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Seit dem 8. März sind die Gartencenter und Blumenläden wieder offen - werden die Lockerungen zurückgenommen, müssen sie wieder schließen.

© imago/Emmanuele Contini

Wenn die Inzidenz auf 100 steigt: So wollen Berlin und Brandenburg mit der Corona-„Notbremse“ umgehen

Liegt die Inzidenz drei Tag auf 100 und darüber, sollen Lockerungen zurückgenommen werden. Berlin steht bei fast 95, Kreise in Brandenburg liegen schon darüber.

Angesichts steigender Corona-Zahlen könnten seit kurzem geltende Lockerungen in Berlin bald wieder in Frage stehen. Denn Bund und Länder hatten am 3. März eine Art Notbremse für den Fall vereinbart, dass die Sieben-Tage-Inzidenz den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche stabil überschreitet. Nun ist es womöglich bald soweit: Am Mittwoch kletterte der Wert in Berlin auf 94,8.

Bund und Länder hatten am 3. März vereinbart: „Steigt die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft (Notbremse).“

Einen Automatismus werde es bei diesen Fragen indes nicht geben, teilte die Gesundheitsverwaltung am Mittwoch auf Anfrage mit. Über Änderungen der Corona-Strategie befinde immer der Senat.

Dieser will sich voraussichtlich am Freitag oder am Wochenende zu einer Sondersitzung zusammenschalten; noch ist kein Termin bestätigt. Offen ist auch, ob vor der nächsten Schalte der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Montag Entscheidungen fallen.

Berlin hat weitere Lockerungen bereits abgesagt

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen, bundesweit einheitlich vorzugehen. „Es gibt gute Gründe dafür, dass wir uns an der 100 orientieren. Das ist ein guter und nachvollziehbarer Richtwert“, sagte er am Dienstag.

Berlin verzeichnete am Mittwoch laut Gesundheitsverwaltung 94,8 Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche, nach 91,3 am Dienstag und 75,1 am Montag. Vor einer Woche hatte diese sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 57,9 gelegen. Am niedrigsten war sie 2021 bisher am 17. Februar, mit 53,7.

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Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hatte der Senat am Dienstag zunächst entschieden, weitere Lockerungen zu verschieben. Sollte bei konstanten Werten über 100 eine „Notbremse“ zum Tragen kommen, könnte sie neben Kitas und Schulen auch andere Bereiche betreffen, in denen es in den vergangenen Tagen und Wochen nach monatelangem Lockdown vorsichtige Öffnungen gab.

Es handelt sich etwa um die Regeln für private Zusammenkünfte, die im Lockdown nur mit einer haushaltsfremden Person möglich waren und seit 4. März wieder mit fünf Personen aus zwei Haushalten - jeweils plus Kinder unter 14 Jahren.

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Betreffen könnte das auch zwischenzeitlich geöffnete Einzelhändler, Museen, Galerien, Zoos und Gedenkstätten sowie den Sport im Freien, der seit zwei Wochen mit bis zu fünf Erwachsen aus zwei Haushalten oder bis zu 20 Kindern erlaubt ist.

Die schrittweise Öffnung der Schulen für den sogenannten Wechselunterricht begann am 22. Februar für Schüler der Klassen 1 bis 3. Am 9. März folgen die Klassen 4 bis 6 und am Mittwoch nun die Klassen 10 bis 12. Die Schüler werden in kleineren Lerngruppen abwechselnd in der Schule und mit Hilfe digitaler Lösungen zu Hause unterrichtet.

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Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte ab einer Inzidenz von 100 eine Rückkehr zum Distanzunterricht an Berlins Schulen. „Der Stufenplan von Bund und Ländern, der ab einer Inzidenz von 100 eine Notbremse vorsieht, sollte ernstgenommen werden“, sagte GEW-Sprecher Markus Hanisch der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf Gesundheitsrisiken für Lehrer und Schüler.

Woidke droht Landkreisen mit Intervention bei hoher Inzidenz

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat unterdessen den Landkreisen, die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 keine Corona-Notbremse ziehen, mit einem Eingreifen gedroht.

„Ich erwarte, dass die Landräte ihre Verantwortung wahrnehmen“, sagte Woidke am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. „Wenn es nicht passiert, dann wird das Land handeln.“ Dann werde das Gesundheitsministerium die notwendigen Maßnahmen anordnen.

„Brandenburg geht keinen Sonderweg“, betonte Woidke. Er verteidigte das Fehlen einer automatischen Notbremse für Lockerungen bei einer landesweiten Inzidenz über 100 gegen Kritik. Vier Kreise und die Stadt Cottbus hatten am Mittwoch einen Wert der Neuinfektionen über dieser Marke.

Bund und Länder haben eine Notbremse beschlossen, wenn die Inzidenz über 100 steigt - landesweit oder regional. Brandenburg hat die landesweite Bremse nicht in die Verordnung geschrieben und dafür rechtliche Gründe angeführt.

Woidke sieht seine Regierung zu Unrecht in der Kritik. „Das Land wird Maßnahmen ergreifen, sobald wir in die Nähe landesweiter Durchschnittswert 100 kommen“, sagte er, riet aber zu Differenzierung, wenn es nur um lokale Hotspots gehe.

Der Regierungschef reagierte stellenweise verärgert. Als Moderator Till Nassif ihn unterbrach, sagte er einmal: „Moment, Moment“, redete weiter und beendete seinen Satz. Die Notbremse könnte bald akut werden: Der Inzidenzwert von Brandenburg lag am Mittwoch bei 89.

In der Verordnung des Landes ist eine regionale Notbremse verankert. Kreise und kreisfreie Städte sollen - nicht müssen - bei einem Wert über 100 zusätzliche Schutzmaßnahmen ergreifen. Ab 200 müssen sie die jüngsten Lockerungen zurücknehmen. Der Landkreis Elbe-Elster verzichtet bisher auf neue Maßnahmen. Dort lag die Inzidenz am Mittwoch bei 198.

Der Kreis Oberhavel hat eine Inzidenz von 132 - plant aber keine Einschränkungen

Landrat Christian Heinrich-Jaschinski (CDU) begründete seine Haltung in der ARD mit der Kontaktverfolgung. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass die Treiber der Virusübertragungen in privaten Feiern und im Arbeitsumfeld zu finden seien.

Auch der Kreis Oberspreewald-Lausitz liegt über 150, kündigte aber inzwischen wie Cottbus mehr Kontrollen auf Einhaltung der Corona-Regeln an. Der Kreis Oberhavel mit 132 plant keine eigenen Einschränkungen.

Das Impfen in Brandenburg sollte nach einem holprigen Start nun eigentlich Fahrt aufnehmen. Woidke hatte die Impfstrategie von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) mehrfach kritisiert. Nun wird im Koordinierungszentrum Krisenmanagement im CDU-geführten Innenministerium ein Impflogistik-Stab aufgebaut.

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Woidke verteidigte den neuen Stab. „Wir lassen nicht Ursula Nonnemacher allein im Regen stehen und schimpfen ständig, dass das Impfen nicht vorangeht, sondern wir überlegen gemeinsam, wie wir besser vorankommen“, sagte Woidke in der RBB-Sendung „Brandenburg Aktuell“ am Dienstagabend. Es gehe darum, dass Entscheidungen schneller getroffen würden und das Impfen mehr Geschwindigkeit aufnehme.

Der oppositionelle Linksfraktionschef Sebastian Walter sieht keine Verbesserung. „Aus dem Brandenburger Impfkabinett wird jetzt anscheinend das Brandenburger Impfkabarett“, sagte Walter dem RBB. „Es muss endlich Schluss sein mit dem Verantwortung-Pingpong unter Dietmar Woidke.

Brandenburg stoppt 22.500 Astrazeneca-Impftermine

Es ist die erste Pflicht jetzt, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen beim Thema Impfen.“ CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann stellte sich hinter die Entscheidung. „Wir haben erkannt, wir müssen hier schneller agieren“, sagte er am Mittwoch im RBB-Inforadio. „Dafür ist, glaube ich, so ein Krisenstab genau das richtige Instrument.“

Brandenburg stoppte rund 22.500 Impftermine mit dem Präparat von Astrazeneca. Zuvor hatte die Bundesregierung den Einsatz des Impfstoffes nach Meldungen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen ausgesetzt.

Trotz des Einsatzes einer Beratungsfirma im Januar und Februar lag Brandenburg beim Anteil der Erstimpfungen der Bevölkerung zwischenzeitlich auf dem letzten Platz. Inzwischen ist das Land mit einem Anteil von 7,7 Prozent auf dem vorletzten Rang, wie aus Zahlen des Robert Koch-Instituts vom Mittwoch hervorgeht. Beim Anteil der Zweitimpfungen liegt Brandenburg mit Sachsen-Anhalt aber hinten.

Seit Mittwoch können sich auch Mitarbeiter von Kinder-, Jugendheimen und Internaten impfen lassen - neben über 70-Jährigen, Pflegebewohnern, Medizin- und Pflegepersonal, Grundschullehrern, Kita-Erziehern und Menschen mit schweren Erkrankungen. Es gibt immer mehr Corona-Teststellen: In Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf öffneten sieben Testzentren.

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