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Der Karpfen ist der nachhaltigste Zuchtfisch, den man in Deutschland essen kann.

© picture alliance / dpa

Schlechte Zeiten für die Karpfenzüchter: Brandenburgs Teichwirte kämpfen ums Überleben

Klimawandel, Kormorane, Reiher: Karpfenzüchter in Brandenburg verlieren immer mehr Tiere. Sie fordern konkrete Hilfen vonseiten der Politik.

Still liegt der Große Maasdorfer Teich in der Morgensonne, nur der Wind kräuselt ein wenig die Wellen. Doch als Toni Richter ans Ufer des in der Nähe von Bad Liebenwerda im Landkreis Elbe-Elster gelegenen Gewässers tritt, kommt Bewegung auf. Zwei Vögel verlassen fluchtartig die Wasseroberfläche. „Kormorane“, sagt Richter.

Zusammen mit seinem Vater hatte Richter im Frühjahr junge Karpfen in den Großen Maasdorfer Teich gesetzt. Am kommenden Samstag soll das Gewässer abgefischt werden. Wie viele Fische er dann wiedersieht, ist unklar. „Da füttert man die jungen Fische und dann fliegen sie mit den Vögeln weg.“

Denn die Teichwirte in Brandenburg kämpfen mit Kormoranen, Fischottern sowie Grau- und Silberreihern. Alle haben es auf ihre Karpfen abgesehen. „Früher waren 50 bis 65 Prozent der Normalverlust bei einjährigen Karpfen“, sagt Richter. „Heute kann es passieren, dass von den im Frühjahr ausgesetzten Tieren im Herbst nur noch drei bis fünf Prozent vorhanden sind.“

Vorsichtig biegt der Teichwirt ein paar Äste beiseite, zeigt in das Schilf an der Uferböschung. Im Wasser steigen einige Blasen auf. „Dort stehen jetzt die Karpfen“, sagt Richter. „Eigentlich müssten die Fische jetzt mitten im Teich sein, dort gründeln und Nahrung aufnehmen – aber wegen der Vögel trauen sie sich nicht mehr auf die offene Wasserfläche.“

Heiße Sommer verkleinern die Wasserfläche

Dazu kommt ein verhältnismäßig neues Problem: Der Wasserverlust der Teiche. Die heißen Sommer verkleinern die Wasserfläche der Gewässer. Bäche und Gräben, die frisches Wasser in die Teichwirtschaften bringen, trocknen aus. „Für die Vögel ist es dadurch noch einfacher geworden“, sagt Richter.

An einem Teich und den Fischen darin hängt ja ein ganzes Jahr Arbeit.

Toni Richter, Teichwirt

„Die Reiher kommen so viel leichter an die Fische heran.“ Ein paar Kilometer vom Großen Maasdorfer Teich entfernt zeigt Richter auf ein trockengefallenes Gewässer. Es kommt aus einem nahegelegenen Höhenzug. Als 14-Jähriger habe er hier die letzte Bachforelle gefangen, sagt der Teichwirt. Heute macht Richter den Klimawandel, aber auch die Tiefbrunnen eines Wasserwerks und eines örtlichen Getränkeherstellers dafür verantwortlich, dass weniger Wasser an der Oberfläche ankommt.

„2018, als es so heiß war, war ein schlimmes Jahr“, sagt Richter. „Das geht auch auf die Psyche, wenn man ständig grübelt, ob noch genug Sauerstoff im Wasser ist – denn an einem Teich und den Fischen darin hängt ja ein ganzes Jahr Arbeit.“

Für die Teichwirte in der Lausitz hat das Folgen. An einem benachbarten Gewässer stehen Hans-Jürgen Kluth und sein Sohn mit Wathosen im Wasser. Sie reinigen den Abfluss eines Teichs von Wasserpflanzen und Algen. Kluth will eigentlich in Rente gehen, wartet auf seinen Rentenbescheid.

Ein wichtiger Lebensraum für bedrohte Arten

Der Sohn ist ausgebildeter Teichwirt, arbeitet heute aber bei der Deutschen Bahn. „Ich bin mittlerweile der jüngste Teichwirt hier in der Region“, sagt Richter. Vom Brandenburger Landesamt für Umwelt hat er einige Teiche gepachtet, die früher Familie Kluth bewirtschaftet hat. „Als Teichwirte haben wir ja auch eine Verantwortung für unsere Kulturlandschaft.“

Denn die Fischteiche der Lausitz sind auch Heimat der Rotbauchunke und des Kammmolches, von Eisvogel und Schwirl. Würde es dort keine Karpfen mehr geben, die mit ihrem steten Gründeln Sedimente aufwirbeln und das Schilfwachstum eindämmen, würden die Gewässer verlanden. Der Lebensraum für die bedrohten Arten würde wegfallen.

Die Bundesländer zahlen den Teichwirten deswegen Fördergelder. „In Brandenburg sind es etwa 150 Euro pro Hektar Teichfläche“, sagt Richter. Sein Nachbar Hans-Jürgen Kluth bewirtschaftet viele Teiche bereits auf sächsischem Gebiet. Dort werden 350 Euro pro Hektar fällig.

Doch am Wichtigsten sind noch immer die Einnahmen aus dem Fischverkauf: Auch wenn der Großteil der Lausitzer Karpfen an Großabnehmer geht, haben Richters Eltern in der Teichwirtschaft Thalberg zusätzlich einen Hofladen eingerichtet. „Aber die Umsätze gehen in der Krise um 30 bis 40 Prozent zurück“, sagt Richter.

„Die Leute halten ihr Geld zurück.“ Die Teichwirte müssen kreativ werden, um unter solchen Bedingungen überleben zu können. An mehreren Fischteichen in der Teichwirtschaft Thalberg ist mittlerweile das Angeln ohne Fischereischein möglich.

Wünsche an die Politik

Was die Politik machen kann, um die Teichwirte zu unterstützen? Toni Richter wünscht sich, wie in Sachsen, eine Möglichkeit, auch Reiher zu schießen. Auch der Geschäftsführer des Landesfischereiverbands, Lars Dettmann, sieht das so. „Wir müssen uns davon lösen, den Kormoran und den Silberreiher weiter zu schützen“, sagt Dettmann.

„Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir Jagd auf Wildschweine machen, um die Afrikanische Schweinepest zu stoppen, und mit der wir Schalenwild im Wald abschießen, um den Waldumbau zu fördern, müssen wir auch die Teichwirte vor den Vögeln schützen.“

Dettmann wünscht sich dabei auch eine Zusammenarbeit mit Naturschützern. „Der Karpfen ist der mit Abstand am nachhaltigsten erzeugte Speisefisch“, sagt Dettmann. Die Teichwirte trügen mit ihrer Arbeit zum Erhalt bedrohter Lebensräume und FFH-Gebiete bei. „Was früher die Auenlandschaften entlang der Elbe waren, sind heute die Teichwirtschaften.“

Würden die Teichwirte aufgeben, würde ein wichtiger Teil der Kulturlandschaft verloren gehen. „Man kriegt nicht jeden Fisch durch, das war schon immer so“, sagt Toni Richter. „Aber wir müssen so viele Karpfen durchbringen, dass wir am Ende davon leben können.“

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