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Spurensuche. Hobbyforscher Gerhard Kaminski zeigt in einem Waldstück bei Briesen (Oder-Spree) einen Eimer mit ersten Fundstücken von einem sowjetischen Kampfflugzeug IL-2, das hier im Zweiten Weltkrieg abstürzte. Luftfahrtarchäologen waren über Zeitzeugenangaben auf den Fund gestoßen.

© Patrick Pleul

Brandenburg: Auf der Spur der Gefallenen

Hobby-Archäologen gehen dem Schicksal abgeschossener Flugzeugbesatzungen auf den Grund

Briesen - Mit einer großen Sonde samt Monitor steht Christel Focken mitten im Wald bei Briesen im Landkreis Oder-Spree. An einem von Farnkraut überwucherten Hang neben einem Sumpfgelände, der von rot-weißem Flatterband umgeben ist, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes privater Historiker: „Hier steckt jede Menge Metall im Boden.“

Die erfahrene Hobby-Archäologin lässt sich gerade zum ehrenamtlichen Denkmalpfleger ausbilden. Focken hat rund zwei Dutzend Mitstreiter, die hauptsächlich zur Arbeitsgemeinschaft (AG) Luftfahrtarchäologie Oderland beim Luftfahrtmuseum Finowfurt gehören. Sie bereiteten am Wochenende die Bergung eines sowjetischen Kampfflugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg vor.

„Wir wissen von Anwohnern nicht viel – außer, dass es sich um eine sowjetische IL-2 handelt, die im April 1945 hier abgestürzt sein soll“, sagt der Aachener Grabungsleiter Hans-Günther Ploes. Zeitzeugen hatten berichtet, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an der Stelle schon einmal gegraben wurde. „Wir müssen ungefähr herausbekommen, aus welcher Richtung die IL-2 kam und wie sie in den Hang schlug. Dann können wir auch mit schwerem Gerät graben“, erläutert Ploes. Im Juli sollen die Trümmerteile inklusive der sterblichen Überreste der Besatzung geborgen werden.

Dass es sie gibt, hätten erste Testgrabungen im Herbst 2017 ergeben, berichtet Gerhard Kaminski, Mitglied der AG Luftfahrtarchäologie aus Wilmersdorf (Märkisch-Oderland). „Wir fanden unter anderem drei verschiedene Kaliber Munition, die zur IL-2 gehören, Scherben der Seitenscheiben, die Messing-Membran eines Kopfhörers.“

Ein Großteil des Rumpfes liegt Kaminski zufolge unterhalb des Wasserspiegels. Dort entdeckten die Luftfahrtarchäologen einen gut erhaltenen Schädel mit langen schwarzen Haaren. „Deshalb glauben wir, dass es sich bei dem Heckschützen um eine Frau gehandelt haben muss“, sagt Kaminski. Mehr sei bisher nicht bekannt.

Der Pilot soll laut Zeitzeugen bereits Anfang der 1950er Jahre geborgen worden sein. „Der hatte wohl jede Menge Orden an der Uniform, seine sterblichen Überreste waren damals auf Geheiß des russischen Kommandanten in Fürstenwalde in die Sowjetunion überführt worden.“ Um nun das zweite Besatzungsmitglied zu bergen, werden im Juli Umbetter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge dabei sein.

Flugzeug-Wrackteile aus dem Zweiten Weltkrieg seien keine Seltenheit, sagt Kaminski. „Es gibt in der ganzen Oderregion noch so viele ungeklärte Fälle, tobten hier doch zum Ende des Zweiten Weltkrieges die schwersten Kämpfe zwischen deutscher Wehrmacht und Roter Armee. Die wurden auch und gerade in der Luft ausgetragen“, erläutert der selbstständige Projektentwickler.

Allein in Marxdorf bei Seelow hätten Anwohner von weiteren sechs Wracks berichtet, sagt Christian Wengel, Begründer der AG Luftarchäologie, zu der deutschlandweit 21 Hobbyhistoriker gehören, die aktuell 56 solcher Abschussstellen bearbeiten. „Vor sieben Jahren war ich beim Pilze Sammeln am Werbellinsee im Barnim auf Flugzeugtrümmer gestoßen. Ich wusste nichts damit anzufangen und übergab sie dem Luftfahrtmuseum Finowfurt“, sagt der Fuhrunternehmer aus Briesen.

Dort fand er Gleichgesinnte und engagiert sich seitdem ehrenamtlich. „Eine interessante und auch wichtige Arbeit“, begründet Kaminski sein Engagement in der Freizeit, das auch bei Behörden Anerkennung findet. Sie genehmigten der AG die Bergung der Trümmerteile bei Briesen. Die russische Botschaft bat sogar um einen Bergungsplan. „Ich finde es wichtig, dass auf diese Weise Geschichte aufgearbeitet wird und die Gefallenen ein würdiges Grab erhalten“, sagt der zuständige Revierförster Marek Zietlow, der die Arbeiten beobachtet.

Wirklich überrascht habe ihn der Fund nicht. „Alte Einschlagstrichter findet man hier häufiger. Und Geschichten aus dem Frühjahr 1945 erzählen sich die Leute noch immer.“ Zietlow möchte nicht, dass der genaue Fundort öffentlich bekannt wird. „Das lockt nur Militaria-Sammler und andere Neugierige an, die hier nichts zu suchen haben.“ (dpa)

Jeanette Bederke

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