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Brandenburg: Angst vor dem Comeback

Am Dienstag entscheiden die EU-Staaten über die Zulassung einer neuen Genmais-Sorte. Auch in Brandenburg könnten bald wieder erste Pflanzen wachsen, warnen die Grünen

Von Matthias Matern

Potsdam - Eigentlich galt das Thema bereist als abgehakt, doch nun hat es sich von hinten wieder angeschlichen: Schon im kommenden Frühjahr könnten auf Brandenburgs Feldern wieder die ersten Genmais-Pflanzen wachsen, warnt zumindest die brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock. Schuld daran wären in diesem Fall auch ihre brandenburgischen Kollegen von CDU und SPD in Berlin. Statt SPD-Chef Sigmar Gabriel zu folgen, der sich unlängst gegen eine EU-Genehmigung der neuen Genmais-Sorte 1507 des Dupont-Konzerns ausgesprochen habe, hätten zum Beispiel auch Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Ulrich Freese und Stefan Zierke vergangene Woche im Bundestag einen entsprechenden Antrag der Grünen und damit ein klares Nein der Bundesregierung zur Zulassung abgelehnt. „Die Brandenburger CDU- und SPD-Abgeordneten senden ein verheerendes Signal in den ländlichen Raum. Eine Zulassung des Gentech-Maises schadet Landwirten, Imkern und unserer Ernährungswirtschaft“, findet Baerbock.

Am kommenden Dienstag sollen die EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel über die Anbauzulassung für die Maissorte 1507 entscheiden. Falls sie sich nicht einigen, muss der Anbau genehmigt werden. Weil sich aber SPD und Union beim Thema Genmais bislang nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten, wird sich die neue Bundesregierung bei der Abstimmung enthalten. Aber auch insgesamt geht das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht von einer endeutigen Mehrheit für oder gegen die Zulassung aus. Einer Zulassung stünde somit also nichts mehr im Weg. „Die übergroße Mehrheit der Menschen will keine Gentechnik auf dem Teller oder dem Acker“, ist sich Baerbock aber sicher.

Tatsächlich ist es rund fünf Jahre her, dass die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nach zahlreichen Protesten und Demonstrationen den Anbau der Genmaissorte Mon810 der Firma Monsanto in Deutschland verbieten ließ. Ihrer Maissorte hatten die Monsanto-Wissenschaftler ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis eingebaut, damit sie resistenter gegen den Befall mit dem sogenannten Maiszünsler, einem Schmetterling, wird. Gegner der sogenannten grünen Gentechnik allerdings warnten vor unkontrollierbaren Folgen durch den Pollenflug aus Genmais-Feldern. Imker fürchteten, ihr Honig könnte zum Ladenhüter werden, sollten sich in ihm Spuren gentechnisch veränderter Pflanzen wiederfinden.

Baerbock zufolge ist die Gefahr, die von der neuen Genmais-Sorte aus dem Hause Dupont ausgeht, noch weitaus größer als die der Monsanto-Sorte. Der neue Gentech-Mais sei um ein Vielfaches giftiger als sein Vorgänger Mon810, glaubt die Grünen-Bundestagsabgeordnete. 1507 produziere nicht nur selbst ein Insektengift wie Mon810, sondern vertrage auch noch die Behandlung mit dem gefährlichen Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat. „Wie gefährlich der Genmais 1507 für Umwelt und Gesundheit ist, wurde nicht gründlich genug untersucht.“ Bei Dupont beruft man sich dagegen auf Untersuchungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). „Erst vor wenigen Tagen hat die Efsa eine positive Stellungnahme abgegeben: kein Risiko für Mensch, Tier oder Umwelt auszumachen. Das ist Fakt“, sagt Dupont-Sprecher Heinz Degenhardt.

Im brandenburgischen Verbraucherschutzministerium allerdings gibt man nicht viel auf die Bewertungen der Efsa. „Die Zulassungspraxis der Efsa ist auf dem Stand der Mitte des vergangenen Jahrhunderts“, findet Peter Rudolf, Gentechnik- und Biotechnologieexperte im Ministerium. Nicht die gesamte neue Pflanze mit ihren beiden Eigenschaften werde dort getestet, sondern ledigliche alte Ergebnisse für die jeweiligen Einzeleigenschaften herangezogen und als Grundlage für die Bewertung genutzt, schildert Rudolf.

Davon, dass 1507 in naher Zukunft auch auf Brandenburgs Feldern wächst, ist aber ohnehin nicht auszugehen. Erstens will sich Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach eigenem Bekunden für eine Ausstiegsklausel starkmachen, bei der die Regionen selbst entscheiden dürfen, ob sie den Anbau zulassen – und in Brandenburg ist seit 2011 per Landtagsbeschluss der Anbau auf landeseigenen Flächen verboten. Zweitens ist selbst beim Landesbauernverband, der sonst als äußerst aufgeschlossen gegenüber agrarindustriellen Methoden gilt, offensichtlich Ernüchterung beim Thema Genmais eingekehrt. Während der Verband früher vor allem vor möglichen Entschädigungsklagen anderer Landwirte und anderen offenen Rechtsfragen gewarnt hatte, trägt man sich jetzt offentsichtlich auch mit anderen Bedenken.

„Die Debatte um Mon810 hat uns gezeigt, dass in der Gesellschaft dafür eigentlich kein Verständnis vorhanden ist“, sagt Karsten Lorenz, Referent für Acker- und Pflanzenbau und Sprecher für den ökologischen Anbau im Verband. Interessant werde es vielleicht, wenn Pflanzen entwickelt würden, die gewisse Trockenresistenzen zeigen oder deutlich mehr Ertrag bringen, aber dies sei bislang nicht der Fall. „Den Maiszünsler, gegen den auch schon Mon810 resistent sein sollte, haben wir bei uns gar nicht in dem Maße“, so Lorenz.

Die von Baerbock unter anderem gescholtene SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein hält das Thema grüne Gentechnik ohnehin in der Öffentlichkeit für zu sehr auf den Bereich Lebensmittel verengt. „Es geht ja zum Beispiel auch um die Rohstoffgewinnung, etwa Stärke für die Industrie.“ Mit der rigorosen Ablehnung habe man zuletzt nur dafür gesorgt, dass sich die Forschung zu dem Thema fast gänzlich aus Deutschland verabschiedet habe, kritisiert Wicklein. Allerdings werde die grüne Gentechnik in ihrer Fraktion durchaus kontrovers diskutiert. Letztlich aber habe es die Koalition „nicht für notwendig gehalten, sich in das laufende Verfahren auf EU-Ebene“ einzumischen, so die SPD-Abgeordnete. „Der Antrag der Grünen war uns einfach zu destruktiv.“

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