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Brandenburg: Erste Evakuierung, erster Deichbruch

In Brandenburg verschärfte sich die Lage in den Hochwassergebieten – und am Wochenende soll es in der Prignitz gefährlich werden

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Potsdam/Mühlberg - Aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt schieben sich die Fluten nach Norden. In Brandenburg hat sich die Hochwassersituation am Mittwoch dramatisch verschärft. Und zwar an der Spree, insbesondere aber an der Schwarzen Elster und der Elbe in Mühlberg. Lediglich an der Neiße gibt es leichte Entspannung. An der Schwarzen Elster brach ein Deich, der erste, nahe der Stadt Herzberg. Am kritischsten ist die Lage in Mühlberg. Am Nachmittag begann die Evakuierung der Stadt mit 4200 Einwohnern. „Die Lage ist angespannt und nach wie vor ernst. Wir wissen nicht, wie viel Wasser noch aus Sachsen kommt“, sagte der für Katastrophenschutz zuständige Innenminister Dietmar Woidke (SPD). Ein Überblick.

ELBE IN MÜHLBERG UND DER PRIGNITZ

Im Krisenstab fiel die Entscheidung, die Stadt Mühlberg zu evakuieren, die unter dem Elbepegel liegt. Die Sicherheit der Einwohner sei sonst nicht zu gewährleisten, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der vor  Ort war. Seit Nachmittag wurden ein Pflegeheim mit 200 Einwohnern evakuiert und die 2100 Anwohner des Zentrums per Lautsprecher aufgefordert, die Stadt freiwillig zu verlassen. Viele folgten der Aufforderung. Für die Nacht wurde eine Anordnung erwartet. Die Stadt war bereits 2002 und 2006 vom Hochwasser heimgesucht worden, 2010 hatte ein Tornado große Teile der Innenstadt zerstört. Es wird befürchtet, dass das Wasser höher steigt als bei der Rekordflut vom August 2002, als ein Pegel von 9,98 Metern erreicht wurde. Dieses Mal werden 10,10 Meter erwartet. Zwar stand das Wasser am Mittwoch noch knapp einen Meter unter der Marke von 2002, wo es beim „Wunder von Mühlberg“ zwei Zentimeter unter der damals durch Sandsäcke verstärkten Deichkrone zum Stehen gekommen war. Doch die Pegel steigen weit schneller als erwartet, sodass jetzt Katastrophenalarm gilt. Schulen blieben geschlossen. Mühlberg ist für Besucher gesperrt. Zusätzliche Probleme gibt es durch zwei Deichbaustellen, die mit Sandsäcken gesichert werden. Die Landespolizei beorderte 200 Polizisten hierher, auch 200 Feuerwehrleute aus Hessen helfen. An der Elbe im Norden in Brandenburg, in der Prignitz, ist es noch ruhig, der Landkreis rief aber vorsorglich Katastrophenalarm aus, Vorraussetzung für die Anforderung der Bundeswehr: Am Wochenende werden höhere Pegel als 2002 erwartet, da dort alles Wasser aus Elbe und den vorher einmündenden Flüssen Saale, Mulde und Weiße Elster vorbei muss. Bis dahin werden dort 500 000 Sandsäcke gefüllt und auf die Deiche gepackt. Landesweit lieferte das Katastrophenschutz-Zentrallager in Beeskow bisher 800 000 Sandsäcke aus.

SCHWARZE ELSTER/HERZBERG

Südlich der Stadt Herzberg (Elbe-Elster) im Stadtteil Ansnesta brach ein Deich auf einer Länge von 20 Metern. Überflutet wurden zunächst nur Wiesen. Die Bundeswehr warf mit Hubschraubern aus dem nahen Holzdorf Sandsäcke ab, um den Damm zu reparieren. „Dafür mussten erst Bäume gefällt werden“, sagte Jörg Richter, der wie alle anderen Bewohner des Ortsteils Sandsäcke füllte. In der Stadt selbst hielten die Deiche, doch Keller und Gärten stehen wie in der Mühlstraße trotzdem schon unter Wasser: Das Grundwasser drückt nach oben. Und es gibt erste Schuldzuweisungen, etwa Unmut, dass der Kreis keinen Katastrophenalarm ausrief. Elbe-Elster-Landrat Christian Jaschinski und Herzbergs Bürgermeister Michael Oecknigk (beide CDU) wiederum warfen der Landesregierung Versäumnisse vor, weil es in den Vorjahren nur „leichte Reparaturen“ an den Deichen gab. Nötig wären 140 Millionen Euro, um die Schwarze Elster besser einzudämmen, sagte Oecknigk. „Wenn ich das umrechne, ist das ein Prozent der Mehrkosten, die gegenwärtig am Flugplatz BER zu verzeichnen sind.“ Auch im nahen Bad Liebenwerda schwappte Wasser über die Deichkrone, aber noch ohne Schäden in der Stadt anzurichten. Der Abschnitt wird mit Sandsäcken repariert.

SPREE MIT TALSPERRE SPREMBERG

Alarmstufe IV gilt weiter in Spremberg, wo die Spree mit immer höheren Pegeln aus Sachsen ankommt. In der Talsperre Spremberg kommen derzeit 133 Kubikmeter je Sekunde an, der Stausee ist fast voll, erwartet werden 140 Kubikmeter je Sekunde. Seit dem Wochenende werden die Schleusen immer mehr geöffnet, sodass seit Mittwoch 105 Kubikmeter pro Sekunde – üblich sind 17 – abgelassen werden. Noch immer steigt der Pegel im Becken. Erwartet wird, dass demnächst 140 Kubikmeter in Richtung Cottbus abgelassen werden müssen. Das Wasser ist zudem mit Eisenhydroxid verunreinigt, verantwortlich für die „rostbraune“ Spree, was im Spreewald die Ängste vor einer Öko- und Tourismuskatastrophe verstärkt. Cottbus, dreißig Kilometer weiter nördlich gelegen, rüstet sich für das schwerste Hochwasser seit 1981: Die Stadt hat jetzt 230 Bundeswehrsoldaten angefordert, ein nahe der Spree liegendes Tierheim wurde evakuiert. Zigtausende Sandsäcke sollen unter anderem die Kleingartenanlagen an der Spree, aber auch das Stadion der Freundschaft des Zweitligisten Energie Cottbus schützen. Für Donnerstagmorgen wurde der Hochwasserscheitel erwartet. Für zusätzliche Unruhe bei Spree-Anrainern hatte Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) mit einer Falschinformation gesorgt, für die sie sich entschuldigte. Im RBB hatte Tack am Vorabend mitgeteilt, dass die südlich gelegene Talsperre im sächsischen Bautzen „defekt“ sei und daher „dort alles Wasser abläuft“. Seitdem liefen etwa im Spremberger Rathaus die Telefone heiß, da ein Auslaufen der Bautzener Sperre Lan dunter für Spremberg und weitere Orte nördlich bedeuten würde. Richtig ist, dass in Bautzen die volle Talsperre „kontrolliert überläuft“. Das Ministerium bedauerte das „Missverständnis“.

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