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Bildung: Jetzt bestätigt: Mathe-Abi in Brandenburg zu leicht

Der Petitionsausschuss des Landtags befasste sich mit der Beschwerde eines Mathe-Experten: Die Abschlussprüfungen in Brandenburg seien nicht anspruchsvoll genug. Er hat offenbar recht.

Potsdam - Ende der Woche beginnen in Brandenburg die Abiturprüfungen. Tortur oder Spaziergang – darüber gehen die Meinungen auseinander. Während der Notendurchschnitt in der vergangenen Jahren immer besser wurde, zunehmend Einser-Abiturienten gezählt werden, fallen auch immer mehr Schüler durch die Reifeprüfung. So rauschten im Vorjahr 4,3 Prozent der Abiturienten durch die Prüfung, 2017 waren es 4,1 und 2009 nur 3,8 Prozent.

Auf der anderen Seite schneiden diejenigen, die durchs Abi kommen, immer besser ab: Der landesweite Notendurchschnitt lag im Vorjahr bei 2,3. Im Jahr 2006 lag die mittlere Abiturnote noch bei 2,48. Eklatant ist der Anstieg der 1,0er-Absolventen. Im Vorjahr meisterten 245 Brandenburger Schüler die Prüfungen mit der Traumnote 1,0. Damit ist der Anteil der 1,0er-Abiturienten innerhalb von zehn Jahren von 1,56 auf 2,52 Prozent gestiegen.

Permanenter Niveauverfall

Ist das Abitur nun also schwerer oder leichter geworden? Worauf müssen sich die Schüler einstellen, die in den kommenden Tagen über den Prüfungsaufgaben brüten? Einer, der sich mit diesen Fragen seit langem beschäftigt, ist der Potsdamer Mathematik-Experte Helmut Assing, emeritierter Professor für mittelalterliche Geschichte und habilitiert im Fachgebiet mathematische Logik. Seit sieben Jahren analysiert er die Prüfungsaufgaben – und stellte einen permanenten Niveauverfall der Fragen im Fach Mathematik fest. Und das, obwohl 2017 zahlreiche Schüler die Aufgaben als zu schwer zurückwiesen, weil der abgefragte Stoff im Unterricht nicht behandelt worden sei. 2600 Schüler durften das Pannen-Abi 2017 dann wiederholen.

Wohlgemerkt: Assing unterstellt nicht den Schülern, immer dümmer zu werden, sondern den Zuständigen im Ministerium, Aufgaben zu einfach zu gestalten und damit gegen Bestimmungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zu verstoßen. So würden die Brandenburger Schüler auch im Vergleich mit anderen nicht genug fürs Studium vorbereitet, warnte Assing und wandte sich mehrfach an das Bildungsministerium, den Bildungsausschuss und vor einem Jahr schließlich auch an den Petitionsausschuss des Landtags, der sich mit Beschwerden von Bürgern befasst. Und: Dieser gibt Assing in Teilen recht.

Knapp ein Jahr nach Einreichung der Petition schickte die Ausschussvorsitzende Kristy Augustin (CDU) eine umfangreiche Antwort an Assing. Das Ministerium habe sich eingehend mit Assings Vorwürfen auseinandergesetzt, schreibt Augustin. Das blieb nicht wirkungslos: Der Rahmenlehrplan für Mathematik sei überarbeitet worden. Einerseits, um ihn der veränderten Oberstufenstruktur anzupassen, aber eben „auch aufgrund dieser Auseinandersetzung mit Ihrem Vorbringen“, heißt es in dem Schreiben, das den PNN vorliegt. Assings umfangreiche Anmerkungen seien teilweise aufgegriffen worden und in die Änderung des Rahmenlehrplans eingeflossen. In den Prozess seien – im Gegensatz zu dem Überarbeitungsprozess des Rahmenlehrplans der weiteren Fächer – auch die Fachexpertise der Uni Potsdam, der Entwicklungsgruppe Mathematik, der Fachaufsicht und der Verbände einbezogen worden, legt Augustin dar.

Im Detail geht es um drei verschiedene Anforderungsbereiche von I wie leichter zu III wie am schwersten. Nach Beschluss der Kultusministerkonferenz von 2012 gibt es eine verbindliche Vorgabe: Von den drei Anforderungsbereichen seien bei einem Mathe-Prüfungsfach auf erhöhtem Niveau die Bereiche II und III stärker zu akzentuieren.

Niveau wird angehoben

Assing wies nach, dass beim Zentralabitur 2018 in den ursprünglich ausgeteilten Prüfungsbögen nur in einer Aufgabe die Stufe III stärker vertreten war als die Stufe I. Nach einem Einbruch in ein Gymnasium in Niedersachsen wurde dann auch in Brandenburg vorsorglich eine Teilaufgabe ausgetauscht, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Prüfungsaufgaben in mehreren Ländern vorzeitig bekannt geworden waren. Die Brandenburger erhielten dann eine Aufgabe, bei der die Anforderungsbereiche wie gefordert berücksichtigt waren. Aber – und das hob Assing hervor – eben nur, weil ein unvorhergesehener Zwischenfall das Vorhaben, eine leichtere Aufgabe zu stellen, vereitelt habe.

Nun heißt es in der Antwort des Petitionsausschusses: Staatssekretär Thomas Drescher habe mitgeteilt, „dass die Verteilung der Anforderungsbereiche in den Ländern Berlin und Brandenburg die KMK-Anforderungen tatsächlich teilweise nicht erfüllte“. Der Staatssekretär habe dies damit begründet, dass die Festlegung der Anforderungsbereiche in den Teilaufgaben kleinschrittiger und detaillierter erfolgte als in anderen Ländern.

Inzwischen wurde der Fehler also be- und das Niveau angehoben. Die Schüler, die am 3. Mai ihr Mathe-Abitur schreiben, betrifft das aber noch nicht. Der neue Rahmenlehrplan, der am 1. August 2018 in Kraft trat, gilt erst für die Oberstufenschüler, die nach seinen Vorgaben unterrichtet werden und ihr Abitur 2021 ablegen.

Abiturprüfungen

Nach Angaben des Bildungsministeriums treten in diesem Jahr 10 200 Schüler zu den Abiturprüfungen an. Die schriftliche Prüfungsphase des Abiturs in Brandenburg beginnt diesen Freitag. Hinzu kommen die mündlichen Prüfungen ab 9. Mai. Los geht es am Freitag mit Biologie, Chemie und Physik. Am 8. April folgen Geschichte, Geografie und Politische Bildung. Zwei Tage später brüten die Abiturienten über den Aufgaben im Fach Englisch. Am 12. April wird die Französisch-Klausur geschrieben, am 30. April das Deutsch-Abitur. Den Abschluss der schriftlichen Prüfungen bildet das Fach Mathematik am 3. Mai. Seit dem Schuljahr 2009/2010 gibt es einheitliche schriftliche Abituraufgaben in Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik in Brandenburg und Berlin. Die Schulzeit bis zum Abitur beträgt in Brandenburg an Gymnasien zwölf und an Gesamtschulen oder Oberstufenzentren 13 Jahre.

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