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Ganz große Koalition in Berlin für Verfassungsänderung: Anklage gegen extremistische Richter wird wieder möglich

Berlin führt wieder ein, was andere Bundesländer haben – die Richteranklage. Auslöser ist die frühere AfD-Politikerin Malsack-Winkemann. Sie war bei einem Trupp von Terror-Reichsbürgern.

Der Fall der früheren AfD-Bundestagsabgeordneten und Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die zu einem Reichsbürgernetzwerk mit Umsturzplänen gehörte, hat nun konkrete Folgen. Berlin wird nun wohl die sogenannte Richteranklage einführen.

Der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses hat sich am Mittwoch auf eine Änderung der Verfassung von Berlin geeinigt. Es zeichnet sich ein gemeinsames Vorgehen der schwarz-roten Koalition mit den Oppositionsfraktionen von Grüne und Linke im Parlament ab.

„Die Richteranklage ist angesichts der zunehmenden Bedrohungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung ein starkes Signal für eine wehrhafte Demokratie und einen starken Rechtsstaat im Land Berlin“, sagte Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU). „Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten Recht sprechen.“

Die größte Gefahr gehe derzeit vom Rechtsextremismus aus, sagte Badenberg. Das „Personenpotenzial steigt stetig“, die Szene werde immer jünger. „Sie haben die Macht der Sprache erkannt und versuchen durch eine anhaltende Verbalradikalisierung, Desinformation und Propaganda ihre Themen in der Mitte der Bevölkerung zu positionieren“, sagte die Senatorin. „So entsteht ein fruchtbarer Nährboden für Hass und Hetze, an dessen Ende menschenverachtende Gewalttaten und demokratiefeindliche Anschläge stehen.“

Felor Badenberg (parteilos), Justizsenatorin von Berlin.
Felor Badenberg (parteilos), Justizsenatorin von Berlin.

© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Malsack-Winkemann soll zu einem Netzwerk in der Reichsbürger-Szene gehört haben, das Umsturzpläne verfolgt haben soll. Die Bundesanwaltschaft ließ 27 Frauen und Männer um den Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß im Dezember 2022 wegen Terrorverdachts festnehmen, darunter Malsack-Winkemann.

Die Bundesanwaltschaft wirft der Führungsriege in der Anklage vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Vor den Oberlandesgerichten in Stuttgart und München laufen weitere Verfahren.

Birgit Malsack-Winkemann war bis 2021  Bundestagsabgeordnete der AfD und kehrte dann wieder zurück ans Landgericht Berlin.
Birgit Malsack-Winkemann war bis 2021 Bundestagsabgeordnete der AfD und kehrte dann wieder zurück ans Landgericht Berlin.

© picture alliance/dpa

Die Gruppe soll geplant haben, das politische System in Deutschland zu stürzen, und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben. Malsack-Winkemann sollte Justizministerin in einer Putschregierung werden.

Richterin von der AfD war bei Terror-Reichsbürgern

Im Grundgesetz ist die Richteranklage für Bundesrichter geregelt, die Verfassungen der meisten Bundesländer sehen sie vor. Das ist nun auch für Berlin geplant. Wenn ein Richter „im Amt oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes Berlin“ verstößt, soll das Abgeordnetenhaus künftig mit Mehrheit die Richteranklage erheben können.

Das Bundesverfassungsgericht kann dann mit Zwei-Drittel-Mehr anordnen, dass ein Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand versetzt wird, bei vorsätzlichen Verstößen sie sogar entlässt.

Alexander J. Herrmann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sagte, mit der Verfassungsänderung werde eine Regelungslücke geschlossen. An den gemeinsamen Obergerichten mit Brandenburg wie dem Oberverwaltungsgericht oder dem Landessozialgericht unterstünden die Richter bereits möglichen Richteranklagen aus Brandenburg. Das führe zu einer Ungleichbehandlung mit Berliner Richtern.

Jan Lehmann (SPD) sagte, die Richteranklage sei eine ultima ratio, für die es im Abgeordnetenhaus und am Bundesverfassungsgericht Mehrheiten brauche. „Verfassungsfeinde haben auf Richterbänken nichts zu suchen“, sagte Petra Vandrey (Grüne).

Sebastian Schlüsselburg (Linke) erinnerte an den Fall Malsack-Winkemann. Er hoffe auf ein „kräftiges Signal für die wehrhafte Demokratie“. Marc Vallendar (AfD) sagte, es sei eine „Lex AfD“ zu befürchten. Vielmehr müsse die Justiz vor politischer Einflussnahme gestärkt werden.

Bislang hatte das Bundesverfassungsgericht, so die Gesetzesbegründung, nicht über eine Richteranklage zu entscheiden. Dennoch sei das Mittel nicht unwirksam, weil es Richter an ihre Verantwortung und an die Möglichkeit der Richteranklage erinnere.

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