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Trost für die Truppe. Brandenburgs Militärpfarrer Friedrich von Kymmel (2.v.l.) beim Besuch von Militärgeneraldekan Matthias Heimer (l.) in Kabul. Bereits zum zweiten Mal war der Theologe in Afghanistan eingesetzt.

© privat

Brandenburger Militärpfarrer im Einsatz: Seelsorge für Soldaten am Hindukusch

Der Brandenburger Militärpfarrer Friedrich von Kymmel ist zurück aus Afghanistan. Der Einsatz und die Situation am Hindukusch macht ihn nachdenklich.

Holzdorf - Wenn Militärpfarrer Friedrich von Kymmel durch die Flure der Luftwaffenkaserne von Holzdorf im Elbe-Elster-Kreis läuft, wird er in diesen Tagen freudiger begrüßt als sonst. „Schön, dass Du wieder da bist“ oder „Willkommen zurück!“ hört der Geistliche dann von seinen Kameraden. Denn seit Juli war von Kymmel in Afghanistan: So, wie die Bundeswehr immer wieder Einheiten in den Auslandseinsatz schickt, müssen auch die etwa 100 evangelischen Militärgeistlichen immer wieder einmal zu Einsätzen auf See, in den Kosovo, nach Litauen, nach Mali oder eben nach Afghanistan. Überall dort, wo deutsche Truppen im Auslandseinsatz sind, werden sie auch seelsorgerlich betreut.

Der Theologe, der bis 2010, als er in die Militärseelsorge wechselte, Gemeindepfarrer auf Usedom und Sektenbeauftragter der damals noch selbständigen Pommerschen Evangelischen Kirche war, war nun bereits zum zweiten Mal am Hindukusch im Einsatz. Von 2012 bis 2013 war er schon einmal dort. „Die Bedingungen haben sich geändert: Die Bundeswehr hat nur noch einen Begleitungs- und Ausbildungsauftrag“, sagt der Geistliche. Dazu ist das Land erkennbar unsicherer geworden. „Früher fuhr man noch mit dem Auto, wenn man Soldaten an anderen Standorten aufsuchte“, sagt von Kymmel. „Dieses Mal wurde ich überall mit dem Hubschrauber hingeflogen.“ Auf eine Visite bei Entwicklungshilfeprojekten eines christlichen Hilfswerks, die von Kymmel 2012 noch problemlos aufsuchen konnte, musste er dieses Mal verzichten. „Das ist alles nicht mehr möglich“, sagt von Kymmel leise. „Wir sind gar nicht mehr rausgekommen aus dem Lager.“ Und mit den Soldaten führte er viele Gespräche, die oft einen eher nachdenklichen Unterton hatten. Denn auch viele der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten haben das Gefühl, dass es im Einsatz nicht mehr vorwärts geht. „Wir schmoren im eigenen Saft“ – solche Sätze hat der Brandenburger Militärpfarrer bei seinem Einsatz häufiger gehört.

Kritik an der Bundeswehr

Dass der Afghanistaneinsatz auch insgesamt in der Priorität der Bundeswehr wie der deutschen Öffentlichkeit etwas nach hinten gerückt sein muss, spürte von Kymmel auch ganz persönlich. Flüge verzögerten sich, die Post dauerte viel länger als früher. Einmal war das besonders ärgerlich: Denn als Brandenburger wollte er am 1. September an der Landtagswahl teilnehmen. „Die Bundeswehr konnte es nicht verlässlich sicherstellen, dass jeder Soldat, der in Afghanistan im Einsatz ist, von seinem Wahlrecht Gebrauch machen konnte“, sagt von Kymmel. Die Briefe mit den Briefwahlunterlagen seien so lange unterwegs gewesen, dass es am Ende nicht mehr sicher gewesen sei, ob sie pünktlich bei den zuständigen Wahlbehörden in Deutschland ankamen. „Ich weiß nicht, ob ich gewählt habe.“ Zwischenzeitlich schrieb er deswegen sogar an den Wehrbeauftragten des Bundestages. „Ich habe einen Soldaten erlebt, der seine Wahlunterlagen vor Wut gegen die Wand getreten hat, weil sie so viel zu spät gekommen sind“, sagt von Kymmel. „Denn es war völlig klar, dass seine Stimme auf keinen Fall pünktlich zurück nach Deutschland kommen würde.“ Wer Soldaten als „Staatsbürger in Uniform“ bezeichne, müsse aber auch sicherstellen, dass sie ihr Wahlrecht ausüben können.

Jeder Mensch bedroht

Während von Kymmel im Einsatz war, wurde auch in Brandenburg darüber debattiert, ob man Menschen nach Afghanistan abschieben kann. Wie sieht das der frisch zurückgekehrte Geistliche? Ist Afghanistan ein sicheres Herkunftsland? Von Kymmel zögert lange. Man spürt, dass ihm diese Antwort schwer fällt. „Das hängt davon ab, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet“, sagt der Theologe schließlich. Für Frauen sei das Leben in Afghanistan schwerer als für Männer, für Christen deutlich schwerer, als für Muslime. „Wer zum Christentum konvertiert ist, ist im Grunde genommen vogelfrei und richtig bedroht.“ Im Einsatz habe er von einem afghanischen Offizier freundlich, aber bestimmt, gehört, dass eines Tages „der Islam die Weltherrschaft übernehmen werde“, sagt von Kymmel. „Ich habe ihm dann ebenso freundlich geantwortet, dass ich das etwas anders sehe.“ Ein eindeutiges Urteil wolle er sich zum Thema Abschiebungen nach Afghanistan aber nicht erlauben. In Afghanistan sei im Prinzip jeder Mensch bedroht. „Ein Menschenleben ist dort viel weniger wert, als hier bei uns.“ Und auch zu der Frage, ob der Bundeswehreinsatz in Afghanistan überhaupt noch sinnvoll ist, will von Kymmel sich nicht äußern. „Da steht mir kein Urteil zu“, sagt der Theologe. „Mein Auftrag ist klar: Ich bin für die Soldatinnen und Soldaten da, die den Auftrag haben, dort zu arbeiten – und ich kümmere mich um sie und begleite sie.“

Gut besuchte Gottesdienste

Was das ganz konkret heißt? „Die Leute besuchen, mit ihnen reden, mit ihnen den Alltag teilen und in Belastungssituationen als Vertrauter da sein, der dann zuhören und in der einen oder anderen Angelegenheit vielleicht helfen kann“, sagt von Kymmel. In Kabul, wo Soldaten aus ganz Deutschland im Einsatz sind, kannte von Kymmel zunächst niemanden. „Aber ich habe für mich den Anspruch gehabt: Innerhalb von 14 Tagen möchtest Du jeden Soldaten kennen, der zu Deinem Einsatzbereich gehört.“ Und das galt auch für alle die, die an weiter entfernten Einsatzstellen tätig waren: In Bagram zum Beispiel, wo es auf einer amerikanischen Basis ein großes Feldhospital gibt, ist ein Bundeswehrmediziner mit Assistent aus Deutschland im Einsatz. Weit entfernt von allen anderen deutschen Truppen. Einmal in der Woche bekamen sie Besuch vom deutschen Militärseelsorger oder anderen Kameraden. Und die Militärseelsorge half auch, pünktlich zu Beginn der Adventszeit einen kleinen Adventsmarkt für die internationalen Kameraden auf die Beine zu stellen. „So etwas ist wichtig, wenn man ansonsten ganz alleine ist“, sagt der Geistliche.

Jede Woche feierte der Pfarrer mit den Soldaten Gottesdienste. Sie waren oft besser besucht als in Deutschland. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass die Gefahr für die Soldaten im Auslandseinsatz manchmal sehr real und das Nachdenken über das Leben intensiver ist. „Ich selber habe mich in Afghanistan immer gut aufgehoben gefühlt“, sagt Friedrich von Kymmel. In einem Kriegsgebiet? Gut aufgehoben? „Ich weiß, dass da einer ist, der mit mir geht“, sagt Friedrich von Kymmel. „Der mich trägt, im Leben und im Sterben.“ Das sei ihm wichtig, das habe er versucht, mit den Soldaten in Afghanistan zu teilen.

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