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Annalena Baerbock kandidiert: Energiepolitik ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit

Die einzige Abgeordnete der Brandenburger Grünen im Bundestag, Cornelia Behm, hat bei einen Treffen der Partei am Samstag in Potsdam erklärt, zur Wahl im September 2013 nach 11 Jahren nicht erneut als Spitzenkandidatin anzutreten. Diese Entscheidung habe sie nach gründlichem Nachdenken getroffen, sagte die bald 61-Jährige. Stattdessen will Landesparteichefin Annalena Baerbock, 31, in den Bundestag. Wahlparteitag ist im März 2013.

Generationswechsel bei den Grünen. Warum wollen Sie in den Bundestag?

Weil in den nächsten Jahren in Politikfeldern, wie beispielsweise der Energiepolitik oder der Europapolitik, auf Bundesebene zentrale Weichen gestellt werden, an denen ich gerne mit stellen würde. Als Brandenburger Bündnisgrüne - mit meinen europäischen Erfahrungen - kann ich diesbezüglich, so hoffe ich, auch einiges einbringen. Zum Beispiel die Erfahrungen, wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien, bei dem Brandenburg ja bundesweit Spitze ist, mit Naturschutz vereinbar und lokal gewinnbringend ist sowie Arbeitsplätze schafft, wenn dies im Bund nicht blockiert wird. Aber auch, um daran mitzuwirken, über Bundesrecht auf die Brandenburger Landesregierung Druck auszuüben, damit bei uns in der Lausitz keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden Und ja, ich möchte auch zeigen, sofern meine Partei es will, dass wir junge frische Kräfte aus Brandenburg haben.

Was ist Ihr Ziel für die Bundestagwahl. Bleibt es bei nur einer Bundestagsabgeordneten?

Wir werden kräftig ackern, dass wir bei der Wahl zwei Grüne Abgeordnete aus Brandenburg in den Bundestag bekommen. Dafür brauchen wir aber ein sehr gutes Ergebnis auf Bundesebene und ein gutes auf Landesebene, weil wir ein stückweit mit den anderen Landesverbänden konkurrieren.

Wie sind Sie für die Landtagswahl 2014 aufgestellt, welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Wir haben versucht, den Rückenwind, den wir durch den Landtagseinzug 2009 erhalten haben, auch parteiintern dafür zu nutzen, uns inhaltlich und personell breiter aufzustellen. Und ich freue mich, dass das ganz gut gelungen ist. Wir haben das zum Beispiel an den Mitgliederzahlen gemerkt, die deutlich um mehr als 50 Prozent auf 943 angestiegen sind, nicht nur im Speckgürtel, sondern auch in kleinen Kreisverbänden wie Elbe-Elster. Mit Blick auf 2014 wollen wir im Speckgürtel unsere Hochburgen ausbauen und in der Fläche präsent sein. Auf Prozentzahlen legen wir uns nicht fest. Aber acht statt jetzt fünf Abgeordnete im Landtag wären schön und sind nach derzeitigem Stand erreichbar. Wir sind damit angetreten, frischen Wind in den Landtag zu bringen. Unsere Fraktion hat gezeigt, dass wir unser Versprechen gehalten haben. Anders als Rot-Rot, die viel verändern wollten und eher Stagnation gebracht haben. Da gibt es zahlreiche Themenfelder, bei denen die Grünen den Anstoß gegeben haben: Transparenz, Öffentlichkeit der Ausschüsse, Stasi-Aufarbeitung, aber auch bei der Energiepolitik, beim Klimaschutz, nachhaltigem Wirtschaften und der Bildungspolitik hat die Fraktion Druck gemacht. Bei der Sozialpolitik wollen wir noch stärker den Finger in die Wunde legen, wo SPD und Linke so viel versprochen hatten.

Sie erwähnen die Sozialpolitik. Warum jetzt die Grünen? Müssen Sie da eine Flanke absichern, die Sie bisher vernachlässigt haben?

Jein. Soziale Gerechtigkeit war schon immer ein zentrales Thema der Grünen. Als in Brandenburg nach wie vor kleine und bis 2009 außerparlamentarische Partei konnten wir aber nicht jedes Thema gleich intensiv bearbeiten. Mein Co-Vorsitzender Benjamin Raschke und ich sind damit angetreten, dass wir Kräfte bündeln in einer kleinen Partei, die auf ehrenamtlichen Strukturen arbeitet. Wir wollten deshalb jedes Jahr ein neues Schwerpunktthema setzen, dieses Jahr die Sozialpolitik.

Und wie sieht die grüne Sozialpolitik in Brandenburg aus?

Wir sehen bei SPD und Linken, denen man ja die Sozialpolitik als Schwerpunktthema unterstellt, dass sie farblos geblieben sind. Rot-Rot macht es sich zu einfach, wenn sie immer nur auf den Bund und seine Kompetenzen verweisen und dann auch noch hinter ihren eigenen Forderungen zurück bleibt. Zum Beispiel gibt es den Antrag der Landesregierung im Bundesrat auf 8,50 Euro Mindestlohn, aber in ihrem eigenen Vergabegesetz sehen sie nur acht Euro vor. Das passt nicht zusammen. Uns Grünen geht es anders als bei vielen Linken zum Beispiel beim Thema Sozialpolitik nicht nur um Transfers und allein um die Erhöhung von Sozialleistungen. Wir haben vor Jahren den Begriff der erweiterten Gerechtigkeit eingeführt. Wir brauchen zum einen eine Umverteilung. Wir brauchen aber vor allem auch starke öffentliche Institutionen. Deshalb scheuen wir nicht davor zurück zu sagen, wir brauchen in bestimmten Feldern Steuererhöhungen, um die öffentliche Daseinsvorsorge zu stärken. Nur reiche Leute können sich eine schlechte öffentliche Infrastruktur leisten. Das ist für Brandenburg eine zentrale Frage im ländlichen Raum: Was können wir überhaupt noch von Staatsseite leisten. Kita, Schule, Bibliotheken, der Nahverkehr, das muss gestärkt werden.

Und was ist mit den sozialen Verwerfungen, den Kosten der Energiewende für die Bürger? 

Fakt ist doch, dass unter der Klimazerstörung weltweit die Ärmsten leiden. Bei uns leiden Menschen mit geringem Einkommen, wenn sie Haushaltsgeräte kaufen, die Strom fressen, statt zu sparen. Deshalb ist Energiepolitik für uns eben auch nicht nur eine eine Frage von Klimaschutz, sondern auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Würden die Kosten der Energiewende auf alle gerecht verteilt, wären die Kosten für den Verbraucher nicht so hoch. Am Ende spart man durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Man muss Wirtschaft, Energie und Soziales zusammen denken. Alle anderen Parteien dagegen halten an den alten Energieträgern fest. Das passt nicht zu einer modernen Energie- und Wirtschaftspolitik und auch nicht zu einer zukunftsfähigen Sozialpolitik. Deshalb werden wir, auch weil die Linke unter Rot-Rot umgefallen ist, in den kommenden Wahlkämpfen auch wieder ganz massiv damit antreten, dass wir raus müssen aus der Braunkohle, auch wenn man damit nicht überall Lorbeeren verdient. Der Ausstieg wird die Preise nicht in die Höhe treiben. Schon jetzt können wir Brandenburg allein zu Hundert Prozent mit Strom aus Erneuerbaren versorgen. Wir  brauchen wir keinen Energieträger, der Landschaften zerstört, was wiederum wahnsinnig teuer ist.

Es droht Konkurrenz durch die Piraten, die teils auf ähnliche Themen setzten, in Berlin leitet ein Pirat sogar den Untersuchungsausschuss zum BER-Debakel. In Brandenburg sammeln sich die Piraten. Wie hoch schätzen sie das Risiko, dass die Piraten in den Landtag einziehen und ihnen Stimmen wegnehmen?

Als Demokratin freut es mich, dass es eine Partei ist, die freiheitlich und demokratisch tickt, bisherige Protest- und Nichtwähler und Politik-Desillusionierte anspricht, die von anderen Parteien nicht angesprochen werden. In anderen Ländern Europas sind das rechte Parteien. Wir schreien daher nicht Hilfe, die Piraten kommen.Wir sagen vielmehr: Konkurrenz belebt das Geschäft. Berlin war sicher ein warnender Schuss vor den Buk für die Grünen, dass wir unser Image weiter frech und frisch aufpolieren müssen. Aber für uns ist klar: Wer wirklich etwas verändern will, der kann nicht nur Fragen stellen, der muss Antworten geben, konkrete Pläne vorlegen und die Finanzierung klären. Die Piraten haben ja viele verschiedene Themen angegangen, ich bin gespannt auf die Unterfütterung. Sie sind gegen CCS, aber bisher nicht gegen Braunkohle. Für mich als Grüne passt das nicht zusammen. Auch die alleinige Fokussierung auf Transparenz reicht für uns Grüne nicht . Denn Transparenz allein löst keine Probleme. Verantwortung, Grundwerte und politische Ideen gehören dazu, um eine politisches Mandat mit Leben zu füllen.

Die Fragen stellte Alexander Fröhlich.

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