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Brandenburg: Eine Schule, zwei Filialen

Demografie-Kommission gibt Empfehlung gegen Grundschul-Sterben bis 2030. Die Reform des Gesamtsystems wurde nicht untersucht

Potsdam - Eine Grundschule, aber an zwei Filial-Standorten: Das ist die Kern- Empfehlung der von Bildungsministerin Martina Münch (SPD) eingesetzten „Demografie-Kommission“, mit der trotz drastisch sinkender Schülerzahlen bis zum Jahr 2030 ein neues Schulsterben in den berlinfernen Regionen abgewendet werden soll. So steht es im Abschlussbericht des Expertengremiums für „künftige Modelle der Grundschulversorgung im Land“, der am Montag in Potsdam an Ministerpräsident Dietmar Woidke und an Münch übergeben wurde. Kommissionschefin Ute Erdsiek-Rave, früher Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, mahnte Woidke, dass das Modell nicht zum Nulltarif zu haben sei und weitere Finanzmittel erfordere. Es geht um rund 7 Millionen Euro jährlich, um 130 bis 150 Stellen. Woidke reagierte offen. Die Filial-Lösung sei „eine Grundlage dafür, dass Kinder und Jugendliche auch in den ländlichen Regionen weiterhin den gleichen Zugang zur Bildung haben“.

Nach dem Filial-Modell könnten rund 40 gefährdete Grundschulen bleiben. Im Alltag sähe es so aus, dass im Hauptstandort dann die 5. und 6. Klassen unterrichtet würden, wodurch die Unterrichtsqualität für den beginnenden Fachunterricht und ausreichend Fachlehrer gewährleistet werden könnten. In der „Filiale“ würden die Kleinen, die Kinder der ersten bis vierten Klassen, zur Schule gehen. Es wäre aber ein Kollegium, eine Grundschule. Mit dem Modell sind weitere Schulwege und ein weiterer Schulwechsel nach der 4. Klasse verbunden. Allerdings könnten, so der Bericht, fast alle 444 Grundschulstandorte bis 2030 erhalten bleiben – lediglich bis zu zwanzig Schulen würden auslaufen.

Hintergrund ist ein erneut bevorstehender drastischer Schülerrückgang, das sogenannte „demografische Echo“ auf die Schülerrückgänge der 90er-Jahre, wegen denen damals hunderte Schulen dicht machten. Werden derzeit in Brandenburg jährlich 20 000 Kinder eingeschult, so werden es nach den Erhebungen 2030 nur noch 12 700 Kinder sein, wobei es ab 2017 nach unten geht. In den berlinfernen, dünnbesiedelten Regionen fallen die Rückgänge noch krasser aus, von derzeit 11 900 auf dann 6100. „Die Herausforderungen in Brandenburg sind damit viel größer als etwa in Schleswig-Holstein, mit Schülerrückgängen um 50 Prozent“, sagte Erdsiek-Rave. Mit dem Filial-System sei das Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ noch am besten zu gewährleisten.

Allerdings bleibt unklar, ob die Empfehlungen tatsächlich längerfristig tragfähig sind, da der Auftrag der Kommission von vornherein extrem eingeschränkt war. Nämlich auf eine alleinige Reform innerhalb der Grundschulebene, was von Beginn an umstritten war. Eine Analyse für eine demografische Anpassung des gesamten Schulsystems aus einem Guss hatte Münch nicht beauftragt. Zusammenlegungen von Grundschulen mit weiterführenden Schulen, etwa Oberschulen oder Gesamtschulen mit Gymnasialer Oberstufe, die es zum Teil im Lande gibt, wurde als Modell für das ganze Land gar nicht untersucht. Die Kommission selbst empfiehlt jetzt der Landesregierung, „sich zeitnah mit den Auswirkungen der demografischen Entwicklung“ bei den weiterführenden Schulen auseinanderzusetzen.

In der Kommission hatten Experten, aber auch Landtagsabgeordnete, die Bildungsgewerkschaft GEW, Städte- und Gemeindebund und Vertreter der Wirtschaft mitgewirkt. Die CDU im Landtag sprach sich wie der Städte- und Gemeindebund in einem Sondervotum gegen jedwede Grundschulschließung aus. Die Vertretung der Lehrkräfte empfahl in einem Minderheitenvotum, „auf regionaler Ebene eine Schulstruktur zu ermöglichen, die gemeinsames Lernen in den Jahrgangsstufen 1 bis 13 realisiert“. Das ist auch die Linie der Brandenburger Linken.

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