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Brandenburg: In der Warteschleife

Bodenpersonal und Geschäftsleute müssen nun länger in Tegel bleiben – obwohl viele schon auf Schönefeld eingestellt sind

Flughafen Tegel, kurz nach 13 Uhr. Als 25 Kilometer südöstlich verkündet wird, dass die Maschinen auch nach dem 2. Juni vorläufig weiter am Tegel- Sechseck andocken werden, bricht leiser Jubel aus in den Gängen abseits der Besucherströme. Während sich Touristen und Geschäftsleute größtenteils noch unwissend in den Hallen drängeln, freuen sich Flughafenmitarbeiter, dass sie erstmal am alten Arbeitsplatz bleiben dürfen.

„An Tegel habe ich mich gewöhnt, BER ist mitarbeiterunfreundlich, die Entfernungen dort sind viel zu groß“, sagt eine Abfertigerin am Check-In. Von der Verschiebung des Eröffnungstermins des neuen Flughafens zeigt sie sich wenig überrascht. Ein Bauarbeiter habe einem Kollegen vergangene Woche bei einer Schulung am BER erzählt, dass die Arbeiten nicht fertig würden. „Schlecht organisiert, peinlich“, sagt die Frau. Andere Mitarbeiter beglückwünschen sich, übereinstimmend ist von ihnen zu hören, dass ihnen der BER zu weit draußen und die Wege dort zu lang seien. „Vielen Kollegen wurde gekündigt oder sie haben gekündigt, weil sie da nicht rausfahren wollten“, sagt eine Air-Berlin-Mitarbeiterin. Aber auch auf Tegel sieht sie Probleme zukommen. Weil am BER auch Fluggesellschaften landen sollen, die bisher nicht nach Berlin geflogen sind, müssten die ja nun in Tegel und Schönefeld runter. „Die Kapazitäten haben wir doch gar nicht, das wird Ärger geben und Regressforderungen“, sagt sie. Ein Mitarbeiter einer Servicefirma, der sich auf den neuen Flughafen freut, will schon Mitte April vom Betriebsrat erfahren haben, dass Tegel länger offen bleiben muss. Andere Angestellte wollten dies nicht bestätigen. Gepäckwagen und anderes Material sei schon in Teilen zum neuen Flughafen transportiert worden. Zurückgeholt werde nichts, was in Tegel sei, reiche aus.

Bei „presse + buch“ klaffen Lücken in den Bücherregalen, seit Monatsbeginn wurde keine Ware nachbestellt. „Wir hatten allen Verlagen gesagt, dass sie nun zum BER liefern sollen“, sagt Daniel Slawkowski. Nun müssten die Lieferungen umgeleitet werden. Sämtliche Flughafenmitarbeiter benötigten außerdem eine neue Parkkarte, die sei nämlich zu Ende Mai gekündigt worden. „Wir haben seit drei Monaten alles vorbereitet am BER“, sagt ein Angestellter eines Last-Minute-Reisebüros. Er selbst bleibe aber gerne länger in Tegel. „Am BER gibt’s keine Last-Minute-Kunden aus der Stadt. Das Schulferiengeschäft läuft hier besser“, sagt er. Zudem müsse er am BER zu viel Miete zahlen für Platz, den er nicht benötige: 12 000 Euro für 120 Quadratmeter, in Tegel sind es 1700 Euro für etwa 25 Quadratmeter. Beim Autovermieter Sixt heißt es, man warte einfach ab. Autos seien flexibel steuerbar, das BER-Personal solle an den beiden anderen Flughäfen eingesetzt werden.

Bei den Mitarbeitern der meisten Geschäfte löst die Nachricht aus Schönefeld Verwirrung aus, die bisher niemand beseitigen kann. Es heißt, in den kommenden Tagen entscheide sich, wie es weitergehe. Eigentlich sei ihr zum Monatsende gekündigt worden, sagt die Mitarbeiterin eines Souvenirladens. Woanders läuft der Ausverkauf weiter, so in einer Apotheke und bei der Modefirma S.Oliver, die auf fast alles 20 Prozent Rabatt gibt. Das Unternehmen konnte sich zu den neuen Plänen in Tegel noch nicht äußern. Andere Läden sind längst geschlossen.

Überraschung und Gleichgültigkeit bei den Fluggästen. „Betrifft uns nicht, wir sind zum Glück vorher wieder zurück und haben dann erstmal nichts gebucht“, sagt ein Paar aus Pankow auf dem Weg zum Check-In. Andere freuen sich, weil sie von Tegel aus schneller in der Innenstadt sind. Die Taxifahrer nehmen’s gelassen. „Dann fahr ich halt weiter nach Tegel“, sagt Salar Djafari.

Während manche Geschäfte in Tegel offenbar weiter öffnen werden, sorgen sich die, die am 3. Juni am BER eröffnen wollten. „Es ist schon ein Schock“, sagt Béatrice Posch. Die Inhaberin der Läden „Die kleine Gesellschaft“ will in Schönefeld Kinderspielzeug und Ausgefallenes für Erwachsene anbieten, fünf Mitarbeiter hat sie dafür eingestellt. Jetzt versucht sie zu errechnen, was die Verzögerung bedeutet – und erwartet eine offizielle Information vom Vermieter, dem Flughafen. Auch Ernst-Hermann Exter hat die Nachricht kalt erwischt. Sein Unternehmen, bekannt geworden durch einen Bio-Currywurststand am Wittenbergplatz, wollte seine Produkte am BER anbieten. „Wir sind sehr traurig“, sagt Exter, „das kam für uns völlig überraschend“. Jetzt müsse man sehen, wie hoch der Schaden sei. Exter gibt sich kämpferisch: „Irgendwann wird das Ding eröffnen, und dann werden wir dort erfolgreich sein.“

Vom Flughafen selbst scheint kein Mieter informiert worden zu sein. Der künftige Schönefeld-Händler Kay Herrig, Inhaber des Blumenhauses Schamp, erfährt die Neuigkeit von dieser Zeitung. Wenn der neue Flughafen wirklich erst im August eröffne, sagt er, „dann fahre ich vorher in den Urlaub“. Der Humor vergeht Herring, als er erzählt, dass er die neu eingestellten fünf Mitarbeiter bis zur verschobenen Eröffnung nicht anderweitig beschäftigen kann. Ab Juni wird er vorerst nur Personalkosten für fünf Mitarbeiter haben, aber keine Einnahmen. Einen Anspruch auf Schadensersatz kann er sich spontan nicht vorstellen.

Bei Optimahl Catering sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Das Berliner Unternehmen wird am BER den Gastro-Stand „Ick bin ein Berliner“ betreiben. Geschäftsführer Mirko Mann kann das Dutzend eingestellte Mitarbeiter vorübergehend bei anderen Kunden einsetzen. Alles weitere könne man erst sagen, wenn der neue Eröffnungstermin stehe.

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