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BER-Schallschutz: EU-Bescheid wirft Fragen auf

Hat Deutschland getrickst, um die Genehmigung der 1,2-Milliarden-Euro-Spritze für den Flughafen BER zu bekommen? Der Bund dementiert die Vorwürfe, doch laut EU fließt aufgrund deutscher Angaben jetzt mehr Geld in den Schallschutz.

Potsdam - Neue Ungereimtheiten um den künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld: Gegen die Bundesrepublik werden Vorwürfe laut, gegenüber der EU falsche Angaben gemacht zu haben, um grünes Licht für die jüngste BER-Kapitalspritze über 1,2 Milliarden Euro zu erhalten. Das Bundesverkehrsministerium, federführend zuständig, bestreitet das. Doch der Verdacht, den Anwälte und Anti-Fluglärm-Initiativen äußern, wird durch den sogenannten Notifizierungsbescheid vom 19. Dezember 2012 aus Brüssel genährt. Konkret betrifft es den Schallschutz für 10 000 Haushalte unmittelbar am Schönefelder Hauptstadtflughafen.

Für diese wird im Rahmen des bewilligten Milliardenzuschusses gegenwärtig das mit 140 Millionen Euro vorher nie ausfinanzierte Schallschutzprogramm der Flughafengesellschaft der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes (FBB) aufgestockt. Strittig ist noch, ob um 305 Millionen Euro oder um 595 Millionen Euro, worüber das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) Mitte März urteilt. Und zwar der gleiche Senat, der jüngst die Wannsee-Flugroute kippte.

Brisant ist, warum laut EU auf Grundlage deutscher Angaben jetzt viel mehr Geld für Lärmschutz fließt. Dies sei unerwartet nötig geworden, heißt es im Bescheid, da das OVG im Jahr 2012 „zusätzliche Schallschutzvorschriften“ und ein „neues Schallschutzniveau“ beschlossen habe. Das ist aber gar nicht der Fall. Der Flughafen hatte vielmehr, so urteilte das OVG 2012, mit dem Billigschallschutz bis dahin systematisch gegen den Planfeststellungsbeschluss verstoßen.

Der EU-Bescheid (SA.35378) war am 19. Dezember 2012 an Außenminister Guido Westerwelle gesandt worden. Kurz danach, am 4. Januar 2013, war der BER-Eröffnungstermin zum 27.Oktober 2013 abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben worden, der Grundlage auch der berechneten 1,2 Milliarden war. Schon da wurden Vorwürfe laut, dass die EU über das absehbare neue BER-Eröffnungsrisiko im Unklaren gelassen wurde, was alle Verantwortlichen dementieren. Nun kommen Lärmschutz-Irritationen hinzu. Im EU-Bescheid heißt es etwa neben den „zusätzlichen Schallschutz-Vorschriften“ des OVG: „In ihrer vorherigen Planung hatte die FBB ihr Schallschutzbudget auf die damals geltenden einschlägigen Vorschriften begründet.“

Dem widersprechen die Anwälte Wolfgang Baumann (Würzburg) und Franziska Heß (Leipzig), die Anwohner vertreten, sowie Vertreter von Anti-Fluglärm-Inititativen wie Christine Dorn vom Bündnis Südost vehement: „Die Behauptung, dass das Gericht ein neues Schallschutznivau beschlossen hat, ist unrichtig“, sagt etwa Hess. Das OVG habe durchgesetzt, dass der im Planfeststellungsbeschluss verankerte Standard, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht, eingehalten wird. Und Baumann sagt: „Erst hat man die Anwohner getäuscht, und nun die EU.“ Wie berichtet hatte der Flughafen für die Berechnungen der Schallschutzfenster einen um das Sechsfache schlechteren Standard angesetzt, bis das OVG dies stoppte.

Wie der strittige Passus in den Bescheid der EU kam, bei der die Bundesrepublik erneut noch nicht bezifferbare neuen Zusatzkosten wegen der aktuellen BER-Verschiebung genehmigen lassen muss, kann niemand recht erklären. Der Flughafen verweist auf den Bund. Dort verwies das Auswärtige Amt auf das Wirtschaftsministerium, das wiederum auf das zuständige Bundesverkehrsministerium. Dessen Sprecher Ingo Strater betont, dass der Bund gegenüber der EU ausnahmslos zutreffende Angaben gemacht habe, auch beim Schallschutz, der „auslegungsfähig und -bedürftig“ gewesen sei. Der EU sei alles „transparent offengelegt“ worden. Für ein neues Notifizierungsverfahren sehe man zurzeit keine Notwendigkeit. In Aufsichtsratskreisen Brandenburgs hieß es, dass im Antrag detailliert und wahrheitsgemäß alles erläutert wurde. Etwa, dass der Flughafen „auf Drängen Brandenburgs“ den umstrittenen Klarstellungsantrag zurückzog, mit dem der Flughafen nachträglich seine damalige Billig-Praxis legalisieren wollte. Das OVG hat nun das letzte Wort.

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