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Heimkinder müssen teilweise Hygieneartikel von ihrem Taschengeld bezahlen.

© Jens Kalaene/dpa

Brandenburg: Heimkinder sollen mehr Taschengeld bekommen

Minderjährige, die nicht bei den Eltern aufwachsen, erhalten einen Zuschuss vom Jugendamt. Doch der fällt je nach Landkreis sehr unterschiedlich aus.

Potsdam – Spielsachen, Bücher, Süßigkeiten, ein Kinobesuch – es gibt viele Wünsche, die sich Kinder und Jugendliche mit ihrem Taschengeld erfüllen. Auch Minderjährige, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen, bekommen Geld für die Freizeit. Die Jugendämter legen den Satz fest – doch dabei kommt es innerhalb Brandenburgs zu großen Ungerechtigkeiten.

Welches Kind wie viel Taschengeld erhält, hängt davon ab, an welchem Ort es lebt. Teils unterscheiden sich die Beträge enorm. Die staatlichen Zuwendungen schwanken für 13-jährige Mädchen und Jungen zwischen 15 und 31,10 Euro monatlich. Das hat eine Umfrage des Kinder- und Jugendhilfe Landesrats (KJLR) unter 361 Brandenburger Heimkindern ergeben. Die Forderungen der Interessenvertretung der Kinder und Jugendlichen: Die Sätze sollten erhöht und vor allem landesweit vereinheitlicht werden.

Heimkinder können nicht frei über Taschengeld verfügen

Die Umfrage des im Oktober 2018 ins Leben gerufenen Rats, dem Kinder und Jugendliche im Alter von elf und 17 Jahren angehören, förderte noch etliche weitere Ungerechtigkeiten und Härten zu Tage. So klagen die Sprecher der rund 7000 brandenburgischen Heimkinder darüber, dass viele von ihnen nicht einmal frei über ihr Taschengeld verfügen können, sondern damit Engpässe ausgleichen müssen, etwa wenn das extra an die Einrichtungen gezahlte Verpflegungsgeld nicht ausreicht oder das Kosmetikgeld zu knapp ist, sodass vom Taschengeld Friseurbesuche oder einzelne Kosmetikprodukte bestritten werden müssen. Eine Anregung der Jugendlichen: Es sollte geprüft werden, ob für Mädchen nicht ein höherer Satz für Hygieneartikel als für Jungen zu kalkulieren sei.

Heraus kam auch, dass die Zuteilung und der Entzug von Taschengeld als eine spezielle pädagogische Maßnahme eingesetzt werde. Einige gaben in der Umfrage des KJLR an, mit dem Geld Schäden wiedergutmachen zu müssen.

Handykauf nicht möglich

Der Rat der Heimkinder stört sich auch daran, dass für den Kauf einer Handy-Telefonkarte das Sparschwein geplündert werden muss. Ein Mobiltelefon sei für Jugendliche „ein zeitgemäßes Kommunikationsmittel“, wer aber 15 Jahre alt sei, 20 Euro Taschengeld bekomme und monatlich 15 Euro für eine Telefonkarte aufbringe, „dem bleiben für den restlichen Monat noch fünf Euro übrig“, rechnen die Jugendvertreter vor.

Diese Wirklichkeit erleben die Mädchen und Jungen als ein Gefühl der Benachteiligung gegenüber Kindern und Jugendlichen, die bei ihren Eltern aufwachsen. Die selbst gewählte Interessenvertretung erhebt keine überzogenen Forderungen. Denn durchschnittlich erhalten 13-Jährige, die in Brandenburger Einrichtungen leben, 18,69 Euro Taschengeld. Für angemessen halten die Jugendlichen laut der Umfrage 27,62 Euro. Damit liegt ihre Forderung nur knapp über der Taschengeldhöhe, die Jugendämter laut bundesweiter Tabelle Eltern empfehlen. Für Zwölf- bis 13-Jährige werden dort 18 bis 22 Euro als angemessen erachtet.

Forderung: Taschengeld ab vier Jahren

Außerdem fordert der KJLR, dass Kinder überall bereits ab vier Jahren Taschengeld bekommen – was auch die online abrufbare Taschengeldtabelle für Eltern (www.taschengeldtabelle.org) empfiehlt.

In Potsdam-Mittelmark beispielsweise bekommen Heimkinder erst ab Vollendung des sechsten Lebensjahres Taschengeld, wie Kreissprecherin Andrea Metzler auf PNN-Anfrage mitteilt. Das Taschengeld sei wie in allen Landkreisen altersabhängig und betrage monatlich zwischen fünf und 55 Euro. „Die Taschengeldsätze sind ausschließlich für den eigenen und persönlichen Bedarf bemessen“, erläutert Metzler. Handykarten, Hygieneartikel und Verpflegung würden mit dem Entgeltsätzen für Sachkosten abgedeckt, die an die Einrichtungen gezahlt werden.

Ministerium strebt Vereinheitlichung der Höhe an

Jugendministerin Britta Ernst (SPD) hat bereits Verhandlungen mit den Jugendlichen über die Höhe des Taschengelds aufgenommen. Eine Arbeitsgruppe des Ministeriums, an der die Landkreise beteiligt sind, befasst sich mit dem Thema. „Die Frage des Taschengelds ist für die Kinder und Jugendlichen in Heimen von sehr großer Bedeutung“, so Ministeriumssprecher Ralph Kotsch. Das Taschengeld trage wesentlich zu ihrer Lebensqualität und Zufriedenheit bei, „sie vergleichen sich mit Kindern und Jugendlichen, die in einem familiären Umfeld aufwachsen“, so Kotsch. Auf Basis der Umfrageergebnisse strebe das Ministerium eine Vereinheitlichung der Taschengeldhöhe an, gestaffelt nach Altersgruppen. Dazu soll gemeinsam mit den Trägern eine Tabelle entworfen werden mit dem Ziel, Empfehlungen für alle Träger zu geben.

Tendenziell sollen Kinder mehr bekommen

Wofür sie ihr Taschengeld ausgeben, müsse den Kindern und Jugendlichen komplett freigestellt werden. Sie sollten es nicht zur Bezahlung von Leistungen einsetzen müssen, die durch Eltern oder Träger im Rahmen der Entgelte für die Unterbringung schon erbracht worden sind, heißt es aus dem Ministerium. Das betreffe beispielsweise Aufwendungen für Hygieneartikel. „Mit der Neuregelung soll kein Kind weniger Taschengeld bekommen als es derzeit hat“, so Kotsch.

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