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Das Abgeordnetenhaus in Berlin.

© Imago/Emmanuele Contini

Update

Kritik an „Ankündigungspolitik“ und „Sinnlos-Vorhaben“: Was die Opposition nach 100 Tagen Schwarz-Rot in Berlin auszusetzen hat

Nach 100 Tagen Schwarz-Rot in Berlin fällt die Zwischenbilanz der Opposition vorhersehbar negativ aus. Grüne, Linke, AfD und FDP kritisieren besonders den Regierenden.

| Update:

Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus zieht eine negative 100-Tage-Bilanz des neuen schwarz-roten Senats. Aus Sicht der Berliner Grünen hat die Regierungskoalition noch nicht viel zustande gebracht.

„Ich kann immer noch nicht erkennen, was eigentlich der Plan für Berlin sein soll. Es gibt viele, viele Versprechen, wir sind aber offenbar immer noch in der Phase der Ankündigungspolitik“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch. „Dazu gehört auch das sogenannte Sofortprogramm mit 52 Projekten: Stand heute hat Schwarz-Rot fristgemäß einen Haushalt aufgestellt, einen Queerbeauftragten ernannt und die Verkehrswende rückabgewickelt. Das war's. Das ist dünn.“

Schwarz-Rot sei mit zwei besonders großen Versprechen angetreten: „Das eine ist die funktionierende Stadt und das andere ein neues Miteinander“, so die Grünen-Fraktionschefin. „Wenn ich mir die Verkehrspolitik anschaue, die geht zu Lasten der Schwächsten, das ist das Gegenteil von einem neuen Miteinander auf den Straßen“, kritisierte Jarasch. „Bei der funktionierenden Stadt, also der Verwaltungsreform, liegen die Instrumente längst auf dem Tisch.“

Manchmal muss man sich aber entscheiden, weil Platz und Ressourcen begrenzt sind.

Bettina Jarasch, Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen

Die Grünen hätten bereits gesagt, dass sie dafür bereitstünden. „Wir regieren in der Hälfte der Bezirke - und gegen die Bezirke kann man eine Verwaltungsreform nicht machen, auch nicht gegen die Verwaltung“, sagte Jarasch.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bemühe sich sehr darum, es allen recht zu machen: „Alles für alle gleichzeitig. Manchmal muss man sich aber entscheiden, weil Platz und Ressourcen begrenzt sind“, sagte Jarasch. „Die Botschaft zu senden, alle können zufrieden sein, ist eine Fassade, die Risse bekommt, und ich prognostiziere, dass es noch mehr werden. Und ich fürchte, es geht dann auf Kosten der Schwächeren: Fußgänger, Radfahrende, Mietende, Kinder und Alte.“

Berliner FDP: „CDU und SPD setzen auf ein erschöpftes ‚Weiter-so‘“

Auch die Berliner FDP wirft dem schwarz-roten Senat nach 100 Tagen Regierungszeit große Worte ohne große Taten vor. „100 Tage Schwarz-Rot in Berlin und das Motto heißt: ‚Weiter-so‘ nur unter einer CDU-geführten Regierung“, kritisierte der FDP-Landesvorsitzende Christoph Meyer am Donnerstag. Der Senat sei für einen Politikwechsel angetreten. „Aber nüchtern muss man leider sagen: Auf große Worte folgen nicht immer große Taten.“ 

Kritik übte Meyer auch an einzelnen Senatsmitgliedern: „Ein Regierender Bürgermeister, der seine Rolle immer noch nicht gefunden hat, eine Verkehrssenatorin, die emotional gesteuerte Entscheidungen trifft, ein Finanzsenator, der komplett deplatziert wirkt.“ Hinzu komme ein Koalitionsvertrag und ein Sofort-Programm, die mit Konjunktiven gespickt seien. 

Meyer kritisierte außerdem „Wünsch-Dir-Was-Projekte“ und „Sinnlos-Vorhaben“ wie den Ankauf von Wohnungen, das Sondervermögen Klimaschutz, die Wiedereinführung des 29-Euro-Tickets oder die Rekommunalisierung der Fernwärme. „Fazit der ersten 100 Tage: CDU und SPD setzen auf ein erschöpftes ‚Weiter-so‘.“ 

Bereits die Wahl zum Regierenden Bürgermeister ein „politischer Tiefpunkt“

Zuvor hatten sich bereits Linke und AfD mit einer kritischen Bilanz an Schwarz-Rot zu Wort gemeldet. Bereits die Wahl des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) am 27. April womöglich mit Hilfe von Stimmen der AfD sei ein „politischer Tiefpunkt“ gewesen, sagte der Linke-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz der Deutschen Presse-Agentur. Weitere Tiefpunkte seien gefolgt.

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„Zu nennen ist hier insbesondere neben dem Umgang mit dem Mobilitätsgesetz und dem Stopp der Radwegeplanung, dass die Koalition bisher nicht in der Lage war, die von ihr vollmundig angekündigte Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ins Parlament einzubringen“, so Schatz. Dies werfe die Frage auf, was die Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD wirklich wert sei. „Kai Wegner gibt gern den großen Macher, kommt aber über das Machen großer Ankündigungen bisher kaum hinaus“, meinte Schatz.

AfD-Fraktionsvorsitzende attestiert etliche Fehlleistungen

Auch die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sieht etliche Fehlleistungen des neuen Senats. „Falsch läuft, dass der theoretisch CDU-geführte Senat in weiten Teilen ein rot-grünes Programm umsetzt“, sagte sie der dpa. „Innere Sicherheit und Verkehr könnten zukünftig zumindest teilweise Ausnahmen bilden, aber ich bin sehr skeptisch, ob die CDU sich hier tatsächlich gegen die SPD durchsetzt.“

Regierungschef Wegner leide am „Merkel-Syndrom“, so Brinker: „Er versucht in erster Linie, der überwiegend linken Medienlandschaft zu gefallen. Viele Berliner haben seine Partei aber gewählt, damit die rot-grünen Irrwege endlich verlassen werden. Diese Wähler lässt Wegner im Stich.“

Positive Bilanz von SPD-Fraktionschef Raed Saleh

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hingegen zieht naturgemäß eine positive 100-Tage-Bilanz von Schwarz-Rot. „Ich bin mit der bisherigen Arbeit der Koalition sehr zufrieden“, sagte er der dpa. „Der Haushaltsentwurf des Senats ist eine gute Grundlage für alles, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben. Die sozialdemokratische Handschrift ist klar erkennbar.“

Saleh verwies auch auf den vom Senat beschlossenen Gesetzentwurf für ein zunächst fünf Milliarden Euro umfassendes, kreditfinanziertes Sondervermögen für mehr Klimaschutz. „Mit dem Sondervermögen mehmen wir viel Geld in die Hand, um die Klima- und Mobilitätswende als die große Generationenaufgabe unserer Zeit zu bewältigen.“ Es handele sich zudem um das größte Konjunkturprogramm seit Jahrzehnten. „Unser erklärtes Ziel ist es, Berlin deutlich vor 2045 klimaneutral zu machen.“

BUND stellt durchwachsenes Zeugnis aus

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zog eine überschaubare Bilanz für die ersten 100 Tage. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) sei es gelungen, den Eindruck zu erwecken, die Verkehrswende stoppen zu wollen, teilte der Verein am Mittwoch mit. Ihre Ankündigung, den Radwegebau auf den Prüfstand zu stellen, habe für große Verwirrung gesorgt.

Entschlossener zeige sich laut BUND Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), die Landschaft weiter mit neuen Wohnsiedlungen zubetonieren zu wollen. Klima- und Artenschutz spielten offenbar auch bei der Novellierung der Bauordnung keine Rolle, hieß es. „Schneller Bauen soll vielmehr offenbar ohne große Rücksicht auf Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung mit einem entsprechenden Gesetz forciert werden“, kritisierte der BUND.

Positiver sehen die Umweltschützer das vom Senat beschlossene Sondervermögen für Klimaschutzmaßnahmen von zunächst fünf Milliarden Euro. Dennoch erwarte die Organisation „klare Aussagen und vor allem klare Taten, wie die großen Krisen der Gegenwart in Berlin bewältigt werden sollen“, sagte BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser. Auch die Bauwende müsse Berlin energisch angehen. „Keine weitere Versiegelung und möglichst überhaupt keine Abrisse darf es mehr geben“, sagte er. Bestehende Bauten und versiegelte Flächen sollten stattdessen besser als bisher genutzt werden.

Der von CDU und SPD gebildete Senat hatte seine Arbeit am 27. April aufgenommen. Zuvor war der CDU-Landesvorsitzende Wegner im Abgeordnetenhaus erst im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden. Obwohl die Koalitionspartner CDU und SPD dort 86 Stimmen haben, erhielt er im ersten Wahlgang in geheimer Wahl nur 71, im zweiten dann 79 Stimmen. Im dritten Anlauf kam er auf 86, doch erklärte die AfD, für ihn gestimmt zu haben.

„Ich glaube, dass die AfD lügt“, sagte Wegner anschließend im RBB dazu. Seine 86 Stimmen seien die von CDU und SPD gewesen. „Im dritten Wahlgang stand die Koalitionsmehrheit.“

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