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Brandenburg: Brandenburgs schräge Vögel

Alle sind sie wieder da, aber nicht alle freut das: Der Kuckuck ist zu spät, der Kormoran frisst zu viele Fische, der Höckerschwan zu viel Raps. Und der Kolkrabe tötet angeblich sogar Kälber

Von Sandra Dassler

Rühstädt/Kletzke - Seit ewigen Zeiten freuen sich die Menschen über die Ankunft der ersten Störche. Auch dieses Jahr werden die Fotos aus dem brandenburgischen Storchendorf Rühstädt wieder gern gezeigt. Doch immer öfter ist auch von Problemen mit den gefiederten Freunden des Menschen die Rede.

So machte vor einigen Tagen eine Nachricht aus Kletzke in der Prignitz die Runde: „Killerraben töten meine Kälber“ hieß eine Überschrift – aber auch durchaus seriöse Medien berichteten darüber, dass Kolkraben einigen Landwirten Kopfzerbrechen bereiten, weil sie Kuhherden auf Weiden attackieren und es vor allem auf wehrlose, neugeborene Kälbchen abgesehen haben.

Nach Angaben des Geschäftsführers der Agrargenossenschaft Kletzke wurden bereits vier Kälber getötet und andere verletzt. Er habe beobachtet, dass sich immer wieder Kolkraben der Herde nähern und zwischen den Tieren aufmerksam herumlaufen würden. Sie hätten genau im Blick, wann eine Kuh kalbe. In diesem Moment griffen sie ihr Opfer offenbar an, berichtete er. Während einige Verhaltensbiologen die Rabenvögel zu Unrecht verdächtigt sehen, heißt es im brandenburgischen Agrarministerium, man nehme die Berichte sehr ernst. „Es ist nicht das erste Mal, das so etwas geschieht“, sagte ein Sprecher: „Und wenn es sich bewahrheitet, was der Landwirt behauptet, werden wir auch über Vergrämungsmaßnahmen nachdenken.“

Vergrämung kann Vertreibung heißen, im Zweifel aber auch den Abschuss einiger Tiere. Dazu bedarf es allerdings einer gesonderten Genehmigung, denn Kolkraben gehören laut Bundesnaturschutzgesetz zu den in Deutschland besonders geschützten Arten. Im Bundesjagdgesetz werden sie zwar als jagdbare Art gelistet, allerdings mit ganzjähriger Schonzeit.

Doch was ist dran an den Berichten über die Angriffe auf Kälber? „Es gab in den vergangenen Jahren immer mal wieder solche Fälle“, sagt der Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte in Brandenburg, Torsten Langgemach. „Raben können den Geburtsablauf tatsächlich stören und auch Tiere verletzten. Allerdings gab es dabei nach unseren Erfahrungen immer auch eine spezielle Vorgeschichte.“

Meist handelte es sich um Standorte, wo ganz besonders viele Kolkraben auftraten, sagt Langgemach – beispielsweise, weil sich in der Nähe eine nicht abgedeckte Mülldeponie oder eine andere große Nahrungsquelle befand. Manchmal waren die betroffenen Kälber auch von einer Krankheit befallen oder die Geburt dauerte sehr lange. Das könne zum Beispiel geschehen, wenn Kühe mit zu großen Bullen gepaart wurden, wodurch auch die Kälber sehr groß werden. „Aber eigentlich sind Kolkraben Aasfresser“, sagt Langgemach: „Allerdings sind sie auch unglaublich intelligent und explorativ – also bereit, ihre Umwelt zu erkunden und für sie günstige Umstände auszunutzen.“

Das alles sei natürlich kein Grund, den Raben ähnlich wie den Wolf zu verteufeln, sagt Langgemach. Zumal es immer Methoden gäbe, die Angriffe von Raben auf Kälber oder Lämmer zu verhindern. Wichtig sei dabei neben der Umgebung auch die Gesundheit der Tiere, die ein friedliches Miteinander der Raben mit der Herde fördere. Erstrebenswert, sagt Langgemach, sei natürlich auch ein friedliches Miteinander von Vögeln und Menschen. Dazu bedürfe es aber mehr Toleranz der Letzteren. „Manche stören sich ja schon daran, dass Mehlschwalben an Häuserwänden ihre Nester bauen und dabei ihren Kot fallen lassen“, sagt er: „Andere wollen dem Gartenrotschwanz an die Kehle, weil er angeblich die Bienen frisst und am erstaunlichsten finde ich, wenn sich Menschen über aus Storchenhorsten herabfallende Äste und Exkremente beschweren. Wo doch der Storch normalerweise als Glücksbringer gilt.“ Es können auch tatsächliche Probleme auftreten, beispielsweise gelegentlich durch Höckerschwäne in Rapsfeldern. Allerdings ist wohl der Mensch die größte Bedrohung für Brandenburgs Vögel. Mehr als tausend von ihnen kamen nach Recherchen des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) bereits in den Windkraftanlagen der Mark ums Leben.

Bei einer Anhörung von Windkraftgegnern im Potsdamer Landtag im vergangenen Herbst wurde darauf hingewiesen, dass auch viele Greifvögel durch die Windkraft in ihrem Bestand bedroht sind. Dazu gehören der Rote Milan und auch der Schreiadler, die beide als Wappentier Brandenburgs – der rote Adler – gehandelt werden.

Kormoranen hingegen würden viele Brandenburger Fischer nicht hinterherweinen. Sie werden inzwischen in Ausnahmefällen sogar geschossen – wenn es zu viele sind und sie zu große Schäden in den Fischteichen anrichten. Aber nicht nur deswegen ist die Kormoranpopulation rückläufig, der dunkle Wasservogel hat in jüngster Zeit vermehrt einen „natürlichen“ Feind hinzubekommen: den aus Amerika stammenden Waschbären.

Gefährdet ist auch der Kuckuck, der den vom Menschen verursachten Klimawandel verschlafen hat und genauso lang wie bisher in seinen südafrikanischen Winterquartieren ausharrt. Während viele andere Vögel bis zu zwei Wochen früher zurückkehren, bleibt der Kuckuck beim alten Zugverhalten. Dann kann er seine Eier oft nicht mehr in fremde Nester legen, weil dies nur in einem kurzen Zeitraum zu Beginn der Brut möglich ist.

Der späte Vogel bekommt also durchaus Nachwuchsprobleme und kann uns vielleicht bald nicht mehr die noch verbleibenden Lebensjahre verkünden. Allerdings auch nicht den nahenden Tod, Unglück oder Teuerung, wenn man ihn – altem Volksglauben zufolge – aus einer bestimmten Richtung rufen hört.

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