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Brandenburg: Gutachten: Land kann allein Nachtflüge stoppen

Nach Expertise kann Brandenburg ein strengeres Nachtflugverbot am BER verordnen – wenn Verhandlungen mit Berlin platzen

Potsdam - Brandenburg kann nach neuen Gutachten ein verschärftes Nachtflugverbot am künftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld im Alleingang durchsetzen, falls die Verhandlungen mit Berlin und dem Bund scheitern. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Expertise der Würzburger Kanzlei Baumann im Auftrag der Fluglärm-Bürgerinitiative Kleinmachnow, die am Dienstag an Brandenburgs Ministerpräsidenten und BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD) übergeben wurde. Es deckt sich mit einem Rechtsgutachten im Auftrag der CDU-Landtagsfraktion, das Ende der Woche vorgelegt wird. Der Sprecher der Bürgerinitiative, Matthias Schubert, forderte Platzeck auf, nach der Annahme des erfolgreichen Nachtruhe-Volksbegehrens durch den Landtag ein verschärftes Nachtflugverbot am BER von 22 Uhr bis sechs Uhr notfalls in eigener Hoheit durchzusetzen. „Der politische Wille Brandenburgs ist es, den Planfeststellungsbeschluss zu ändern.“ Genau das müsse angeschoben werden.

Brandenburgs Regierung favorisiert dagegen bislang den Verhandlungsweg mit Berlin und dem Bund, um mehr Nachtruhe am BER zu erreichen. Allerdings ist Brandenburg, wie berichtet, gerade am Veto Berlins, aber auch des Flughafens, mit dem Vorstoß abgeblitzt, für den alten Flughafen Schönefeld mit dem bisher dort zulässigen 24-Stunden-Flugbetrieb ein Nachtflugverbot nach BER-Vorbild zu verhängen. Platzeck sagte zu diesem Rückschlag am Dienstag lapidar: „Es ist, wie es ist. Es ist das Ergebnis eines ordentlichen Verfahrens.“ Die Chancen für ein strengeres Nachtflugverbot am BER sieht Platzeck dennoch nicht geschmälert: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

Die Anwälte Franziska Heß und Wolfgang Baumann argumentieren im Gutachten, dass der BER-Planfeststellungsbeschluss eine Änderungsklausel enthält, wenn sich wichtige Umstände – rechtlich oder tatsächlich – verändern. Genau das sei in mehrfacher Hinsicht geschehen, etwa durch die Neufestsetzung der Flugrouten im Jahr 2012, sagte Heß. Es gebe sogar erhebliche Veränderungen gegenüber den Abwägungen im Planfeststellungsverfahren. So habe sich herausgestellt, dass die vorhandene Bausubstanz um den Flughafen weniger Lärm abhält, gleichzeitig aber die Maximalpegel höher sind als damals erwartet. Co-Autor Wolfgang Baumann verwies auf ein neues Lärmgutachten des Bundesumweltamtes, das von höheren Gesundheitsgefährdungen durch Nachtflüge am BER ausgeht. In einem Gespräch mit den Gutachtern und der Bürgerinitiative sicherte Platzeck eine Prüfung der Expertise zu. Die Bürgerinitiative will nicht lockerlassen, sieht vor allem Platzecks Regierung in der Pflicht. „Die märkische Landesregierung kann auch ohne Berlins Zustimmung das Heft selbst in die Hand nehmen“, betonte Schubert. Man werde dem im Juni mit einer Demonstration in Schönefeld Nachdruck verleihen.

Mit dem Fluglärm am BER wird sich nächste Woche das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) befassen, das über den Schallschutz-Standard für rund 24 000 Anwohner um den BER entscheiden muss. Das OVG hatte bereits die jahrelange rechtswidrige Billig-Bewilligungspraxis des Flughafens gekippt – als systematischen Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss. Wie berichtet, war im Etat der Flughafengesellschaft niemals genug Geld vorgesehen, um den Anwohnern den ihnen zustehenden Schallschutz zu gewährleisten. In der Kasse waren lediglich 138 Millionen Euro, je Wohnung rund 4500 Euro. Vor dem OVG geht es darum, ob die Bürger nach geltendem Recht Schallschutz für 591 Millionen oder für rund 350 Millionen Euro erhalten. Der Bürgerverein Berlin-Brandenburg kündigte am Dienstag zwei weitere Klagen zum Schallschutz an.

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