg voranbringen. Ich kann dieses faszinierende Land mitgestalten. Das ist eine große Verantwortung. Aber eben auch ein riesiges Privileg. Auch wenn schon im Frühjahr die Coronakrise kam, und ich sofort Entscheidungen treffen musste, die von mir erfordert haben, dass ich ganz tief in die Materie einsteige. Ich bin Ministerin in einem Ressort, das die Zukunftsthemen bearbeitet: Wissenschaft, Forschung und Kultur. Das bedeutet, dass sich die Fragen stellen: Wie wollen wir in Zukunft in dieser Gesellschaft leben? Unter welchen Bedingungen wollen wir leben? Was ist es uns wert? Und welche Prozesse brauchen wir dafür? Das ist noch spannender, als ich erhofft hatte.

Zu den Zukunftsthemen gehört die geplante Medizinerausbildung in der Lausitz. Wie geht es damit jetzt weiter? 

Bundestag und Bundesrat haben uns endlich grünes Licht gegeben und die nötigen Mittel bereitgestellt, um in der Lausitz Mediziner auszubilden. Wir wollen aber nicht irgendeine Uni-Klinik. Wir wollen, dass die gesamte Region davon profitiert. Und wir wollen, dass eines Tages jeder, der sich in Deutschland für die Zukunft der Mediziner-Ausbildung interessiert, sagt: Ich muss mir anschauen, wie die das in Brandenburg machen. Dafür stellen wir gerade ein Experten-Gremium zusammen. Dieses Gremium soll uns beraten, wie wir am besten und erfolgreichsten diese Universitätsmedizin aufsetzen.

Zur Finanzierung hat der Bund bislang nur eine Einmalsumme versprochen. Wer bezahlt die Rechnungen danach?

Wir sprechen dabei von Investitionen in die Universitätsmedizin, wir sprechen vom Betrieb und den laufenden Kosten und wir sprechen vom Carl-Thiem-Klinikum als digitalem Leitkrankenhaus. Das sind alles Bereiche, in denen wir sehr viel investieren müssen. Diese Investitionen können durch den Bund übernommen werden. Aber natürlich wird es das Ganze nicht zum Null-Tarif für das Land geben. Wie viel es genau wird, wissen wir noch nicht – das hängt zum Beispiel davon ab, welche Forschungsschwerpunkte eingerichtet werden und wie viele Studierende es in Cottbus geben wird.

Ein anderes Thema: Im Kulturbereich fielen in den letzten Monaten zahlreiche Konzerte, Ausstellungen und Lesungen aus. Wie baut sich das jetzt wieder auf?

Die Kultur in Brandenburg ist ja nie vollständig ausgefallen. Als wir den Lockdown hatten, haben wir als Erstes zusammen mit der Digitalagentur eine Plattform für Kunst und Kultur im Internet entwickelt. Die Rückmeldungen und die Klickzahlen haben uns gezeigt, dass das richtig war. Wir haben dank #KulturBB auch im Netz zeigen können, wie vielfältig unsere Kulturlandschaft ist, wie überraschend sie zuweilen ist. Und in der Zeit, in der es keine Ausstellungen und keine Aufführungen gab, konnte man trotzdem Kultur genießen. Gleichwohl ist es natürlich ein Unterschied, ob ich mir ein Bild von Monet am Computer angucke, oder ob ich in eine Ausstellung gehen kann. Deswegen waren wir auch das erste Bundesland, das seine Museen, Galerien und Ausstellungen wieder geöffnet hat. Ein Vorteil war, dass wir im engen Kontakt mit Verbänden und Kulturinstitutionen vor Ort waren. Wir wussten immer, wo der Schuh drückt. 

Aber wie geht es nun weiter?

Am Anfang haben wir ja immer im Wochenrhythmus gedacht und uns immer wieder die Pandemiezahlen angeguckt. Da sind wir mittlerweile drüber hinaus. Aber jetzt sehen wir, dass die Hoffnung vieler, dass sich das öffentliche Leben spätestens im August oder September wieder normalisieren wird, und man dann die finanziellen Einbußen des Lockdowns wieder aufholen wird, höchstwahrscheinlich falsch war. Wir haben die Großveranstaltungsverordnung mit dem Verbot der Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern bis zum 31. Oktober verlängert. Und wir haben weiter die verpflichtenden Hygiene- und Abstandsregeln. Was in der Realität heißt, dass die Theater und Konzertsäle nur ein Drittel ihrer Plätze belegen können. Das gilt für große Theater ebenso wie für kleine Bühnen wie die Volksbühne Michendorf. 

Werden die Theater, vor allem die freien Theater, so über die Zeit kommen?

Deswegen haben wir ja ein Drei-Säulen-Modell gestartet: Wir erstatten Einnahmeausfälle. Wir haben ein Mikrostipendium für freiberufliche Künstlerinnen und Künstler. Und wir haben Fördermittel für Veranstaltungen ausgezahlt, die anders als geplant stattfinden mussten, um die Veranstalter zu stabilisieren. Die Finanzierung von Einnahmeausfällen war zunächst bis zum 31. August befristet. Nun müssen wir diese Fördermaßnahmen bis zum 31. Dezember verlängern. Dazu bin ich mit SPD-Finanzministerin Katrin Lange gerade im Gespräch.

Was heißt das für die Kulturlandschaft?

Wir werden nicht nur über die finanzielle Grundlage von Kultur, sondern auch über die Frage diskutieren müssen, welche Bedeutung Kultur in einer Gesellschaft hat, die unter Druck gerät. Welche öffentlichen Räume gibt es? Welche Räume können wir aufrechterhalten? Und welche neuen Produktionsformate und Möglichkeiten müssen wir uns erschließen, um nicht die Gefahr einer Gratismentalität heraufzubeschwören? Während Corona haben die Menschen gestreamte Konzerte und Aufführungen kostenlos im Netz gesehen. Ich hoffe, dass die Menschen jetzt so solidarisch sind, dass sie wissen, dass Kultur auch etwas kostet. Und dass Kultur ein Wert ist. Und dass sich der Wert nicht nur, aber eben auch am Wert einer Eintrittskarte bemisst.

Was ist mit Popkonzerten, Festivals, Clubs? 

Wenn sich das Pandemiegeschehen künftig überschaubar darstellt oder sich der große Wunsch erfüllt, dass wir im kommenden Jahr einen Impfstoff haben, dann spricht nichts gegen die Revitalisierung von Festivals oder der Clubkultur, so wie wir sie bislang kennen. Wir wollen Brandenburg zum Festivalland entwickeln – deswegen schmerzt mich natürlich die Situation, in der wir gerade sind. Wir sind noch immer in der Balance zwischen Gesundheitsvorsorge und freier Ausübung von Kunst und Kultur. Deswegen sind wir bei den Entscheidungen, die wir treffen, so vorsichtig. Mir ist es aber wichtig, dass wir die Kulturlandschaft insgesamt stabil halten. Das ist die große Aufgabe, vor der wir gerade stehen.

Ein Stichwort noch: Die Synagoge in Potsdam. Da wollten Sie ja mit den beiden Landesverbänden reden...

Das ist mittlerweile geschehen: Der Landesverband West der jüdischen Gemeinden hat in seinem Vorstand jetzt entschieden, in Vertragsverhandlungen mit dem Land einzusteigen. Der Landesverband der jüdischen Gemeinden hatte das ja ohnehin schon vorher getan. Jetzt ist es soweit, dass wir innerhalb der Landesregierung über die Idee einer Stiftung reden, die das Synagogenzentrum später tragen und betreiben soll.

Warum hat man nicht schon früher über so eine Stiftung nachgedacht?

Weil die beiden jüdischen Gemeinden, die unsere Vertragspartner waren, keine Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Das sind aber die beiden Landesverbände. Deswegen hätte eine Stiftung nun eine andere rechtliche Grundlage. Welche Art von Stiftung dann die geeignete sein wird, müssen wir mit allen Beteiligten noch erörtern. Aber vorher wollen wir den beiden Verbänden einen Vereinbarungsentwurf vorlegen, der dann weiter diskutiert werden muss. Da wird es dann sicher noch Änderungsbedarf geben. Aber ich bin nach wie vor optimistisch, dass wir zu einer Einigung kommen und eine Synagoge in Potsdam bauen werden. Es ist nicht nur an der Zeit, sondern das gebietet auch der Respekt gegenüber all den Jüdinnen und Juden, die seit 30 Jahren auf ein solches Gotteshaus warten.

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe.

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