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Letzte Ruhe. Gäste einer muslimischen Bestattung in Berlin begleiten den Sarg zum Grab auf dem Landschaftsfriedhof Gatow. Überall in Deutschland hat die Zahl der Beisetzungen nach islamischem Ritus zugenommen.

© Christoph Soeder/dpa

Brandenburg: Grabflächen gen Mekka

In Deutschland werden immer mehr Muslime bestattet. Städte und Gemeinden schaffen entsprechend Platz – auch in Berlin und Brandenburg

Berlin/Potsdam - Eigentlich sollte die Beisetzung längst begonnen haben. Doch auf dem Friedhof in Berlin-Spandau muss die bosnische Trauergemeinde warten. Unterschriften fehlen. Die Friedhofsverwaltung sei unsicher, ob das Grabfeld bereits bezahlt wurde. „Das ist reine Schikane“, sagt Bestatter Isikali Karayel. Deutsche müssten nicht im Voraus bezahlen.

Derartige Schwierigkeiten seien aber selten. Für Berliner Friedhofsverwaltungen sei es längst kein Problem mehr, dass er seine Toten im Leinentuch anstatt wie in Deutschland üblich im Sarg unter die Erde bringe, meint Karayel. Seine Kunden störten sich aber auch nicht an einem Sargbegräbnis. „Im Islam ist lediglich vorgeschrieben, dass die Bestattung einfach sein muss. Ohne Schnickschnack – ob mit oder ohne Sarg.“

In Berlin hat sich die Zahl muslimischer Bestattungen nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt. Wurden 2006 rund 170 Menschen auf muslimischen Grabfeldern beerdigt, waren es 2016 bereits über 330. Die Hauptstadt hat daher auf fünf Friedhöfen muslimische Bereiche angelegt – die Gräber zeigen gen Mekka. Da die Umweltverwaltung davon ausgeht, dass der Bedarf an Beisetzungen nach muslimischem Ritus in den kommenden Jahren durch die Aufnahme von Flüchtlingen und demografischem Wandel weiter steigen wird, werden derzeit weitere Friedhofsflächen geprüft.

Nach Angaben des Zentralrats der Muslime entscheiden sich Hinterbliebene immer häufiger dafür, Verstorbene in Deutschland beerdigen zu lassen. In Nordrhein-Westfalen etwa haben sich Bestattungen nach islamischem Ritus von 2011 bis 2016 in nahezu allen größeren Städten verdoppelt. „Viele haben nur noch lose Verbindungen zu der Heimat ihrer Vorfahren“, erklärt Zentralratssprecher Zakaria Said. Muslime lebten mittlerweile in dritter Generation in Deutschland. Auch der Verein rechnet damit, dass in den kommenden Jahren die Zahl muslimischer Bestattungen weiter ansteigt.

In Brandenburg steigt die Nachfrage nach muslimischen Grabflächen ebenfalls – wenn auch deutlich langsamer als im benachbarten Berlin. Brandenburger Friedhofsverwaltungen reagieren darauf und legen spezielle Bereiche an. So entstanden in Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark) im vergangenen Jahr Gräber für Bestattungen im Leinentuch. In Fürstenwalde wurden seit 1996 bis heute sechs Muslime bestattet. Und auf dem Neuen Friedhof in Potsdam, wo für rituelle Waschungen nach dem Islam extra ein Raum eingerichtet wurde, sind seit 2009 13 Muslime beigesetzt worden.

Nach dem Brandenburger Bestattungsgesetz ist nur der Transport im Sarg vorgeschrieben. Da eine Beisetzung im Leichentuch in der Regel aber keine Gesundheitsgefahren befürchten lasse, schreibe das Gesetz auch keinen Sargzwang vor, erklärt der stellvertretende Sprecher des Innenministeriums, Lothar Wiegand.

In einem Entwurf zum Bestattungsgesetz will das Ministerium Muslimen mit einer weiteren Regelung entgegenkommen. In Paragraf 22 des Gesetzes soll ausdrücklich aufgenommen werden, dass eine Verkürzung der Wartezeit zwischen Todeseintritt und Beisetzung aus religiösen Gründen zulässig ist. Nach dem Islam soll der Verstorbene möglichst noch am Tag seines Todes beerdigt werden. In Deutschland ist eine Wartezeit von 48 Stunden vorgesehen, um den Scheintot auszuschließen. „Das ist eigentlich nichts Neues“, sagt Wiegand. Eine Ausnahme von der 48-Stunden-Regel könnten Muslime bereits jetzt beantragen. Durch die Änderung werde nur das, was eh schon seit Jahren zur Bestattungskultur gehöre, ins Gesetz geschrieben, erklärt Wiegand.

Auf dem Friedhof Gatow hat die Beisetzung mit zwanzig Minuten Verspätung begonnen. 15 Männer haben sich vor dem Grab versammelt. Während der Imam das Totengebet spricht, fahren sie sich mit den Händen durchs Gesicht, beugen ihre Köpfe bis zum Boden. Die Frauen warten in einiger Entfernung. Auf dem Rückweg klingelt Karayels Handy. Er wird hektisch. „Wir müssen uns etwas beeilen. Die nächste Bestattung wartet.“ Am nächsten Tag will der 50-Jährige nach Brandenburg. Eine Gemeinde hat ein Seminar bei ihm gebucht.Anna K. Bückmann, dpa

Anna K. Bückmann, dpa

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