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Drei Cannabispflanzen darf man jetzt auch daheim straflos züchten.

© dpa/Christian Charisius

Neues Cannabisgesetz: Nur wenige Fälle in Berlin kommen für Straferlass infrage

Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Tausend Cannabis-Delikte identifiziert, die nun einem Amnestiecheck unterzogen werden. Doch nur ein Bruchteil ist für den Straferlass geeignet.

Die Berliner Staatsanwaltschaft kommt schneller mit der Prüfung von Strafverfahren zum Cannabis-Gesetz voran als erwartet – hat aber mehr zu tun als bislang bekannt. Nach Angaben einer Sprecherin sind 5867 Verfahren, in denen die Strafe noch nicht vollstreckt wurde, als mögliche Fälle für die Amnestieregelung identifiziert worden. Darunter sind 3269 Hafturteile, 2497 Geldstrafen und 101 sonstige Gerichtsentscheidungen. Noch Mitte März waren es insgesamt 3500 Prüffälle.

Inzwischen sei die Prüfung für knapp 60 Prozent der Fälle abgeschlossen, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Knapp 3500 Verfahren seien überprüft worden. Dabei zeichnet sich bislang ab, dass zehn bis 15 Prozent der Fälle für den Erlass oder die Neufestsetzung der Strafe in Betracht kommen, sagte die Leiterin der Hauptabteilung Vollstreckung dem RBB. Darunter seien nur wenige, die wegen einfachen Besitzes von Cannabis verurteilt worden sind. Ein Grund: Verfahren wegen des Besitzes geringer Mengen von Cannabis zum Eigenbedarf sind ohnehin meist eingestellt worden.

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Mammutaufgabe für die Justiz?

Unterschiedliche Darstellungen gibt es zur Belastung der Justiz: Senatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) hatte mehrfach unter Berufung auf die internen Berichte der Staatsanwaltschaft an ihr Ressort gewarnt, dass das am 1. April in Kraft getretene Cannabisgesetz ein „Bürokratiemonster“ sei. Die Justiz stehe vor einer Mammutaufgabe.

Doch die Abteilungsleiterin der Staatsanwaltschaft erklärte nun, dass der Amnestiecheck der Fälle eine einmalige Angelegenheit und nur für diese Zeit eine Belastung sei. Insgesamt sei damit zu rechnen, dass die Staatsanwaltschaft entlastet werde und sich für die Ermittlungsbereiche die Arbeit reduziere.

Seit März sind Fälle auf mögliche Amnestiefolgen geprüft worden, zunächst jene, in denen es Hafturteile, Haftbefehle, Fahndungen oder Ersatzfreiheitsstrafen gab, die verhängt werden, wenn Verurteilte Geldstrafen nicht zahlen können. Allein mit all diesen Verfahren waren neun Rechtspfleger mit 860 Arbeitsstunden und neun Staatsanwälte mit 540 Arbeitsstunden befasst.

455 Fälle sind bislang als „potenziell relevant“ für die Amnestieregelung eingestuft worden. „Die Akten müssen also dem zuständigen Gericht übersandt werden, das dann den Strafausspruch entsprechend abändern muss“, sagte die Sprecherin. Jetzt sind noch rund 2500 Fälle zu prüfen, in denen zumeist eine Geldstrafe verhängt wurde. „Der Aufwand, dies alles umzusetzen, ist enorm“, erklärte die Sprecherin.

Rattenschwanz bei neuen Strafen

Auch Badenberg erklärte, dass das Cannabisgesetz der Berliner Justiz noch viel Arbeit machen werde. Die Staatsanwaltschaft werde sich auch in den nächsten Wochen damit beschäftigen, sagte sie. Es müsse geprüft werden, ob es nur um ein Drogendelikt gehe oder mehrere – und ob eine neue Strafe gebildet werden müsse.

Wenn es am Ende so sein sollte, dass in zehn bis 15 Prozent der Fälle etwa eine neue Gesamtstrafe zu bilden sei, müsse die Staatsanwaltschaft dafür einen Antrag ans Gericht stellen. „Das Gericht muss der betroffenen Person die Möglichkeit der Anhörung einräumen“, sagte die Justizsenatorin. Bei unbekannten Anschriften „müssen dann noch die Ermittlungsstellen tätig werden“. Hat der Richter eine neue Gesamtstrafe festgesetzt, müsse dieser Beschluss zugestellt werden. „So ganz einfach ist das nicht.“

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Hinzu kommt, dass Betroffene bei der Staatsanwaltschaft beantragen können, einen Eintrag im Bundeszentralregister zu löschen, wenn die Tat – wie der Besitz kleiner Cannabis-Mengen – nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wäre.

Der Arbeitsaufwand für die Staatsanwaltschaft ist auch eine Folge der mangelnden Digitalisierung. Im Datensystem der Staatsanwaltschaft sind bei Ermittlungsverfahren nur allgemein Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vermerkt und abrufbar – aber nicht, um welche Droge es in dem Strafverfahren genau ging. Deshalb müssen die dann die Verfahrensakten auf Papier eigens angefordert und dann geprüft werden.

Badenberg war mit ihrer Kritik nicht allein, auch Justizminister anderer Bundesländer hatten das neue Cannabisgesetz kritisiert. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, sprach von „mehr als 210.000 Strafakten“, die nochmals auf mögliche Straferlasse überprüft werden müssten.

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