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Zeitzeugen. Die Holocaust-Überlebenden Walter Frankenstein, Susan Cernyak-Spatz und Horst Sommerfeld (v.l.n.r.) wurden von Luigi Toscano porträtiert.

© Luigi Toscano

Brandenburg: Bilder gegen das Vergessen

Der Fotograf Luigi Toscano hat Holocaust-Überlebende aus fünf Ländern porträtiert. Nun werden seine Bilder in Mitte ausgestellt

Berlin - Im Berliner Hotel Savoy trifft sich Luigi Toscano mit Walter Frankenstein. Sie sind zu einer Fotosession verabredet. Es ist kein gewöhnlicher Fototermin. Frankenstein ist 93 Jahre alt und hat den Holocaust überlebt. Ihm gelang es 1943 mit seiner Familie in Berlin unterzutauchen. Dank Helfern überlebten er, seine Frau und seine zwei Söhne die Verfolgung unter dem Naziregime. Heute besucht Frankenstein als Zeitzeuge Schulen und erzählt von einem Deutschland unter Hitler, von Anfeindungen und Todesangst. Und seiner Hoffnung, so etwas möge nie wiederkommen.

Mehr als 200 Menschen wie Frankenstein hat Luigi Toscano für sein Projekt „Gegen das Vergessen“ in den vergangenen zweieinhalb Jahren getroffen, sie fotografiert und ihre Geschichten festgehalten. Die übergroßen Porträts bilden Menschen ab, die den Holocaust überlebt haben – Zeitzeugen, die einst unter den Nazis leiden mussten und die heute in der Ukraine, in Israel, Großbritannien, Russland oder den USA leben.

„Die Überlebenden sind die Gesichter und Stimmen der Erinnerungskultur. Sie haben die Macht, Menschen zu erreichen – unabhängig von Alter, Herkunft oder Bildung – und heute für ausgrenzende Tendenzen zu sensibilisieren“, sagt der Fotograf über sein Projekt.

Angefangen hatte alles in Mannheim mit Toscanos Fotoprojekt „Heimat Asyl“. Dort hatte er zunächst Menschen fotografiert, die einen Asylantrag in Deutschland gestellt hatten. Jeder konnte die Fotos an der Feuerwache sehen, die Toscano überlebensgroß an den Außenfenstern installierte. Überraschend wurden auf einer nahe gelegenen Litfaßsäule auf einmal Botschaften ausgetauscht und den Asylsuchenden Hilfe angeboten. Eine solche Resonanz und Hilfsbereitschaft hätte Toscano damals nicht erwartet.

„Ich würde keinen Moment zögern, Menschen in Not aufzunehmen – egal, welcher Religion sie angehören“, sagt auch der von Toscano porträtierte Walter Frankenstein. Noch wichtiger ist ihm aber, dass die Menschen selbstständig denken. Damit Phrasen, wie sie Hitler damals von sich gab, heute nicht wieder verfangen.

Mit Blick auf die Novemberpogrome von 1938 wird „Gegen das Vergessen“ am Donnerstag im Beisein von Berlins Kultursenator Klaus Lederer und der Holocaust-Überlebenden Margot Friedlander auf dem Gelände der Sophienkirche in Berlin-Mitte eröffnet. Im Anschluss wird die Ausstellung in den USA gezeigt sowie im Januar 2018 im Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York im Rahmen des Holocaust-Rememberance-Days. Schon seit einem Jahr wandert die Ausstellung durch die Ukraine. Dort war sie erstmals im September 2016 unter der Schirmherrschaft des damaligen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier im Rahmen eines Staatsaktes zum Gedenken an die Massaker von Babyn Jar im Jahr 1941 gezeigt worden.

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung am Donnerstag wird es einen stillen Gedenkgang zum jüdischen Altersheim in Berlin geben, das die Gestapo in der NS-Zeit als Sammelstelle für jüdische Bürger missbrauchte, die dann nach Auschwitz und Theresienstadt deportiert wurden.Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 9. November, um 17.30 auf dem Gelände der Sophienkirche, Große Hamburger Straße 29–30 in Berlin. Die Bilder sind dort bis zum 26. November zu sehen.

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