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Breiter Protest. Auch die Linke hat in den betroffenen Regionen gegen den Fluglärm und die Nachtflugregelung am neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld protestiert. In der rot-roten Regierung wird das zum Problem für die Partei.

© Klaer

Brandenburg: Bis an die Schmerzgrenze

Die Linke in Brandenburg versucht nach dem erfolgreichen Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am Flughafen BER den Spagat zwischen Glaubwürdigkeit und Koalitionsräson

Potsdam - Für die Linke in Brandenburg wird der Umgang mit dem überaus erfolgreichen Volksbegehren für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr am neuen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld immer mehr zum Problem. Partei und Landtagsfraktion suchen nach einer Lösung, um einerseits die Initiatoren des Volksbegehrens nicht vor den Kopf zu stoßen, aber andererseits auch den großen Koalitionspartner die SPD nicht zu verärgern.

Der Druck an der Basis der Linken ist jedenfalls groß. So groß, dass die von der Parteiführung zunächst ausgerufene Parole, die Linke wolle sich auf Bundesebene für eine deutschlandweit strengere und einheitliche Nachtflugregelung einsetzen, kaum mehr haltbar ist. Gefordert wird vielmehr eine landespolitische Lösung. Auch die Kritik an der starren Haltung der SPD wächst. Bislang gilt – wie vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt – ein Nachtflugverbot von 0 bis 5 Uhr mit Einschränkungen in den Randzeiten ab 23.30 und ab fünf Uhr.

Zu Wochenbeginn haben mehrere Ortsverbände der Linken aus dem Umfeld des Hauptstadtflughafens in einem Brief gefordert, dass die Genossen in der Landtagsfraktion das Anliegen des Volksbegehrens nicht ablehnen dürfen. Zumal zahlreiche Ortsverbände das Volksbegehren aktiv unterstützt haben und der Kreisverband Oder-Spree bei der Landtagswahl 2009 für ein strengeres Nachtflugverbot um Stimmen warb. Der Kreisparteichef in Oder-Spree, der Landtagsabgeordnete Peer Jürgens, sagte: „Das Thema ist für uns eine Frage der Glaubwürdigkeit. Unsere Mitglieder wollen, dass wir bei dieser Frage bis an die Schmerzgrenze gehen.“

Ähnlich äußerten sich die Kreisparteichefs aus Potsdam und Barnim, Sascha Krämer und Sebastian  Walter. In ihrer gemeinsamen Erklärung heißt es: Es gehe nicht um Regieren oder Opponieren, sondern um den gerechten Umgang mit einem Volksbegehren. „Das die SPD damit ein Problem zu haben scheint, wundert uns weniger. Es geht aber um die Glaubwürdigkeit der Linken: die bei den Bürgern, aber auch innerparteilich.“ Die rot-rote Landesregierung müsse für die von den Nachtflügen Betroffenen eine Lösung finden.

Der Kreisvorstand Oder-Spree fordert nicht nur, dass die Linke im Landtag mit den Initiatoren gemeinsame Lösungen auslotet, etwa den Verzicht auf die Passagen, in denen das Volksbegehren eine Verlagerung von Nachtflügen auf andere Standorte im Land fordert. Tatsächlich gab es in dieser Woche bereits ein erstes informelles Treffen mit Linke-Fraktionschef Christian Görke, weitere Gespräche sind für nächstes Jahr verabredet.

Die Linke in Oder-Spree fordert aber zudem, dass es ein landespolitisches Signal gibt. „Die Landesregierung müsste in der Flughafengesellschaft klar machen, dass wir längere Ruhezeiten wollen“, sagte Jürgens. „Dann müssen sich Berlin und der Bund verhalten.“ Jürgens findet es auch nicht abwegig und sogar diskussionswürdig, dass der Landtag mit rot-roter Mehrheit das Volksbegehren annimmt. „Im Kern steht doch im Volksbehren, dass der Landtag die Landesregierung auffordern möge, mit Berlin in Verhandlungen zu treten, um einzelne Punkte im Landesentwicklungsplan zu ändern“, sagte Jürgens. „Im Landtag fordern wir doch in jedem vierten Beschluss, dass sich die Landesregierung für irgendetwas einsetzen soll.“

Die SPD nimmt das Rumoren beim kleinen Koalitionspartner bislang mit demonstrativer Gelassenheit hin, zumal auch Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) ebenfalls auf die Bremse trifft und auf die rechtlichen Hürden verweist (siehe Beitrag unten). Die Linke müsse sich entscheiden zwischen Regieren oder Opponieren, heißt es bei der SPD. Linke-Fraktionschef Christian Görke versucht nun den Spagat, den Druck der Basis zu kanalisieren und mit dem Koalitionspartner eine Lösung auszuhandeln. Ein erstes Gespräch darüber im Koalitionsausschuss verlief war sachlich und ordentlich, wie selbst Platzeck sagte. Es gab aber auch keine Annäherung. Görke hatte sich schon zu Wochenbeginn vom zaghaften Vorgehen seines Landesparteichefs Stefan Ludwig losgesagt. Anstatt nur auf eine bundespolitische Lösung zu verweisen, sagte er, die Linke wolle auch landespolitisch alles ausreizen. Am Donnerstag erklärte er: „Wir werden alles unternehmen, um für mehr Nachtruhe zu sorgen.“ Und: „Wir werden uns einigen in der Koalition.“ Nur wie, das dürfte für die Linke im Bundestagswahljahr 2013 entscheidend sein. Bis April muss die Frage geklärt sein, bei einer Ablehnung des Volksbegehrens durch den Landtag kommt es zum Volksentscheid.

Für Landesparteichef und Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) ist die Sache jedenfalls klar: „Es macht keinen Sinn Hoffnung zu machen, wo es nichts zu ändern gibt.“ Er verstehe aber die Reflexe bei den Linken, schließlich gehe es für die Partei bei der Bundestagswahl ums Existenzielle.

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