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Schlafmangel. Nach 18 Stunden Dauereinsatz ruhen sich erschöpfte Bundeswehrsoldaten im Juli 1997 am Deich von Hohenwutzen aus. Insgesamt 30 000 Soldaten waren während der Hochwasserkatastrophe im Odergebiet im Einsatz.

© dpa

Brandenburg: Das Wunder von Hohenwutzen

Vor 15 Jahren hielt die Oderflut das Land in Atem. Dank des mutigen Einsatzes dreier Offiziere blieben zahlreiche Häuser und Wohnungen verschont

Hohenwutzen - Sirenen heulten, Kirchenglocken läuteten, und am Himmel dröhnten Hubschrauber. In dichter Folge flogen sie Sand an den Oderdeich bei Hohenwutzen, 90 Kilometer nordöstlich Berlins. Hunderte Soldaten und freiwillige Helfer waren aus Sicherheitsgründen bereits vorsorglich vom übermächtig erscheinenden Grenzfluss abgezogen worden, weil das Oderhochwasser jeden Augenblick einen Bruch des Deiches und damit eine Sturzflut in das einer Badewanne ähnelnde Oderbruch auslösen konnte. Einwohner und Journalisten konnten die spannenden Ereignisse am Abend des 30. Juli 1997 und am folgenden Tag nur aus sicherer Entfernung verfolgen.

Am späten Nachmittag des 31. Juli machte dann erstmals jener Begriff die Runde, der in diesen Tagen erneut zu hören ist: „Das Wunder von Hohenwutzen“. Denn dank des Mutes dreier Offiziere, die den Hubschrauberbesatzungen vom schon puddingweichen Damm die Richtung für die abzuwerfenden Sandsäcke wiesen, hielt der Deich. Häuser und Wohnungen von mindestens 20 000 Menschen und Dutzende Agrarbetriebe blieben von den Wassermassen verschont.

„Das war damals unser kritischster Einsatz“, sagte später der damalige Chef von 30 000 an der Oder in Brandenburg eingesetzten Soldaten, General Hans Peter von Kirchbach. Die Aktion galt als letzter, beinahe verzweifelter Versuch. „Wir selbst sahen damals nur noch eine minimale Chance, das Unheil abzuwenden.“ Letztendlich hing das Schicksal des Oderbruchs von wenigen Zentimetern ab. Wäre das Wasser über die künstliche Sandsackbarriere hinweggeschwappt, hätte es kein Halten mehr gegeben.

Heute erinnert in Hohenwutzen ein Denkmal an das Hochwasser, das durch tagelange Regenfälle im Riesengebirge hervorgerufen worden war. Heute würde so ein Ereignis wohl weit weniger dramatisch verlaufen. „Von der insgesamt 184 Kilometer langen Deichlinie in Brandenburg sind bislang 145 Kilometer saniert worden“, teilte die Brandenburger Staatskanzlei mit. Dafür seien rund 240 Millionen Euro investiert worden. Bis 2020 solle das Programm abgeschlossen sein.

Längst sind auch die beiden Deiche zwischen der Oder-Neiße-Mündung bei Ratzdorf und Frankfurt repariert. Am 23. und 24. Juli 1997 hatten sich die Wassermassen in die 5000 Hektar große Ziltendorfer Niederung ergossen. 252 Gehöfte standen im Handumdrehen bis zum Dach unter Wasser. Menschen kamen jedoch nicht zu Schaden, weil die Siedlungen zuvor geräumt worden waren.

Als Konsequenz wurde damals gefordert, „den Flüssen mehr Raum“ zu geben. Im Katastrophenfall sollten die Hochwasser in ein für die Anrainer ungefährliches Gebiet geleitet werden. An der Oder ist dafür unter anderem die Neuzeller Niederung südlich von Eisenhüttenstadt im Gespräch gewesen. Doch das Projekt scheitert auch am Widerstand der Anrainer. Sie wehren sich bis heute gegen eine Aufgabe ihrer Flächen.

Da ist man an der Elbe, wo das Hochwasser die Menschen vor zehn Jahren in Atem hielt, weiter. In der Prignitz wurden die Deiche etwas landeinwärts verlegt, sodass der Fluss jetzt nicht mehr eingezwängt werden muss. Die beiden Elbabschnitte bei Mühlberg im Südwesten und in der Prignitz im Nordwesten hatten 2002 im Unterschied zu Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen dem Druck des Hochwassers standgehalten. Auch hier sprach man von einem „Wunder“. Claus-Dieter Steyer

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