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Rechtsextreme und Neonazis machen mit Aufmärschen weiter mobil gegen Flüchtlinge und Asylbewerberheime.

© Jan-Philipp Strobel/dpa

Aufmärsche in Bestensee, Bad Belzig und Zepernick: Rechtsextremisten machen weiter mobil gegen Flüchtlinge

Rechtsextremisten marschieren in Brandenburg auch an diesem Wochenende gegen neue Asylheime und Flüchtlinge auf. Die Tarnung über "Nein zum Heim"-Bürgerinitiativen haben sie abgelegt. Denn die Strategie ging - anders als in Sachsen - nicht auf, die braune Hetze fand keinen Rückhalt in der Bevölkerung

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Potsdam –  Der Versuch von NPD und Neonazi-Kameradschaften ist vorerst gescheitert, über Tarn-Bürgerinitiativen vor Ort Sorgen der Einwohner zu instrumentalisieren. „Die Strategie hat nicht richtig gezündet“, hieß es aus dem Innenministerium. „Die Menschen in Brandenburg sind offenbar doch klüger als die Rechtsextremisten gedacht haben.“ Verhältnisse wie im sächsischen Schneeberg sind bislang nicht zu beobachten.

Dennoch warnte der SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness angesichts von mehreren Brandanschlägen vor einer bedrohlichen Situation, „die wir ernst nehmen müssen und in der man Widerstand leisten muss“. Eine Situation wie in den früheren 1990er-Jahren mit ausländerfeindlichen Ausschreitungen, „die dem Image Ostdeutschland nachhaltig geschadet hat, dürfe nicht wieder eintreten“. Dass Propaganda der Neonazis gegen Asylheime in der Bevölkerung nicht zündet, sei dem zivilgesellschaftlichem Widerstand in den Kommunen zu verdanken.

Inzwischen haben NPD und Kameradschaften ihre Tarnung – die angeblichen Bürgerinitiativen namens „Nein zum Heim in …“ fallen gelassen. Für Freitagabend haben die NPD und deren Nachwuchsorganisation JN eine Demonstration in Bestensee (Dahme-Spreewald) angekündigt. Das Motto lautet: „Asylmissbrauch stoppen.“ Auch Kameradschaften hetzten weiter gegen das Asylheim im Bestenseer Ortsteil Pätz. Für 21. Dezember haben die bereits die „Freien Kräfte“ einen Aufmarsch angemeldet.  Bereits Ende Oktober hatte es dort einen Aufmarsch von 200 Neonazis aus Berlin und Brandenburg gegen eine geplante Asylunterkunft im Ortsteil Pätz gegeben. Allerdings hatte es auch deutlichen Gegenprotest von Parteien, Initiativen und Bürgern gegebenen. Die Gemeinde ließ auf der Marschroute der Neonazis ausschalten, viele Anwohner verdunkelten ihr Fenster.

Auch in Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark) spitzt sich die Stimmungsmache gegen das Flüchtlingsheim zu. Für Samstag hat die NPD Havel-Nuthe eine Demonstration und Mahnwache auf dem Belziger Rathausmarkt angemeldet. Laut Polizeiangaben werden etwa 20 Teilnehmer erwartet, die unter der Losung „Nein zum Heim in Bad Belzig“ protestieren wollen. „Wir planen derzeit eine Gegendemonstration“, sagte die Belziger Bürgermeisterin Hannelore Klabunde (parteilos) den PNN. Teilnehmen werden  die Fraktionen der Stadtverordneten, Schulen, die Kirche und das „Belziger Forum gegen Rechtsextremismus und Gewalt“.

Auch in Zepernick (Barnim) sind in dieser Woche am Mittwoch wie bereits in der Vorwoche erneut Neonazis gegen eine Asylunterkunft für 20 Flüchtlinge aufmarschiert. Diesmal waren unter den 50 Teilnehmern offensichtlich auch Bürger aus Zepernick samt Kindern dabei. Sie kritisierten im Vorfeld nicht über die Pläne für eine neuen Flüchtlingsunterkunft informiert worden zu sein. Neben Funktionären der NPD Barnim-Uckermark wie Parteikreischefin Aileen Rokohl waren auch Mitgleider der Kameradschaft „Barnimer Freunschaft“ darunter, sie verteilten Knicklichter an Familien und Kinder. An der Gegendemonstration beteiligten sich 100 Menschen, darunter auch Vertreter von Parteien.

Bei Bürgerversammlungen in verschiedenen Orten Brandenburgs haben Einwohner immer diffuse Ängste geäußert – etwa vor angeblich kriminellen Ausländern. Grundsätzlich ist die Stimmung im Land nach den bisherigen Erfahrungen sachlich. Neuestes Beispiel ist Rathenow, wo am Donnerstagabend Behördenvertreter die Einwohner über die geplante Erweiterung des Asylbewerberheimes informiert haben. Neonazis oder mutmaßliche Mitglieder der vermeintlichen "Bürgerinitiative Nein zum Heim in Premnitz und Rathenow" waren nicht darunter oder gaben sich nicht zu erkennen. Direkte Anwohner kritisierten das Vorhaben. Gegen das bestehende Heim habe sie nichts, es könne auch weiter bestehen bleiben, aber die Aufnahme von 100 oder gar 200 Plätzen sei nicht akzeptabel. Man fürchte sich vor Konflikten innerhalb der Heimbewohner oder der Instrumentalisierung der Situation durch die rechte Szene, sagte eine Frau. Auch mehrerer Politiker von demokratischen Parteien – selbst Grüne und Linke – zeigten Verständnis und sprachen sich für die Suche nach Alternativstandorten aus. Die Kreistagssabgeordnete Daniel Golze (Linke) sagte, man solle sich bei der Entscheidungsfindung nicht von der Sorge vor Neonazis beeinflussen lassen, hier habe der Rechtstaat genug Interventionsmöglichkeiten.

Auch wenn die rechtsextreme Propaganda gegen Flüchtlinge bislang nicht in der Bevölkerung gezündet hat, haben die zumindest die Neonazis nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden für sich wieder ein Thema gefunden, um die eigene Szene zu mobilisieren. Die Strategie, nach dem Muster von Berlin-Hellersdorf mit einer Bürgerinitiative eine ausländerfeindliche Stimmung zu provozieren und anzuheizen, hat nicht funktioniert. In mehreren Städten hatten sich vermeintliche Bürgerinitiativen gegründet, oft mit dem Namen „Nein zum Heim in …“ in Pätz (Dahme-Spreewald), Gransee (Oberhavel), in Friesack, Rathenow und Premnitz (alles Havelland) und Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark).

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