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Brandenburg: Hoffnung in der Höhle

Die im Tierpark geborenen Eisbärchen sind wohlauf, doch die nächsten zehn Tage gelten als sehr kritisch

Von Sandra Dassler

Berlin - Nackt, blind, taub und nicht größer als Meerschweinchen – und doch beschäftigen die am Donnerstag geborenen Eisbärbabys im Berliner Tierpark schon viele Menschen. „Das Interesse ist riesig“, sagt die Sprecherin von Zoo und Tierpark, Christiane Reiss: „Dabei geht es für die beiden jetzt erst einmal ums blanke Überleben. Aber ihre Mutter Tonja macht bisher alles richtig, wir dürfen also vorsichtig optimistisch sein.“

Nur die Hälfte aller Eisbärbabys überleben die ersten 15 Tage, bei Mehrlingsgeburten schafft es oft nur eins. Deshalb waren die Tierparkmitarbeiter am Wochenende ganz beglückt, als sie aus der Wurfhöhle schmatzende Geräusche hörten. „Die könnten davon künden, dass die Kleinen trinken, genau wissen wir das aber noch nicht“, sagt Christiane Reiss, „die Überwachungskamera in der Höhle hat nicht die beste Qualität. Aber wir haben am Sonntag beide herumkrabbeln sehen. Allerdings nur kurz, denn weil sie viel Wärme brauchen, nimmt sie Tonja unter ihre Tatzen oder legt sie aufs Fell. Dann sind sie kaum noch zu erkennen.“

Dass sich die sechsjährige Tonja, die zum ersten Mal Mutter wurde, bisher so umsichtig um die Kleinen kümmert, ist fast ein wenig erstaunlich. Vielleicht liegt es daran, dass Tonjas Eltern, Murma und Untai, noch nicht in einem Zoo geboren, sondern in der Wildnis gefangen wurden. Das hatte der Tierpark jedenfalls vor drei Jahren mitgeteilt. Damals war Wolodja, der Vater der kleinen Eisbären, nach Berlin gekommen. Tierschützer hatten vermutet, dass er Tonjas Bruder sei, weil beide im Moskauer Zoo geboren wurden. Doch Wolodjas Eltern waren die Bären Simona und Vrangel, stellte der zuständige Kurator Florian Sicks damals klar.

Dem Liebesglück stand also vorerst nur das mangelnde Alter von Wolodja im Wege, aber bereits seit April 2015 paarte er sich dann immer wieder mit Tonja. Seine Kinder wird er übrigens nie zu Gesicht bekommen. Später wären sie Konkurrent oder Weibchen für ihn, er könnte sie töten und fressen. „Tonja würde ihn auch nicht zu den Kleinen lassen“, sagt Christiane Reiss. Und erzählt, dass sich die Eisbärin schon im Herbst 2015 in die Wurfhöhle zurückgezogen hatte. Im Tierpark begann man schon zu hoffen, aber damals war sie nicht trächtig. „Feststellen können wir das nicht“, sagt Reiss. „Da müsste man dem Tier ohne Not eine Narkose verabreichen, um einen Ultraschall durchzuführen.“

Am Gewicht lasse sich das auch nicht ableiten, weil Eisbärinnen im Herbst generell Fett ansetzen. Ungefähr 150 Kilo waren es bei Tonja, aber auch die mit 36 Jahren uralte Tierpark-Eisbärin Aika hat im Herbst gewaltig zugelegt. Während der Ruhezeit werden die Eisbären nicht gefüttert – überhaupt wird sich in den nächsten Tagen niemand der Wurfhöhle nähern. „Mutter und Nachwuchs brauchen absolute Ruhe, das wissen wir aus Erfahrung“, sagt Christiane Reiss.

Sie hat schon einmal ein Eisbär-Pärchen heranwachsen sehen: Im Dezember 2013 waren Nobby und Nela im Münchner Tierpark Hellabrunn geboren worden. „Wenn bei Tonja alles gut geht, wird vieles ähnlich laufen“, sagt die Tierpark-Sprecherin. „Ich erinnere mich noch, als Nobby und Nela im Frühling mit ihrer Mutter aus der Höhle kamen und sich den Besuchern präsentieren. Sie sahen aus wie kleine Teddys, es war wunderschön, wie sie miteinander spielten – so natürlich und ganz anders als bei Knut, der ja mit seinem menschlichen Pfleger Thomas Dörflein auftrat.“

Allerdings wirke der Knut-Bonus immer noch, sagt Reiss. „Wir haben unglaublich viele Anfragen und Glückwünsche erhalten.“ Wenn die kritische Zeit überstanden sei, werde man über Namen und Marketingstrategien nachdenken: „Jetzt heißt es erst einmal: Abwarten und Daumen drücken.“ Sandra Dassler

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