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Hauptsache Innenstadt: Die Randbezirke wurden nicht mitgenommen.

© Foto: IMAGO/Emmanuele Contini

Zu viel Kreuzberg, zu wenig Marzahn: Warum der Volksentscheid zum Scheitern verdammt war

Den Machern von „Berlin klimaneutral 2030“ ist es nicht gelungen, über ihre Klientel hinaus Mehrheiten zu schaffen. Für einen effizienten Klimaschutz sind diese allerdings unabdingbar.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Berlin ist gespalten – das zeigt nicht nur das Ergebnis des Volksentscheids, sondern auch die daraus resultierende Debatte, wie dieses Ergebnis nun eigentlich zu deuten ist. Während eine Sprecherin der Initiative mit Verweis auf die „Ja“-Stimmen von einem Erfolg spricht und erklärt, dass es in Berlin eine „Mehrheit für schnelles Klimahandeln“ gebe, feiern andere mit Pauken und Trompeten bereits den endgültigen Untergang der Klimabewegung. Beides wirkt relativ absurd.

Beginnen wir mit dem offensichtlichen Quatsch: Wenn Politiker, Journalisten oder Twitter-User dieser Tage von „Klima-Kreuzrittern“, „Prinzessinnen der Apokalypse“ oder dem Ende „des Ökodiktats“ schreiben, haben sie, mit Verlaub, den Schuss nicht gehört. Klimaschutz ist keine absurde Idee realitätsferner Fanatiker, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Notwendigkeit, die auch nach dem Scheitern des Volksentscheids bestehen bleibt – ohne Wenn und Aber. Das kann man klar festhalten.

Was man aber genauso klar feststellen muss, ist, dass der Volksentscheid trotz gebotener Dringlichkeit nicht erfolgreich war – weder in der Umsetzung noch im Ergebnis. Zwei Drittel der Wähler:innen haben nicht abgestimmt, mehr als 400.000 sich sogar die Mühe gemacht, an einem Sonntag ins Wahllokal zu spazieren, um mit „Nein“ zu votieren. Vor allem in den Außenbezirken war die Ablehnung von „Berlin klimaneutral 2030“ enorm.

Warum?

Das Hauptproblem des Volksentscheids lag vermutlich in dem unzureichenden Gesetzentwurf. Die Initiative wollte die Politik dazu bringen, Berlin 15 Jahre früher als geplant klimaneutral zu gestalten, wusste aber a), dass dieser Plan in der Praxis kaum realisierbar ist, und hatte b) entsprechend auch keine konkreten Vorschläge, wie das Ganze gelingen oder finanziert werden soll. Eine Kombination, die dazu führte, dass der Volksentscheid zunehmend zu einer moralischen Symbolabstimmung wurde und seinen eigentlichen Sinn – den Beschluss eines konkreten Gesetzes – schon im Laufe der Kampagne verfehlte.

Womit wir beim zweiten Punkt wären: Wen erreicht man mit einer solchen „Moralkeule“? Die eigene Zielgruppe, die sowieso schon um die Notwendigkeit des schnellen Klimaschutzes weiß? Sicherlich. Den schlecht angebundenen Autobesitzer, der sich um seinen Anschluss und die nächste sanierungsbedingte Mieterhöhung sorgt? Vermutlich nicht.

Noch weniger, wenn man ihm das Gefühl vermittelt, dass man selbst überlegen – und er in erster Linie zu ignorant, dumm und SUV-verliebt ist, um zu verstehen, worum es hier eigentlich geht. Das große (wenn auch an dieser Stelle nicht ganz so konkrete) Ganze!

Die Ergebnisse des Volksentscheids zeigen, dass es den Initiatoren nicht gelungen ist, über die eigene Klientel hinaus breite Bevölkerungsschichten von ihrem Anliegen zu überzeugen. Oder anders gesagt: In der Kampagne steckte zu viel Kreuzberg und zu wenig Marzahn. Eine gesamtgesellschaftliche Bewegung, die nicht weniger als die Welt retten will und muss, braucht aber zwingend beides.

Was vom Volksentscheid bleiben wird, ist also mindestens ein klarer Arbeitsauftrag an den künftigen Senat: Es wird nicht nur darum gehen müssen, Klimaschutz zu priorisieren, sondern auch darum, die schon bei der Abgeordnetenhauswahl gespaltene Stadt in diesem Thema zu einen und daraus ein Gesamtberliner Projekt zu machen.

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