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Christi Leib und Blut. Am 2. November 1539 empfangen die Räte von Berlin-Cölln das evangelische Abendmahl (Gemälde von Hermann Knackfuss 1886).

©  Stadtmuseum Berlin/Oliver Ziebe

Brandenburg: Die Kraft des Symbols

Mit dem Abendmahl in beiderlei Gestalt begann 1539 die Reformation in Berlin und Brandenburg. Stationen eines Wandels

Ehekrieg im Hause Hohenzollern, und Urheber ist wieder dieser vermaledeite Luther: Kaum weilt Joachim I., Kurfürst von Brandenburg, dazu entschiedener Gegner der Wittenberger Lehre, mal nicht in der Residenz – schon tritt seine Frau Elisabeth zum lutherischen Glauben über. Was tun? Sich scheiden oder sie lieber hinrichten lassen? Die drei brandenburgischen Bischöfe und die Äbte der Klöster Lehnin, Chorin und Zinna, die er zwecks Beratung in dieser Frage nach Berlin beordert hatte, empfahlen strenge Beugehaft mit halbjähriger Frist, sich zu bekehren. Prima Idee, funktionierte aber nicht: Im März 1528 rettete sie sich an den Hof ihres Onkels, des Herzogs von Sachsen.

Der Weg Berlins und Brandenburgs in die Reformation ist von solchen kuriosen Begebenheiten nicht frei, im vorliegenden Fall von besonderer Pikanterie, da der Kurfürst der katholischen Kirche wohl entschieden treu war, seiner Frau aber keineswegs. Vollends spektakulär wurde der Zwist, als sich Ehemann wie Ehefrau und sogar die Mätresse an Martin Luther mit Bitte um Vermittlung wandten. Der blieb darin freilich trotz deutlicher Worte gegenüber Joachim erfolglos.

Von der Flucht der kurfürstlichen Gemahlin bis zu jenem 1. November 1535, als Kurfürst Joachim II., Sohn des gestrengen Katholiken, erstmals das Abendmahl „in beiderlei Gestalt“ zu sich nahm und sich so zur neuen reformierten Lehre bekannte, war es noch ein weiter Weg. Der denkwürdige Gottesdienst kam aber nicht urplötzlich über das Kurfürstentum und die Doppelstadt Berlin-Cölln. Die Reformation sickerte allmählich ins Land und die Stadt. Anteil hatten daran Stadtrat, Kirchenvolk, Prediger und Landesherr gleichermaßen, wie der Kirchenhistoriker Klaus Fitschen in seiner jüngst erschienenen „Berliner Kirchengeschichte“ (Elsengold Verlag) schreibt.

Zur Vorgeschichte gehört auch der Besuch des Dominikaners Johannes Tetzel in der Doppelstadt 1517, um hier mit dem Verkauf seiner Ablassbriefe Geld zu sammeln für den Bau des Petersdoms in Rom wie für den Abbau der Schulden von Albrecht, dem Bruder Joachims I. Der war Kardinal von Brandenburg sowie Erzbischof von Magdeburg und Mainz – Ämter, die zu erlangen ihn Unsummen gekostet hatte. Ein Profi wie Tetzel kam ihm da gerade recht, der auch schon mal einem gewissen Tielemann aus Köpenick Ablass erteilte. Der gab vor, beim Schlachten eines Schweins versehentlich seinen Sohn erschlagen zu haben, was Tetzel wohl nicht weiter irritierte: „Ego te absolvo!“

Ohnehin verlief die Einführung der Reformation in Brandenburg mit zweierlei Tempo. Joachim, der Katholische, starb 1535 und hatte seine Söhne Joachim und Johann im Testament auf die alte Lehre verpflichtet, worüber sie sich hinwegsetzten. Johann als Jüngerer erbte in der Neumark die Markgrafschaft Brandenburg-Küstrin und trat schon bald nach Regierungsantritt zum Protestantismus über. Joachim übernahm den Hauptteil des Kurfürstentums samt Berlin-Cölln. Erst als Johann 1571 kinderlos starb, kamen beide Teile wieder zusammen.

Anders als sein Bruder taktierte Joachim in Fragen der Religion, die stets auch solche der Politik waren, hinhaltender, gab sich großzügiger als sein Vater, aber nicht gerade als Vorkämpfer der Reformation. Immerhin wurde bereits am 25. Februar 1537 der offenkundig lutherisch gesinnte Geistliche Johannes Baderesch als Prediger an die Cöllner Petri-Kirche berufen – noch undenkbar unter Joachims Vater. Und in den folgenden beiden Jahren muss es erste Gespräche der Bürgerschaften und Stadträte mit dem Kurfürsten gegeben haben, um ihm die Erlaubnis des Abendmahls in beiderlei Gestalt, also mit Hostie und Wein, abzuringen – eine das Symbolische betonende Änderung des Ritus, die aber den Gläubigen das Heil bedeutete.

Bereits am 13. Februar 1539 wandten sich also die Untertanen an Joachim mit der Bitte, „das heilige hochwürdige Sakrament nach christlicher Ordnung und Einsetzung unter beiderlei Gestalt in der österlichen Zeit genießen und empfangen“ zu dürfen – „das erste eindeutige Zeugnis für die Hinwendung der Reformation in Berlin-Cölln“, wie der Kirchenhistoriker Andreas Stegmann in einem Beitrag für das Heft „Die Reformation in Berlin“ der Zeitschrift „Berliner Geschichte“ schreibt. Die Bittsteller hatten vorerst nur das Osterfest im Auge, doch fand ihr Anliegen noch keine Gnade. Joachim taktierte eben, sah zwar die Notwendigkeit einer Reformierung der Kirche, wartete für weitere Schritte aber auf eine günstige Gelegenheit. Die kam am 19. April 1539, als Kaiser Karl V. den „Frankfurter Anstand“ unterzeichnete und einen sechsmonatigen Religionsfrieden erließ, eine Art Waffenstillstand zwischen den sich im Schmalkaldischen Bund der Protestanten und im Nürnberger Bund der Katholiken positionierenden Gegner.

Geduldet wurden Predigten im evangelischen Stil zwar schon einige Zeit, im Sommer 1539 aber wurde die neue Form des Gottesdienstes gewissermaßen offiziell, als der lutherische Geistliche Georg Buchholzer als Probst nach Berlin-Cölln berufen wurde, als leitender Pfarrer für die Gemeinden der Nikolai-, der Marien- und der Petrikirche. Auch in der Kirche des von Joachim 1535 aufgelösten Dominikanerklosters in Cölln predigte er, feierte in dem zur kurfürstlichen Hof- und Domkirche erhobenen Gotteshaus am 14. September 1539 den ersten offiziellen evangelischen Gottesdienst.

Nun waren es nur noch Wochen, bis sich auch der Landesherr in öffentlicher Zeremonie zur evangelischen Lehre bekannte. Wo dies geschah, ist nicht ganz geklärt, wahrscheinlich wurde das erste offizielle evangelische Abendmahl in der Spandauer Nikolaikirche gefeiert, ohne Gäste aus Berlin-Cölln und zelebriert vom Brandenburger Bischof Matthias von Jagow. Probst Buchholzer feierte tags darauf in Berlin-Cölln das evangelische Abendmahl mit Bürgern und Pfarrern aus der Mark, wahrscheinlich in der Domkirche. Die Reformation hatte sich damit durchgesetzt. 1540 kam die kurfürstliche Kirchenordnung heraus, die zur Grundlage für die Umgestaltung der Kirche in Brandenburg wurde. Es war das erste in Berlin gedruckte Buch. Andreas Conrad

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