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Tauben sitzen im Taubenhaus am Berlin Bahnhof Südkreuz.

© dpa/Sebastian Gollnow

Gute Vögel, schlechte Vögel: Berlins ewiges Problem mit den Stadttauben

Viele Menschen finden sie einfach ekelig. Andere halten Tauben für besonders intelligent und schützenswert. Schläge bauen, Eier tauschen? Der Umgang mit den Tieren ist umstritten.

Im Süden Berlins, direkt neben dem Bahnhof Südkreuz, steht seit sieben Jahren ein grau-weißes Taubenhaus. Das futuristisch aussehende Gebäude ist ein wahr gewordener Taubentraum, es gibt stets gefüllte Futtertröge, medizinische Versorgung und geschützte Schlafplätze. Ziel des Taubenhauses ist es, die Vögel aus dem Bahnhofsgebäude herauszuhalten, die Population durch den Austausch der Eier mit Plastikattrappen konstant zu halten und die Tiere zu schützen. Doch nicht alle halten die wenigen betreuten Schläge für sinnvoll. Wie der richtige Umgang mit den Tieren aussieht, ist umstritten.

Das zeigt sich an der aktuellen Diskussion um die Zukunft des Hauses, die laut der ehrenamtlichen Betreuerin Hanieh Razawi bedroht ist. „Ich versuche verzweifelt an Geld zu kommen. Wir haben nur noch bis Ende Februar Futter“, sagt die Biologin bei einem Besuch des Taubenhauses Ende Januar. Unter ihrer Daunenjacke steckt kaum sichtbar eine Taube, die sie später auf eine mögliche Verletzung untersuchen will. Um die 300 Tauben hielten sich regelmäßig im Haus auf. „Ich tausche im Jahr 1400 Eier aus“, sagt Razawi. Unterstützt wird sie bislang noch von einer Hauptamtlichen, die aber versetzt werden soll, weil ihr Unternehmen die Betreuung eingestellt hat.

Ich tausche im Jahr 1400 Eier aus.

Hanieh Razawi, Biologin und ehrenamtliche Tauben-Betreuerin

Um Fördermittel für den Schlag zu bekommen, müsste der Bezirk Tempelhof-Schöneberg einen Antrag stellen. Wie Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck der Deutschen Presse-Agentur sagte, sollte der Taubenschutz aber zentral verwaltet werden. Als weiteren Grund nennt Ellenbeck Personalmangel. Außerdem könnten Taubenschläge allein nicht die Lösung für ein „berlinweites Problem“ mit Stadttauben sein. Zudem ist Ellenbeck der Meinung, dass die zusätzliche Fütterung trotz Ei-Entnahme zu einer Erhöhung der Taubenpopulation führe.

Futuristischer Look: Das Taubenhaus am Bahnhof Südkreuz.
Futuristischer Look: Das Taubenhaus am Bahnhof Südkreuz.

© dpa/Sebastian Gollnow

Für den Bau und Erhalt von Taubenschlägen sind im Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 für alle Bezirke nach Angaben der Tierschutzbeauftragten jeweils 200.000 Euro vorgesehen. Zumindest vorerst – der Berliner Finanzsenator hat alle Senatsverwaltungen zu Einsparvorschlägen aufgefordert. Allerdings gibt es nach Angaben der Landestierschutzbeauftragten Kathrin Herrmann nur wenige Bezirke, die überhaupt Interesse zeigten. Bislang sei nur einmal Geld aus dem Topf verwendet worden, für einen laufenden Taubenschlag in Spandau.

Inzwischen habe sich eine Stiftung dazu bereit erklärt, für den Erhalt des Schlags 10.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Das sei aber nur eine Übergangslösung. Razawi zufolge braucht es im Idealfall zwei Aushilfskräfte und genug Geld für Futter, Einstreu und Medizin. Monatlich benötige es dafür rund 2700 Euro. Alleine könne sie die Betreuung neben ihrem Vollzeitjob in der Pharmaindustrie nicht stemmen. Vielen der Tauben hat sie Namen gegeben, zum Beispiel Erna, Brownie, Susi oder Wolfgang, eine besonders hübsche Taube mit schwarz-weißen Federn.

„Tauben riechen super gut, nach Basmatireis“, sagt die Biologin. Außerdem seien sie sehr intelligent. Razawi färbt die Tiere mit Lebensmittelfarbe pink ein. Sie hofft, dass das Greifvögel abschreckt. Stadttauben sind aus Sicht von Tierschützern keine Wildtiere, sondern domestizierte Vögel. Sie sind die Nachkommen entflogener oder ausgesetzter Haustauben. „Es ist ein menschengemachtes Problem“, sagte Herrmann bei einem Besuch am Taubenhaus.

Tauben riechen super gut, nach Basmatireis.

Hanieh Razawi, Biologin und ehrenamtliche Tauben-Betreuerin

Das Haus bezeichnet sie als „gut funktionierenden Schlag, den wir unbedingt behalten müssen“. Um Projekte wie das am Südkreuz zu fördern, gibt es in Berlin ein Konzept für den Umgang mit Stadttauben, das in Herrmanns Obhut liegt. Es stellt den Berliner Bezirken Geld für den Bau und den Unterhalt von Taubenschlägen zur Verfügung, auch von bereits existierenden.

Laut einem Bericht der Berliner Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft aus dem Jahr 2022 ist Fütterung in vielen Städten ein wesentlicher Treiber für die hohen Straßentaubenzahlen. In Berlin allerdings ist die Taubenpopulation dem Verein zufolge in den vergangenen 14, 15 Jahren nicht wesentlich gewachsen. Bei einer Zählung im Winter 2022 seien rund 15.400 Tiere erfasst worden. Beziehe man weitere Quellen mit ein, könne mit einem stadtweiten Bestand von 17.000 bis 19.000 Tauben ausgegangen werden. Das sei ein Zuwachs von rund sechs Prozent im Vergleich zur Zählung aus dem Jahr 2009/2010. Zuvor war die Population vor allem seit den 1990er Jahren zurückgegangen. Um eine Vergrößerung der Population zu verhindern, hilft den Experten zufolge vor allem das Abriegeln von potenziellen Nistplätzen.

Innenansicht des Taubenhauses am Südkreuz.
Innenansicht des Taubenhauses am Südkreuz.

© dpa/Sebastian Gollnow

In Berlin wird das bereits an vielen Orten gemacht, etwa an Bahnhöfen. „Ein Großteil der Tauben in Berlin kommt nicht zum Brüten, weil es an Brutplätzen fehlt“, sagt Stadtnaturexperte des Umweltverwaltung Derk Ehlert. Schon dadurch werde der Bestand reguliert. Die am Südkreuz entnommenen Eier wären seiner Argumentation nach ohne Taubenschlag gar nicht erst gelegt worden. Geschlechtsreife Tauben legen etwa alle zwei Monate ein oder mehrere Eier. Aus seiner Sicht schade die Arbeit an den betreuten Taubenhäusern aber auch nicht, sagt Ehlert.

Herrmann und Razawi möchten den Schlag in Schöneberg in jedem Falle weiterführen. Nicht zuletzt aus Tierschutzgründen. „Ich finde es schade, wie man mit ihnen umgeht“, sagt Razawi. Viele Stadttauben seien durch falsche Fütterung krank oder verletzten sich im Straßenverkehr. Durch die geregelte Pflege im Taubenhaus könne dagegen angegangen werden. Außerdem gebe es durch den betreuten Schlag deutlich weniger Taubenkot im Bahnhofsgebäude. Die Deutsche Bahn versicherte auf dpa-Anfrage, die Fläche in Zukunft weiter zur Verfügung zu stellen. (Mia Bucher/dpa)

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