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Behandlungsort: Im Potsdamer Bergmann-Klinikum werden Ehec-Patienten behandelt.

© Manfred Thomas

Darmkeim: Wieder neuer Ehec-Verdachtsfall in Potsdam

UPDATE. Gesundheitsministerium: Zahl der Infektionen wieder leicht gestiegen. EU will Bauern entschädigen und der Bundestag wird sich am Freitag mit dem Ehec-Krisenmanagement befassen.

Potsdam/Luxemburg - Die Zahl der EHEC-Verdachtsfälle in Brandenburg ist wieder um einen auf zwölf gestiegen. Es sei ein neuer Fall aus Potsdam hinzugekommen, teilte die Sprecherin des brandenburgischen Gesundheitsministeriums, Alrun Kaune-Nüßlein, am Dienstag mit. Ein Verdachtsfall im Kreis Uckermark habe sich nicht bestätigt, dafür sei ein anderer im Landkreis Märkisch-Oderland registriert worden. Unverändert würden sechs Patienten wegen einer bestätigten Erkrankung mit dem gefährlichen Darmbakterium behandelt.

Von den bestätigten Fällen litten vier an der schweren Folgeerkrankung hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), die zu einer Schädigung der Nieren führen kann. Zwei im Zusammenhang mit EHEC aufgetretene Todesfälle sind nicht eindeutig auf die Infektion mit dem Darmbakterium zurückzuführen. Am vergangenen Freitag war ein Mann im Alter von Mitte 50 gestorben, er litt jedoch nach Auskunft des Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikums an einer „schweren internistischen Grunderkrankung“. Am Montag starb ein Patient mit EHEC-Verdacht, bei dem laut Ministerium dessen „schwere Grunderkrankung“ für den Tod entscheidend war.

Unterdessen geht die Suche nach dem EHEC-Erreger weiter. Erste Laborproben von Sprossengemüse aus Niedersachsen waren am Montag negativ ausgefallen. Von insgesamt 50 in Brandenburg genommenen Proben, die Gurken, Tomaten, Salat und Paprika betrafen, hätten bisher 21 keinen Hinweis auf EHEC erbracht, berichtete Ministeriumssprecherin Kaune-Nüßlein. Der Rest werde weiter untersucht. Außerdem stehe der landesweit einzige Sprossen-Produzent im Havelland verstärkt unter Kontrolle.

Unterdessen will die EU-Kommission wegen der EHEC-Krise die Gemüsebauern mit 150 Millionen Euro Entschädigungen unterstützen. Diesen Vorschlag machte EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos am Dienstag den EU-Agrarministern bei einem Sondertreffen in Luxemburg.  Damit will die EU die Einnahmeausfälle der Bauern ersetzen. „Ich werde dem Rat eine Summe von 150 Millionen Euro vorschlagen“, sagte Ciolos vor Beginn des Treffens. „Wir werden die gesamte Periode der Krise im Juni abdecken - für die Produkte, die am meisten betroffen sind.“ Für die Berechnung der Summe habe die Kommission Referenzpreise für den Monat Juni der Jahre 2007 bis 2010 angesetzt. Wegen der Seuche war der Absatz von frischem Gemüse wie Tomaten, Gurken und Salat in den vergangenen Wochen europaweit eingebrochen. Die Entschädigung sei vor allem für Bauern gedacht, die nicht in Produktionsgemeinschaften organisiert seien. Spanien hatte zuvor mehrfach Entschädigungen für die Einbußen betroffener Bauern gefordert. Spanische Bauernverbände hatten die Verluste auf 200 Millionen Euro pro Woche beziffert, nachdem deutsche Behörden vor dem Verzehr spanischer Gurken gewarnt hatten.

Deutschland machte sich beim EHEC-Sondertreffen für europäische Hilfen stark: „Es geht heute um die europäischen Lösungen“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in Luxemburg. Dass Deutschland anderen Staaten Beihilfen finanziere, sei nach EU-Recht völlig undenkbar, sagte ein EU-Diplomat am Rande des Treffens. Hilfen sollten aus EU-Töpfen finanziert werden, in die alle Mitgliedsstaaten einzahlen. Der deutsche Anteil läge damit bei 20 Prozent.

Am Freitag wird sich der deutsche Bundestag auf Antrag der Grünen in einer Aktuellen Stunde mit dem EHEC-Krisenmanagement befassen. Wie eine Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion am Dienstag mitteilte, wurde die Debatte für 16.00 Uhr angesetzt. Vor einer Sitzung der Grünen-Fraktion übte deren Vorsitzende Renate Künast scharfe Kritik an der Bundesregierung wegen des bisherigen Umgangs mit der Krise. „Das EHEC-Krisenmanagement dieser Regierung ist miserabel, es findet schlecht oder gar nicht statt“, sagte sie. Die Verbraucher würden verunsichert, die Wissenschaft werde allein gelassen, kritisierte Künast. Die Bundesregierung habe bisher keine Anlaufstelle für Verbraucher eingerichtet. „Das wäre aber der normale Service“, sagte Künast, die früher Verbraucherschutzministerin war. „Ordentliches Management würde heißen, dass sowohl für die Gesundheit der Menschen als auch für die Kontrolle von Lebensmitteln, Transportmitteln und Gerätschaften ein systematischer Kontrollplan aufgelegt wird.“ Zudem hätte „längst Personal aufgestockt und ein gemeinsamer Arbeitsplan aufgestellt werden müssen“.

Zuvor hatte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gefordert, dass die Gesamtverantwortung bei Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) liegen müsse. Eine zentrale Informationsstelle zu EHEC gibt es derzeit nicht. An der Ursachenforschung sowie der Bekämpfung der EHEC-Epidemie sind mehrere Bundesbehörden und -ministerien beteiligt. dpa/AFP/pet

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