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Die Wortwahl der Berliner Polizei ist auf Kritik gestoßen.

© dpa/Monika Skolimowska

Update

Fahndung nach „männlich gelesenen“ Schwulenhassern: Zeugenaufruf der Berliner Polizei sorgt für Kritik – Tatverdächtige ermittelt

Drei Männer beleidigten im Juni 2023 einen 32-Jährigen schwulenfeindlich und traten auf ihn ein. Ein veröffentlichter Zeugenaufruf verwunderte. Mittlerweile konnten die Verdächtigen identifiziert werden.

| Update:

Die Berliner Polizei hatte mit einem Zeugenaufruf nach „drei bislang unbekannten Männern“ ermittelt. Das Trio soll im Juni 2023 im U-Bahnhof Gesundbrunnen einen Mann attackiert haben. Erst sollen sie den 32-Jährigen am 30. Juni gegen 4.30 Uhr schwulenfeindlich beleidigt haben. Als er wegrennen wollte, stürzte er. Das Trio trat dann mehrfach auf ihn ein und raubte seine Tasche. Mittlerweile seien die drei Tatverdächtigen in dem Fall ermittelt, wie die Polizei jüngst bekannt gab.

Dem Zeugenaufruf hatte die Behörde vergangene Woche Fotos der drei Verdächtigen aus den Überwachungskameras beigefügt. Zu sehen waren – drei junge Männer, einer sogar in einem Quamis, einem traditionellen muslimischen Gewand, und mit Palästinensertuch. Die Ermittler baten um Hinweise zu den drei Angreifern, die Personenbeschreibung lautete: etwa 17 Jahre alt, 1,70 bis 1,75 Meter groß, normale Statur, dunkle Haare – und „männlich gelesen“.

Was ist da los bei der Berliner Polizei? Die „Bild“-Zeitung vermutete „Woke-Alarm“, die „Berliner Zeitung“ fragte, ob Berlin unter Schwarz-Rot in ein „neues Stadium der identitätspolitischen Sprachverwirrung“ eintritt.

Polizei versprach sich besseres Anzeigeverhalten

Auch bei der Pressestelle der Polizei war der Fahndungsaufruf Thema. Ein Sprecher sagte, die Formulierung „gelesen“ sei aktuell kein Bestandteil einer Weisungslage der Polizei Berlin. Besagte Passage im Fahndungsaufruf basiere auf einer Einzelfallentscheidung der Zentralstelle Hasskriminalität beim Staatsschutz des Landeskriminalamts.

Dort gehöre der „sensible Umgang mit Geschädigten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zur täglichen Arbeit der Mitarbeitenden“, sagte der Sprecher. Dazu zähle auch ein „sensibler Sprachgebrauch, der sich auch an den gesellschaftlichen Erwartungen an eine moderne und empathische Polizei orientiert“. Das trage zur hohen Akzeptanz der Polizeiarbeit in der queeren Community bei und führe merkbar zu einem verbessertem Anzeigeverhalten.

Gewerkschaften kritisieren Formulierung

Beim Twitternachfolger X erntete die Polizei reichlich Spott. Und auch bei den Gewerkschaften und Berufsverbänden in der Polizei löste der Fahndungsaufruf zu den „männlich gelesenen“ Schwulenhassern Kopfschütteln aus. „Wir können jetzt auch nicht so ganz nachvollziehen, wieso es in der Personenbeschreibung zu einer derartigen Formulierung gekommen ist“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

„Als GdP vertrauen wir aber ganz darauf, dass sich anhand der Aufnahmen jeder ein Bild von den gesuchten Personen machen kann und potenzielle Zeugen nicht von einer Meldung absehen, weil sie die Personen anders lesen, zumal in der Öffentlichkeitsfahndung auch von drei gesuchten Männern gesprochen wird“, erklärte Jendro weiter. Man könne es bei der Sprache zwar übertreiben, aber eine hohe Sensibilität im sprachlichen Umgang mit Menschen zähle zu den Grundzügen der bürgerfreundlichen Hauptstadtpolizei.

Der Berufsverband „Unabhängige“ äußerte Kritik. „Was soll ein normaler Zeuge, der diesen Aufruf liest, damit nur anfangen? Das Ziel einer adressatengerechten, sachlichen Kommunikation scheint klar verfehlt“, sagte Verbandssprecher Jörn Badendick der „Berliner Zeitung“.

Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sagte der Bild-Zeitung zur fraglichen Passage: „Die Verwendung solcher Formulierungen ist besonders bei Fahndungsaufrufen aus polizeitaktischen Gründen kontraproduktiv. Eine Pressestelle sollte sich auf das Fachliche beschränken und das Ideologische weglassen.“ Polizeikollegen würden sich fragen, was „männlich gelesen“ bedeuten würde. Für Wendt trägt die Schuld für den Ausrutscher „die Queer-Politik von Kai Wegner“, also des Regierenden Bürgermeisters von der CDU.

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