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Brief an Zöllner: Brennpunktschulen befürchten, abgehängt zu werden

80 Lehrer wehren sich in einem Brief an Senator Zöllner gegen geplante Veröffentlichung von Vergleichstests und Schwänzerquoten.

Die gewerkschaftsnahe „Initiative Grundschulen im sozialen Brennpunkt“ wehrt sich vehement gegen zentrale Elemente des Qualitätspaketes von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Die von ihm geforderte Transparenz durch Veröffentlichung von Leistungsdaten könne für Brennpunktschulen „äußerst bedrohlich“ sein, weil noch mehr Eltern als bisher ihnen den Rücken kehren würden, fürchtet die Initiative und hat sich daher mit einem offenen Brief an den Senator gewandt.

Schon jetzt sei es so, dass es eine „Abstimmung mit den Füßen“ gebe, heißt es in dem Schreiben, das mehr als 80 Lehrer von rund 20 Schulen verfasst haben. Dieses Phänomen werde sich noch verstärken, wenn die Ergebnisse von Vergleichsarbeiten veröffentlicht und für ein Ranking genutzt würden. Um zu veranschaulichen, wie stark Eltern schon jetzt gegen Brennpunktschulen entscheiden, hat die Initiative die Anmeldezahlen an Grundschulen in Schöneberg Nord aufgelistet. Aus ihnen geht hervor, dass die Familien aus Schulen „flüchten“, die einen hohen Anteil an sozial benachteiligten Kindern haben: Bis zu zwei Drittel der potenziellen Erstklässler, die im Einzugsgebiet wohnen, werden von ihren Eltern an anderen Schulen angemeldet, wenn die eigentlich zuständige Schule überwiegend Kinder aus „Armutsverhältnissen“ hat.

Dieses Fluchtverhalten werde sich massiv verstärken, wenn die Eltern Zugriff auf die Leistungsdaten der Schule bekämen, befürchtet Jürgen Schulte, der die Initiative koordiniert und als GEW-Vertreter im Vorstand des Gesamtpersonalrates sitzt. Denn es mache einen großen Unterschied, ob Eltern sich nur durch „Spielplatzgespräche“ über Schulen informierten, oder ob sie die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten bekämen. Vielen Eltern sei aber nicht klar, wie diese Ergebnisse zustande kommen, wie stark sie auch von Zufällen abhingen, warnt Schulte. Brennpunktschulen würden „zur Erfolglosigkeit verurteilt“, wenn ihnen durch dubiose Rankinglisten noch mehr bildungsbewusste Familien verloren gingen.

Die Initiative will auch verhindern, dass die Schwänzerquoten veröffentlicht werden. Die unentschuldigten Fehlzeiten von Schülern sagten nämlich weniger über die Qualität der Schule und die Bemühungen der Lehrer aus als über die sozialen Rahmenbedingungen. Wenn es eine engagierte Brennpunktschule schaffe, die Schwänzerquote zu halbieren, sei das unter Umständen eine größere Leistung, als wenn eine Schule im bürgerlichen Umfeld überhaupt keine Schwänzer habe.

Auf Unverständnis stößt bei den Pädagogen in Problemkiezen auch, dass Zöllner Schulen mit hohem Unterrichtsausfall untersagen will, einen Teil ihrer Vertretungsgelder für kulturelle, sportliche oder etwa Theaterprojekte auszugeben.

Zöllner hatte sein Qualitätspaket im November vorgestellt. Es besteht aus rund zwei Dutzend Einzelvorschlägen, um mit Hilfe von Transparenz, Anreizen und Kontrolle Verbesserungsprozesse anzuschieben. In den Schulen hingegen überwiegt die Meinung, ihnen fehle nicht Transparenz sondern Personal. Am Freitag sagte Zöllner im Hinblick auf den Brief der Brennpunktinitiative, er nehme „jede Anregung ernst und werde sie gewissenhaft überprüfen". Zu dem angesprochenen Punkt der Veröffentlichung von Leistungsdaten werde die Bildungsverwaltung eine öffentliche Veranstaltung organisieren, „auf der anhand eines konkreten Beispiels die Darstellung der Veröffentlichung diskutiert werden kann".

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