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Brandenburg: Flug ins nächste Finanzloch

Der BER hat unerwartet noch ein paar Rechnungen bekommen – über 250 Millionen Euro. So mancher Politiker reagiert mit Sarkasmus

Schönefeld - Wegen schlampiger Buchführung und laxem Umgang mit den Baufirmen sind bei der Flughafengesellschaft jetzt zusätzliche Baukosten für den Hauptstadtflughafen BER in Höhe von 250 Millionen Euro aufgelaufen – und damit neue Risiken für die Eröffnung im Oktober 2013 und auch für den Kostenrahmen. Zwar versichern Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD), der Bund und die brandenburgischen Aufsichtsratsmitglieder, die Linke-Minister Ralf Christoffers und Helmuth Markov, dass es beim von drei Flughafen-Eignern beschlossenen Zusatzbudget von 1,2 Milliarden Euro bleibt. „Das steht, das Paket muss nicht aufgeschnürt werden“, sagte Christoffers den PNN. Das ist auch die Summe, für die am Mittwoch bei der EU in Brüssel offiziell die Notfizierung beantragt wurde. Doch mit den zusätzlich fälligen 250 Millionen Euro, wie aus Aufsichtsratskreisen bestätigt wurde, schwinden schon wieder die Puffer und Reserven, obwohl die Kosten des BER mit den 1,2 Miliarden Euro bereits auf 4,5 Milliarden Euro geklettert sind. Brandenburgs CDU-Oppositionsführer Dieter Dombrowski prophezeite am Donnerstag: „Zur Eröffnung wird die Fünf-Milliarden-Grenze gerissen sein.“

Das Gros der 250 Millionen ist eine Spätfolge der Chaosphase um den geplatzten Start zum 3.Juni 2012. Wie die PNN aus Aufsichtsratskreisen erfuhren, führte der hektisch-lockere Umgang der Geschäftsführung bei der Auftragserteilung auf der Baustelle zu den neuen Kosten. Die Anweisungen von BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz und des früheren Technik-Chefs Manfred Körtgen auf der Baustelle nach und vor der geplatzten Eröffnung im Juni seien nicht schriftlich fixiert worden, die Aufträge nur mündlich erteilt worden. Für diese Extra-Aufträge gingen beim Flughafen nun die Rechnungen ein. Ein anderer Teil der Summe stammt dem Vernehmen nach aus Aufträgen, die jetzt an Firmen erteilt werden, um das Fluggastterminal funktionsfähig zu machen. Zuvor hatten 16 000 Blatt Ausführungspläne neu gefertigt werden müssen.

Es wird um Millionen gepokert. Die Flughafengesellschaft verhandelt derzeit mit den Unternehmen über die Konditionen für die Wiederaufnahme der Arbeiten und die Einhaltung der neuen Zeitpläne. Wie berichtet sind die Arbeiten auf der Flughafen-Baustelle erneut in Verzug geraten, obwohl dort bereits ab Mitte November alles wieder auf Hochtouren laufen sollte. Die Unternehmen begründen dies damit, dass die Flughafengesellschaft die finanziellen Forderungen derzeit nicht erfüllen könne. Der Flughafen hält die Forderungen für zu hoch. Allerdings hat die Flughafengesellschaft auch ein gravierendes hausgemachtes Problem: Denn sie hat oft keine eigenen Unterlagen zu extra erteilten, aber nie vermerkten Aufträgen, und kann sie deshalb auch schwerlich im Nachhinein überprüfen, nachvollziehen und auch verbuchen. Zudem ist Verhandlungsposition der BER-Chefetage geschwächt, weil der Druck, die Eröffnung am 27. Oktober 2013 zu halten, enorm hoch ist. Wie berichtet gehen Insider wegen des neuerlichen Verzugs auf der Baustelle und wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den Baufirmen davon aus, dass der Flughafen doch erst im Jahr 2014 in Betrieb gehen wird.

Nun wachsen die Zweifel, ob die Mehrkosten durch das Zusatzbudget von Bund, Berlin und Brandenburg über 1,2 Milliarden Euro aufgefangen werden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) versuchte am Donnerstag die Brisanz herunterzuspielen. Dem Radiosender RTL sagte er, die jetzt aufgetauchten Extrakosten wurde durch die Zuschüsse der Gesellschafter aufgefangen. Wörtlich sagte Wowereit: „Diese 250 Millionen Euro sind eine Betrachtung, was könnte passieren. Das sind erst mal noch Vermutungen, sie sind noch nicht ganz konkret und sie sind noch zurzeit durch die 1,2 Milliarden gedeckt.“ In den zusätzlichen Geldern der Anteilseigner seien bereits Reserven eingeplant. Es sei auch klar gwesen, dass bei der Überprüfung von Rechnungen noch Kosten entstehen könnten.

Wie berichtet stellen Berlin und Brandenburg jeweils 444 Millionen Euro im Rahmen des Zusatzbudgets von 1,2 Milliarden bereit. „Es ist auskömmlich“, sagte Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der den Finanzausschuss des Aufsichtsrates leitet. Der Bund allerdings verfolgt die Turbulenzen mit Argwohn. Im Bundeshaushalt sind die 312 Millionen Euro mit einem Sperrvermerk versehen. Bislang galt es als wachscheinlich, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags die Sperre einfach aufheben kann. Angesichts der neuen Entwicklungen wird das aber fraglich. „Dieser ganze Vorgang wirft einmal mehr ein desaströses Bild auf die BER-Geschäftsführung und zeigt, dass die nicht nur nicht bauen, sondern auch nicht rechnen können“, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Dass die Gesellschafter unisono erklären, die 250 Millionen Euro konnten durch den im 1,2-Milliarden-Euro-Budget vorgesehenenen Puffer aufgefangen werden, hat einen trifftigen Grund: Die Wettbewerbshüter der EU in Brüssel haben die nachträglichen Staatszuschüsse von 1,2 Milliarden bislang nicht genehmigt. Aus dem Bundesverkehrsministerium hieß es, man stimme sich eng mit Brüssel ab. Die Einzelheiten wurden auf Arbeitsebene vorab geklärt. Dazu gehört auch ein „Private Investor Test“, dem der BER unterzogen wurde. Anhand der Zahlen der Flughafengesellschaft prüften die Wettbewerbshüter, ob sich ein privater Investor genauso verhalten hätten wie die staatlichen Eigentümer Bund, Berlin und Brandenburg. Eine Zustimmung der EU-Kommission zu den neuen Beihilfen galt aus Sicht der Gesellschafter und angesichts der Vorabgespräche mit der EU bislang als sicher. Sollte sich am Ende herausstellen, dass der Puffer doch nicht ausreicht, wäre auch die EU-Genehmigung hinfällig. Weil das Geld am BER nur noch bis Ende Januar reicht, ist aber eine schnelle Entscheidung nötig. Ohne Segen der EU dürften Bund, Berlin und Brandenburg die Gelder nicht ausreichen.

Auch die Personalie des Chef-Flughafenmanagers Rainer Schwarz, für Finanzen verantwortlich, rückt durch die Panne wieder in den Vordergrund. Der Bund will eine Entlassung von Schwarz, hat sie aber wegen des Vetos von Berlin und Brandenburg im Aufsichtsrat nicht beantragt. Die jetzt bekannten gewordenen Verfehlungen von Schwarz, durch die jetzt neue Zusatzkosten auflaufen, liefern dem Bund neue Argumunte für eine Ablösung. Nach den bisherigen Absprachen soll bei der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats am 7. Dezember darüber beraten werden, Schwarz die Kompetenzen für die Finanzen zu entziehen und nur noch den laufenden Betrieb der Flughäfen zu überlassen. Im Gespräch ist ein weiterer Finanzvorstand, der Schwarz und Technik-Chef Horst Amann zur Seite gestellt wird. Döring sagte: „Es ist dringend geboten, das Finanzressort an eine andere Person zu übergeben, nur muss man jetzt erst mal jemanden finden, der bei diesen schlechten Rahmenbedingungen den Job machen will.“

Martin Delius (Piraten), Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses in Berlin, spricht von einem „unglaublichen Vorgang – als wären Rechnungen von 250 Millionen Euro hinter die Heizung gefallen“. Die Kündigung der Generalplaner um das Büro von Gerkan (GMP) erweise sich erneut als schwerer Fehler im Krisenmanagement des Aufsichtsrats. „Jetzt rächt sich, dass SPD und CDU mit den 444 Millionen Euro einen Blankoscheck für Wowereit und Schwarz genehmigt haben“, erklärte die grüne Fraktionschefin Ramona Pop. GMP hat sich dem Vernehmen nach an den Verkehrsausschuss des Bundestages gewandt, um seine Sicht der Dinge darzustellen. Aus einer Mail vom 28. Februar zwischen Planungsbüro und der BER-Geschäftsführung, die dieser Zeitung vorliegt, geht hervor, dass GMP darauf hingewiesen hat, dass der Eröffnungstermin 3. Juni 2012 nicht zu halten sei. „Von einem üblichen Inbetriebnahmezyklus und einer -dauer können wir nicht mehr ausgehen“, heißt es darin.

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