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Brandenburg: Dem das Recht des Bürgers alles war

Der Journalist und Autor Johann Legner ist tot

Potsdam/Berlin - Seine Fragen entwaffneten schon so manchen Landespolitiker in Brandenburg. In seinen Beiträgen setzte er eher das Florett an, als zur Axt zu greifen – und traf damit viel schärfer. Johann Legner verschlug es im Jahr 2000 ins Brandenburgische, zunächst nach Cottbus zur Lausitzer Rundschau, wo er bis 2006 stellvertretender, teils kommissarischer Chefredakteur war. Später dann war er als freier Autor tätig, auch für die Potsdamer Neuesten Nachrichten. Sein letzter Beitrag erschien Anfang Oktober, es war eine Liebeserklärung an Cottbus und die Menschen dort mit ihrem stolzen Bürgergeist und ihrer wortkargen Sturheit. Ja, er mochte dieses Land – und zuweilen verfluchte er es, wenn es im eigenen Saft schmorte, wenn die Brandenburger ihre Chance nicht nutzten. Als Legner etwa am alten Schönefelder Flughafen eines Sonntags vergeblich aktuelle Hauptstadtpresse kaufen wollte und ihm entgegengeschleudert wurde: „Wir sind hier in Brandenburg und nicht in Berlin.“ Über Jahre beschäftigten ihn Stasi-Altlasten in Brandenburgs Justiz, Polizei und Politik, damit kannte er sich aus. Von 1996 bis 2000 war er Pressesprecher von Joachim Gauck, als der Bundesbeauftragter für die Stasiunterlagen war, 2010 Kampagnenchef für dessen erste gescheiterte Wahl zum Bundespräsidenten, über den er 2014 eine viel beachtete Biografie vorlegte, eine ambivalente Abrechnung. Und doch vermochte er es, wie wohl kein anderer der landespolitischen Korrespondenten, bei den Einzelfällen genau hinter die Wahrheit der Stasi-Akten zu blicken und zu differenzieren. Und es gab und gibt nicht viele Journalisten, die einen Landeshaushalt mit seinen Zahlenkolonnen richtig lesen können.

Legner war in Brandenburg der Weltläufige. Er hatte sich umgesehen. In Brandenburg argumentierte er gegenüber der Politik gern spitz mit dem Grundgesetz oder entlarvte schlichte Statements mit profunden Analysen. Er war einer, der in der Lage war, der Landespolitik allein durch den Vergleich mit anderen Ländern und der Bundesebene den Spiegel vorzuhalten. Der sich traute, dem früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck Unkenntnis der Geschichte der Bundesrepublik vorzuhalten. Dem das Recht des Bürgers alles war – und der sich mehr Bürger- Sein von den Brandenburgern wünschte. Leidenschaftlich konnte er streiten – und wenn er dann doch zu leidenschaftlich war, sich aufrichtig entschuldigen.

Manch einer in der Landespolitik war froh, als Legner 2012 als Korrespondent der Nachrichtenagentur dapd nach Washington ging. Zurück in Berlin schrieb er vorwiegend Bücher. In der Nacht zu Samstag verstarb Johann Legner im Alter von 61 Jahren. Alexander Fröhlich

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