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Brandenburg: Dem Grauen der Schlacht ganz nahe

Am Samstag öffnet die Ausstellung „1636 – ihre letzte Schlacht“ im Archäologischen Landesmuseum. Rund 8000 Kämpfer starben vor den Toren Wittstocks

Von
  • Matthias Matern
  • Katharina Wiechers

Brandenburg/Havel - Es war wohl einer der spektakulärsten Funde der vergangenen Jahre, den ahnungslose Brandenburger Arbeiter im Frühjahr 2007 südlich von Wittstock/Dosse machten. Als sie gerade dabei waren, in einer Grube Kies abzubauen, stießen die Baggerschaufeln plötzlich auf menschliche Skelette. Den herbeigerufenen Archäologen war schnell klar, dass es sich um die sterblichen Überreste von Soldaten aus dem Dreißigjährigen Krieg handeln musste. Rund 100 Kilometer vom Originalschauplatz entfernt im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg/Havel vermittelt ab Samstag eine Ausstellung einen Einblick vom Schicksal der Kämpfer, die ihr Leben vor mehr 375 Jahren in der „Schlacht von Wittstock“ verloren.

„Das ist das weltweit erste Massengrab, das wir von einem Schlachtfeld aus dem Dreißigjährigen Krieg gefunden haben“, sagt der Brandenburger Landesarchäologe Franz Schopper. Eigentlich war der Krieg 1636 schon so gut wie entschieden, die Schweden waren nach Norddeutschland zurückgedrängt worden und befanden sich in der Defensive. Bei Wittstock sahen sie sich zu einer Entscheidungsschlacht gezwungen - und obwohl nur 16 000 Schweden 22 000 Mann der kaiserlich-sächsischen Armee gegenüberstanden, gingen sie als Sieger hervor. Allerdings starben nach Meinung einiger Historiker in der Schlacht vor den Toren der Stadt bis zu 8000 Kämpfer. In Folge dessen sollte sich der Krieg zudem noch weitere zwölf Jahre hinziehen.

Der Fund hat den Wissenschaftlern nicht nur wertvolle Erkenntnisse über den Ablauf der blutigen Schlacht geliefert, sondern vor allem einen Einblick in die Lebensumstände der Menschen damals erlaubt. Briefe oder andere Aufzeichnungen von einfachen Soldaten aus jener Zeit existierten praktisch keine, sagt Schopper. Doch anhand der nun entdeckten Knochen konnten die Forscher zahlreiche Rückschlüsse ziehen, etwa auf die Herkunft der Soldaten.

Der Zahnschmelz gebe zum Beispiel Hinweise darauf, wo die Männer ihre Kindheit verbrachten, erklärt die Anthropologin Bettina Jungklaus. Der jeweilige Boden und die Gesteinsverhältnisse wirkten sich auf die Nahrung aus. Welche Nahrung jemand als Kind zu sich genommen hat, sei wiederum an der Beschaffenheit des Zahnschmelzes zu erkennen.

In Wittstock standen neben Mitteleuropäern und Schweden demnach auch Schotten und Männer aus dem Baltikum auf dem Schlachtfeld, die vermutlich als Söldner angeheuert wurden. Auch ihr Alter lässt sich laut Jungklaus anhand der Knochen eingrenzen: Die meisten von ihnen waren zwischen 25 und 35 Jahren alt. Auf dem Kampffeld bei Wittstock wurde im vergangenen Jahr wie berichtet eine Gedenk- und Aussichtsplattform errichtet. Das Museum „Alte Bischofsburg“ in Wittstock, das für seine Dauerausstellung zum Dreißigjährigen Krieg überregional bekannt ist, würdigt das Schlachtjubiläum mit einer eigenen Sonderschau.

Die in der Kiesgrube entdeckten Knochen werden jedoch im Archäologischen Landesmuseum gezeigt. Ebenfalls zu sehen sein werden andere Fundstücke aus dem Massengrab wie Knöpfe oder kleine Haken von der Kleidung der Toten. Eingebettet sind die Wittstocker Funde in einen Rundgang aus anschaulichen Texttafeln, Hörstationen oder Leihgaben aus jener Zeit von anderen Museen.

Bevor der Besucher die eigentliche Schlacht nachempfinden kann, läuft er durch ein fiktives Soldatenlager. Historische Kanonenkugeln oder die schweren Piken, mit den die Soldaten kämpfen mussten, werden hier ebenso gezeigt wie die mörderischen Werkzeuge aus dem Feldlazarett. Ausstellungsleiterin Sabine Eickhoff deutet auf eine Amputations-Säge: „Die Verletzungen der Soldaten entzündeten sich häufig, so dass Wundbrand entstand“. Nicht selten hätten Gliedmaßen dann amputiert werden müssen.

Der nächste Raum widmet sich dem Geschehen auf dem Schlachtfeld am 4. Oktober 1636. Neben einer genauen Dokumentation über den Ablauf der Kämpfe werden dort auch die originale Knochenteile gezeigt, denen die schweren Verletzungen deutlich anzusehen sind. Am häufigsten kamen die Männer durch eine Kugel zu Tode, aber auch Hieb- und Stichverletzungen lassen sich erkennen.

Bis zum 9. September ist die Ausstellung „1636 – ihre letzte Schlacht“ in Brandenburg zu sehen, dann wird sie in München, Dresden und Schweden gezeigt.

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