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Der Mord an der Frau passierte schon 2016 - nun wurde ein Urteil verkündet.

© Patrick Pleul/dpa

Mord an der Rentnerin Gerda K.: Freispruch für Syrer in Cottbus

Das Landgericht Cottbus spricht einen jungen Flüchtling vom Vorwurf des Mordes frei. Der Fall hatte 2017 fremdenfeindliche Proteste ausgelöst.

Dieser Fall hatte die fremdenfeindlichen Proteste in Cottbus im Zuge der Flüchtlingskrise maßgeblich befeuert – und die Demonstrationen des Vereins „Zukunft Heimat“ mit Neonazis und AfD Zulauf verschafft. Nun ist der Mordprozess um den Tod einer Rentnerin in Cottbus zu Ende gegangen: Das Landgericht Cottbus hat den angeklagten 21jährigen Syrer am Montag nach zweieinhalb Jahren und 102 Verhandlungstagen freigesprochen.

Der Prozess lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil der Syrer zur Tatzeit 17 Jahre alt war. Die Anklage hatte ihm vorgeworfen, im Dezember 2016 die damals 82-jährige Gerda K. in ihrer Wohnung getötet und anschließend beraubt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 21-Jährigen zehn Jahre Haft wegen Mordes und Raub mit Todesfolge gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, weil die kriminaltechnischen Untersuchungen aus ihrer Sicht mangelhaft gewesen seien.

Es gab keine Zeugen, DNA-Spuren wurden in Zweifel gezogen

Bereits im Juli hatte die Jugendkammer entschieden, dass der Angeklagte nach zwei Jahren und vier Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste – wegen der überlangen Verfahrensdauer. Auch Fehler der Polizei bei der Spurensicherung und Lücken in den Ermittlungsakten spielten eine Rolle.

Die Kammer habe den 21-Jährigen nun freigesprochen, weil Zweifel geblieben seien, ob der Angeklagte die Tat begangen habe, berichtete ein Gerichtssprecher. Da es keine Zeugen gegeben habe, seien das einzige belastende Indiz zwei in der Wohnung der Rentnerin aufgefundene DNA-Spuren des Syrers gewesen.

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Wegen Fehlern bei der kriminaltechnischen Untersuchung habe nicht ausgeschlossen werden können, dass diese Spuren aus dem Treppenhaus hereingetragen wurden. Denn der junge Mann, der 2015 als Flüchtling nach Cottbus kam, war ein Nachbar der getöteten Rentnerin. Außerdem sei der Tatort vor Eintreffen der Polizei durch den Einsatz der Rettungskräfte verändert worden, hieß es nun zur Urteilsbegründung.

Der Verteidiger des Angeklagten, Christian Nordhausen, erklärte, die Beamten der Spurensicherung hätten nicht wie vorgeschrieben dokumentiert, wo und wann sie ihre Schutzkleidung gewechselt hätten. Nicht erklärbar sei auch gewesen, dass nur zwei DNA-Spuren gefunden wurden, obwohl die Wohnung des Opfers durchwühlt gewesen sei. Der 21-Jährige habe sich weder vor noch im Prozess geäußert, sagte Nordhausen.

Der Fall sorgte für fremdenfeindliche Proteste

Gerda K. war trotz ihres hohen Alters sehr aktiv. Sie wohnte in einem Haus mit weiteren elf Mietparteien in der Cottbuser Innenstadt. Als sie im Dezember 2016 nicht zur Weihnachtsfeier mit alten Kollegen erschien, wurden diese stutzig. Schließlich fand ihr Bruder die Frau, sie lag gefesselt und mit einer Tüte über dem Kopf in ihrer Wohnung, es herrschte Chaos, die Schränke waren durchwühlt – es sah nach einem Raubmord aus.

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Als die Polizei zweieinhalb Monate später Anfang März 2017 den Syrer festnahm, rumorte es schon in Cottbus. Der Fall sorgt deutschlandweit für Entsetzen. Als der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) davor warnte, alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen, hagelte es Hasskommentare – auch bei den bis heute anhaltenden Aktionen des Vereins „Zukunft Heimat“.

Inzwischen fungiert die Gruppe als außerparlamentarischer Arm der AfD in Cottbus, das als rechte Hochburg in Brandenburg gilt. Der Verfassungsschutz spricht von einer toxischen Mischung aus Neonazis, Rockern, Hooligans bis hin zu AfD und Identitärer Bewegung.

Aktuell macht der Verein auch gegen die Eindämmungsmaßnahmen in der Coronapandemie mobil. Wegen Verstößen gegen die Hygieneregeln in der vergangenen Woche hat die Polizei eine für Dienstag in Cottbus geplante Demonstration untersagt. Daneben hätten sich außerhalb der markierten Demonstrationsfläche zahlreiche Menschen versammelt. Daher wurde diesmal nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt keine Ausnahmegenehmigung erteilt.

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