zum Hauptinhalt

Brandenburg: Das geht dem Chef ans Herz

Roland Hetzer spricht zu Transplantations-Affäre

Berlin - Fünf Tage hat es gedauert, bis sich der Chef des Deutschen Herzzentrums Berlin (DHZB) zu den Manipulationsvorwürfen äußerte. Doch als Roland Hetzer dann am Dienstag ein Schreiben verschickte, sparte der international anerkannte Chirurg nicht mit Worten: „Auch wenn ich von den umstrittenen Vorgängen direkt und selbst keine Kenntnis hatte und die Details von den leitenden Mitarbeitern bearbeitet worden waren, muss ich heute erkennen, dass es Auffälligkeiten gegeben hat, die nunmehr überprüft werden“, schrieb Hetzer. „Auch ich war tief betroffen.“

Wie berichtet, hatte der Tagesspiegel vergangene Woche erfahren, dass Prüfer am DHZB in 28 Patientenakten von 2010 bis 2012 Auffälligkeiten entdeckten. Womöglich, so der Verdacht, waren Patienten mit hoch dosierten Medikamenten versorgt worden, damit sie als Dringlichkeitsfälle eingestuft werden. Dadurch hätten sie auf der europaweiten Warteliste für Spenderorgane nach oben rutschen können – und andere Patienten zwangsläufig nach unten.

Hetzer, der auch an der Charité lehrt, verbrachte die vergangene Woche noch bei Fachtreffen in Ostasien. Am Dienstag teilte er mit, dass das DHZB ursprünglich das Ergebnis der Prüfkommission habe abwarten wollen, bevor man sich zu den Verdachtsfällen äußere. Der Ergebnisbericht wird im September erwartet. Auf Rat der Anwälte des Herzzentrums habe man von sich aus die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Am Donnerstag hatte sich ein vom DHZB beauftragter Rechtsanwalt an die Behörden gewandt. Hetzer selbst, teilte er mit, sei zuvor von der vollständigen Transparenz im Haus überzeugt gewesen.

Nach den Organspendeskandalen 2012 werden bundesweit Transplantationszentren von Experten der Bundesärztekammer, der Krankenhausgesellschaft und der gesetzlichen Kassen überprüft. Ab April 2014 waren die Prüfer mehrfach im DHZB. Vor Herausgabe des Abschlussberichtes wollen sie sich nicht äußern.Kenner sind sich einig: Auch wenn die Vorwürfe gegen das Herzzentrum stimmen sollten, könnte dort seit 2012 trotzdem nicht mehr so verfahren werden wie noch zuvor. Das Transplantationsgesetz war im August 2012 verschärft worden. Hetzer sagte: „Außerdem gilt seit Frühjahr des Jahres das Sechs-Augen-Prinzip, wobei ich oder ein Vertreter jeden Antrag bei Eurotransplant gegenzeichnen muss.“

Inzwischen haben sich mehrere Mediziner zu der im Verdacht stehenden Oberärztin geäußert. Fachlich, das war lange bekannt, genießt die Frau einen guten Ruf. Aber sie habe deutlich gemacht, berichten einige, wer aus ihrer Sicht eines der knappen Spenderherzen bekommen solle. Angetrieben worden sei die Ärztin dabei durch Ehrgeiz. „In einem so prestigeträchtigen Feld wie der Herztransplantation“, sagt ein Arzt, „gönnt niemand irgendwem etwas“. Einige Beobachter gehen davon aus, dass ein Grund für ihre Weiterbeschäftigung im DHZB aber auch sei, dass sie viel über die Praxis im Haus zu berichten wisse: „Und womöglich passt das der Leitung nicht.“ Professor Hetzer und die Sprecherin des DHZB äußerten sich nicht. Es liefen arbeitsrechtliche Verfahren. Vorausgesetzt, die Dosen waren tatsächlich sehr hoch: Die Frage ist nun, ob die Patienten die starken Mittel vielleicht doch brauchten – oder, ob die Ärztin begründen kann, weshalb sie glaubte, die Gaben seien angemessen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachtes des versuchten Totschlags: Wer einige Patienten entgegen der verbindlichen Regeln auf der Warteliste nach oben schiebt, lässt andere vielleicht zu lange auf ein Spenderherz warten. Hannes Heine

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false