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Brandenburgs Parlamentarier sitzen in Einzelboxen. 

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburger Landtag: Politiker hinter Plexiglas

Der Landtag debattiert in der Coronakrise unter neuen Sicherheitsbedingungen. Der Einbau von Trennwänden hat 81.000 Euro gekostet.

Potsdam - Die Abgeordneten lassen die Masken fallen. Im Plenarsaal ist der Mund-Nasen-Schutz nicht mehr nötig, Plexiglasscheiben zwischen den Plätzen sollen die Parlamentarier schützen. Die Abgeordneten und auch die Kabinettsmitglieder sitzen im Potsdamer Landtag seit dieser Woche bei Plenarsitzungen in nach hinten offenen Einzelboxen. Gerade so, als wäre man in einem Gerichtsprozess mit Hochsicherheitsvorkehrungen, in dem die Angeklagten zum Eigenschutz hinter Glas abgekapselt werden. Doch hier gilt es mit den deutlich dünneren, durchsichtigen Trennwänden nicht Übergriffe abzuwehren, sondern eine unsichtbare Gefahr: das neuartige Coronavirus, das bei 88 Abgeordneten plus Regierungsbank im Plenarsaal genug Verbreitungsmöglichkeiten hätte. 

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Aus Platzgründen müssen einige Abgeordnete auch auf die Besuchertribüne. 
Aus Platzgründen müssen einige Abgeordnete auch auf die Besuchertribüne. 

© Bernd Settnik/dpa

Denn zu normalen Zeiten sitzen die Abgeordneten dicht an dicht, der empfohlene Mindestabstand von 1,5 Metern ist nicht einzuhalten. Durch den Umbau sei die Vollzähligkeit der Abgeordneten im Plenarsaal auch dauerhaft gesichert, erklärt Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD). Im März und April hatten die Abgeordneten zum Teil auch in verringerter Zahl getagt, um unter Coronabedingungen die notwendigen Sicherheitsabstände zu wahren. Allerdings reichen die Plätze im Saal auch jetzt nur für 67 Abgeordnete, 21 müssen auf der Zuschauertribüne Platz nehmen, die für Besucher wie der komplette Landtag weiterhin tabu ist.

Tagung weiterhin "im Herzen unserer Demokratie"

Ein Umzug des Landtages in andere Räumlichkeiten sei nicht praktikabel gewesen, sagt Liedtke weiter. Unter anderem wurde geprüft, ob die Abgeordneten am Standort Griebnitzsee der Universität Potsdam oder in der Metropolishalle tagen könnten. „Ein Umzug muss nicht nur gute, sondern bessere Arbeitsbedingungen bieten. Dies war jedoch bei allen von der Landtagsverwaltung geprüften Alternativen nicht der Fall.“ Der Schutz durch Plexiglas sei die sinnvollste und auch nachhaltigste Lösung. „Teure Umzüge bleiben uns damit erspart. Der Landtag kann jetzt auch in Coronakrisenzeiten dort tagen, wo er hingehört – im Plenarsaal. Im Herzen unserer Demokratie.“ 

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Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) mit Mundschutz, der im Plenarsaal nicht mehr getragen werden muss. 
Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) mit Mundschutz, der im Plenarsaal nicht mehr getragen werden muss. 

© Bernd Settnik/dpa

Allerdings war auch die Trennscheiben-Variante nicht gerade günstig. Rund 81.000 Euro hat der Einbau gekostet, teilt die Landtagsverwaltung auf Anfrage mit. In Nicht-Krisen-Zeiten wäre das wohl günstiger zu haben gewesen, mutmaßt der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher. Er gönnt sich gemeinsam mit seinem Parteikollegen Ingo Senftleben im Foyer eine Pause bei Spritzkuchen und Kaffee. Die Kantine des Landtags ist wegen Corona geschlossen. Die Cafeteria im Erdgeschoss bietet an Plenartagen nun Gebäck und Bockwurst to go. Die neuen Arbeitsbedingungen seien in Ordnung, sagen beide. Die Trennwände im Saal ließen den Schall gut durch, man könne sich auch mit dem Sitznachbarn gut verständigen, sagt Senftleben. „Und es gibt ein Stück weit Sicherheit“, sagt der CDU-Politiker. Er habe nun nicht mehr die Sorge, das Virus nach der Sitzung mit nach Hause in die eigene Familie zu tragen.

Kritik an der Landesregierung in der Coronakrise

Während der Aktuellen Stunde – es geht gerade um die Zukunft der durch die Krise teilweise in ihrer Existenz bedrohten Lokalmedien – steht Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf, nimmt seine Aktentasche, legt einen weißen Mund-Nasen-Schutz an. Denn in den Aufzügen, den Teeküchen, den Fluren des Ost- und Westflügels der Landtagsverwaltung sowie beim Betreten der Schleusen und fremden Büros gilt Mundschutzpflicht. Woidke passiert die hintere Reihe der Kabinettsplätze – und kann auf einen kleinen, ganz kurzen Kontakt dann doch nicht verzichten. Beim Hinausgehen klopft er Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) auf die Schulter. 

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD/r.) neben Innenminister Michael Stübgen (CDU). 
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD/r.) neben Innenminister Michael Stübgen (CDU). 

© Bernd Settnik/dpa

Diese erreicht gerade einige Kritik von Eltern im Homeoffice, denen die schrittweise, weitere Öffnung von Kitas und Schulen nicht weit genug geht. Gleichzeitig finden manche das Konzept, das eine Aufnahme von Kindern wenigstens tageweise vorsieht, nicht durchdacht. Zu viele Fragen sind offen. Etwa die, ob in allen Schulen genügend große Räume vorhanden sind, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Zumindest in den Sekretariaten vieler Schulen setzt man nun auf die Landtagslösung: Plexiglasscheiben zum Schutz vor Ansteckung. 

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