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Das Gebäude des Landeskriminalamtes in Berlin.

© dpa/Paul Zinken

Porsche 911 Cabriolet als Dienstwagen: Untreue-Anklage gegen Berliner LKA-Beamten

Als Logistikchef für konspirative Wohnungen und Technik für verdeckte Ermittler soll Clemens K. beim LKA 72.000 Euro veruntreut haben.

Für die Berliner Polizei war es ein Gau: Ein verdeckter Ermittler hatte jahrelang in die Kasse für geheime Maßnahmen gegriffen, nutzte einen beschlagnahmten Porsche 911 Carrera Cabriolet – doch die Chefetage des Landeskriminalamtes (LKA) hatte jahrelang nichts mitbekommen.

Als Leiter des Kommissariats 653 organisierte er die Logistik für verdeckte Ermittler, V-Leute, den Zeugenschutz, besorgte Handys, Autos, Technik und konspirative Wohnungen, kannte die ganzen geheimen Adresslisten. Alles, was unter einer Legende laufen muss. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Clemens K. erhoben, dem suspendierten Beamten wird Untreue vorgeworfen.

Obwohl es mehrfach Hinweise gab, dass sich K. in der Logistik-Kasse bedient haben soll, passierte im LKA lange nichts. Als 2021 der Porsche aus dem Polizeibestand, den sich der heute 60-Jährige als Dienstwagen hielt, nicht mehr aufzufinden war, wurden die Vorgesetzten misstrauisch. Angeblich stand der Porsche irgendwo in Brandenburg. Polizeiintern hieß es, K. soll den Porsche wegen Spielschulden als Pfand eingesetzt haben, der tauchte dann wieder auf. Ende 2021 wurden Ermittlungen eingeleitet.

Ursprünglich war der von K. verursachte Schaden auf mindestens 150.000 Euro taxiert worden, sogar 200.000 Euro standen in Rede. Doch das bezog sich auf die über Jahre laufenden Machenschaften. Weil ein Teil der Taten bereits verjährt ist, geht die Staatsanwaltschaft von einer veruntreuten Summe von 72.000 Euro aus. Zudem soll er einen Motorroller unterschlagen haben.

Alle Taten vor 2017 kann die Staatsanwaltschaft wegen Verjährung nicht mehr zur Anklage bringen. Vor dem Amtsgericht Tiergarten soll es um Taten von September 2017 bis Dezember 2021 gehen. K. soll „aufgrund des ihm entgegengebrachten Vertrauens Möglichkeiten gefunden haben, Lücken in den polizeiinternen Kontrollmechanismen zu finden und diese gezielt auszunutzen“, erklärte die Staatsanwaltschaft.

So soll ihm aus der Kasse für verdeckte Maßnahmen regelmäßig Geld in bar ausgehändigt worden sein – zwischen 271,02 Euro etwa für einen Reifenwechsel und 13.500 Euro für die Einrichtung einer legendierten Wohnung. Aber auch Geld für Autoreparaturen, den vorgetäuschten Ankauf eines Rollers oder den Einbau von Standheizungen in legendierte Autos. Einiges Geld soll nach Tagesspiegel-Informationen auch in den Porsche geflossen sei, etwa 8500 Euro für ein neues Cabrio-Verdeck für den Porsche. Zudem soll K. einen Dienstroller, der ihm überlassen worden war, für sich behalten haben.

Das Motiv des Mannes – Soldstufe A13 mit einem Grundgehalt von 4300 bis 5600 Euro – ist noch unklar.  K. war Kommissariatsleiter, gut versorgt, er hatte es nicht mehr lange bis zur Pension, die Zeitschrift „Deutsche Polizei“ der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gratulierte ihm 2019 zum 40. Jubiläum. Er sollte Kommissariatsleiter beim Personenschutz werden, doch dann kamen die Ermittlungen dazwischen.

War die LKA-Führung für die Kontrolle zuständig?

Möglich sein könnten finanzielle Probleme wegen einer Glücksspielsucht. Nach offizieller Version waren die Taten dank polizeiinterner Kontrollmechanismen entdeckt worden. Für die Verteidigung von K. könnte es vor Gericht aber auch darum gehen, ob die Kontrollen zunächst zu lasch waren. In internen Runden bei der Polizei war jedenfalls die Rede davon, dass die Führung des LKA selbst für die Kontrollen verantwortlich und „zeichnungspflichtig“ bei Ausgaben für verdeckte Maßnahmen gewesen sein soll. Namentlich wurde auch LKA-Chef Christian Steiof genannt.

Bei den Ermittlungen kam nach Tagesspiegel-Informationen jedenfalls heraus, dass K. stets genau gewusst haben soll, wann Kontrollen bevorstanden und wann er entnommene Summen besser wieder in die Logistik-Kasse zurückgelegt. Unklar blieb, ob den Vorgesetzten des Beamten eine mögliche Spielsucht bekannt war und ob sie aus Fürsorge Hilfsangebote gemacht haben.

Für Clemens K. gab es sogar einen scharfen Sicherheitscheck

Die Polizei hält sich bei diesem Fall weitgehend bedeckt. Nachdem die mutmaßlichen Machenschaften des Logistikchefs bekannt wurden, war einiges zu tun, um alles, wovon K. wusste, zu schützen: Adressen der geheimen Wohnungen auch in anderen Bundesländern, V-Leute, Autos aus verdeckten Ermittlungen.

Alle verdeckten Einsätze liefen über das Dezernat, in dem K. arbeitete. Die Sorge bestand, dass K. erpressbar sein könnte und die „geheimsten Geheimnisse“, wie es ein Ermittler nennt, verraten könnte. Und das ausgerechnet in Berlin, Drehscheibe zwischen Ost und West, Anziehungspunkt für Gefährder und Terroristen, Hotspot der organisierten Kriminalität, hier entstand bei der zentralen Sicherheitsbehörde der Hauptstadt eine Lücke.

Fest steht: An einer für die Behörde besonders neuralgischen Stelle entstand ein gefährlicher Angriffspunkt im Sicherheitsgeflecht. Denn der Beamte unterlag verschärften Bestimmungen, derlei Bereiche und die Mitarbeiter dort werden regelmäßig überprüft, auf Sicherheit und Geheimschutz durchleuchtet – das volle Programm.

Offiziell hält sich die Polizei auch zur Frage zurück, ob durch die mutmaßliche Veruntreuung der Gelder der Schutz von Zeugen und Opfer oder der Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten beeinträchtigt war oder in Gefahr geriet. Bislang heißt es nur, die Arbeitsabläufe seien erneut analysiert und die Sicherung des Verfahrens noch einmal verstärkt worden.

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