zum Hauptinhalt
Gespielt wird auf türkisblauen Betonbahnen.

© DAVIDS/Sven Darmer

Shuffleboard in Berlin: Ein Spiel für Verlierer

Shuffleboard ist als Rentnersport bekannt. Nun gibt es den ersten Club in Berlin.Taugen die türkisen Bahnen als Alternative zum Barabend? Ein Selbstversuch.

Ich bin ein sehr guter Verlierer. Als Junge war ich einer von diesen Immer-als-letztes-im-Sportunterricht-Gewählten, ich versage beim Tischtennis im Park und kann bis heute keinen sauberen Pass im Fußball spielen. Aber auch ich möchte mal gewinnen. Deshalb will ich Berlins ersten Shuffleboard-Club ausprobieren, der Mitte Dezember in Neukölln eröffnet hat.

Denn im Shuffleboard ist niemand gut, einfach weil es niemand spielt. „Shuffleboard? Ist das nicht dieses Rentnerspiel aus Florida?“, hatte meine beste Freundin gefragt, als ich ihr davon erzählt habe. Und sich damit sofort als Mitspielerin qualifiziert.

Shuffleboard ist wie Eisstockschießen ohne Eis. Auf einer knapp 16 Meter langen und zwei Meter breiten gewachsten Bahn ist an beiden Enden eine dreieckige Punktzone eingezeichnet. Zwei Teams spielen gegeneinander. Beide haben vier pfannkuchengroße Scheiben vor sich auf der Bahn liegen.

Das Ziel ist, die Scheiben mit einem Stab vom einen Ende der Bahn in eines der Punktfelder am anderen Ende zu schubsen. Man kann zwischen sieben und zehn Punkten machen. Ganz am Ende des Felds ist eine Zone, für die es zehn Minuspunkte gibt. Man darf die gegnerischen Scheiben natürlich auch wegstoßen. Wer zuerst 75 Punkte holt, gewinnt.

Shufflen wie die Seefahrer

Shuffleboard soll seinen Ursprung in einem Spiel englischer Aristokraten haben. Die schnipsten im 15. Jahrhundert Geldstücke ans Ende einer Tischkante. Auch Seefahrer sollen sich auf den Decks ihrer Boote die Zeit mit dem Spiel vertrieben haben. Bis heute wird Shuffleboard viel auf Kreuzfahrten praktiziert, daher auch das Image als Rentnersport. Jetzt ist Shuffleboard nach Berlin gekommen.

Die Bahnen gibt es laut den zwei Betreibern des Clubs nur hier. Ihre Mission: Sie wollen Shuffleboardspielen cool machen, auch für junge, hippe Leute. „Analoge Bespaßung ist auf dem Vormarsch“, sagt Falko Nadol, einer der Betreiber. Er und sein Geschäftspartner haben früher für Red Bull gearbeitet, kennen sich also damit aus, wie man ein Produkt vermarktet.

Man braucht weder Talent noch Können, um beim Shuffleboard Spaß zu haben.

© Sven Darmer/Davids

Das Schwerste am Shuffleboardspielen ist, den Eingang zum Club zu finden. Vor einem Supermarkt in Neukölln steht ein kleines silbernes Häuschen, das aussieht wie ein Parkhauseingang. Daneben prangt das Schild: „Shuffleboard Club Berlin“. Hinter der Tür geht es zwei Treppen hinunter in den Spielsaal.

Neun türkise Betonbahnen reihen sich dort aneinander. Außerdem gibt es zwei Shuffleboard-Tische und eine Bahn mit Holzboden. Die Backsteinwände sind weiß gestrichen, der Boden glänzt grau. Auf Holztafeln notiert man die Punkte. Dazu gibt es Bier, Drinks und elektronische Musik.

Das Türkis der Bahnen passt gut zum Einhorn- und Flamingotrend der vergangenen Jahre. Alles ist retrocool, versprüht den Charme eines amerikanischen Diners. Der Club will „absolut nicht digital“ sein, sagt Nadol. Der Handyempfang ist allerdings super, so merke ich gleich, dass meine Freunde oben herumirren.

Mitzwanziger in Rentnermontur

Es ist Freitagabend, fast alle Bahnen sind besetzt. Das Konzept scheint zu funktionieren – es sind fast nur junge Leute da. Eine Mittzwanzigergruppe hat sich in Rentnermontur geworfen. Sie tragen beige kurze Hosen, Blumenhemden und Kniestrümpfe.

Für den Test habe ich ein kleines Team zusammengestellt: eine Freundin, die motorisch eher unterbegabt ist, die andere ist eine sehr schlechte Verliererin. Außerdem ein Kumpel, der zu keinem Gesellschaftsspiel Nein sagt. Und zwei weitere Freundinnen, die beide zweifellos als die hipsten unter uns durchgehen. Als Test, ob das Konzept ankommt.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Wir stehen an Bahn fünf. Nadol erklärt, wie wir die etwa drei Meter langen Schubsstäbe halten sollen: Er fasst sie hinten an, lässt den Arm herabhängen. Vorne am Stab sind zwei kleine Ärmchen angebracht, mit der er die Scheibe anschiebt. Nadol geht zwei Schritte vorwärts und schubst die Scheibe ans andere Ende. Punkte gibt es nur, wenn die Scheibe keine der Linien berührt, die die Punktfelder voneinander trennen.

Wir bilden zwei Teams. Schnick, schnack, schnuck – wer verliert, muss anfangen. Eine Freundin schubst die erste Scheibe. Sie bleibt auf halbem Weg liegen. Ich schieße meine erste Scheibe dagegen weit über die Bahn hinaus. Nach einigen Schubsern bekommen wir ein Gefühl für die Bahn. Oder man könnte sagen: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.

Manchmal schubst jemand mehrere Scheiben zielgenau auf die Punktfelder, manchmal schießen wir fast alle Scheiben über die Bahn hinaus. Die motorisch eher unbegabte Freundin spezialisiert sich im Laufe des Abends darauf, andere Scheiben wegzuschießen. Sie wird die Scharfschützin des Teams, die den Weg freiballert.

Erfolg auch mit zwei Bier intus

Es zeigt sich: Man braucht weder Talent noch Können, um beim Shuffleboard Spaß zu haben. Im Gegensatz zu Billard, das für Anfänger einfach nur erniedrigend ist, oder Dart, wo ja ehrlich gesagt niemand versteht, wie die Regeln sind, ist Shuffleboard ein gutes Unterhaltungsspiel. Auch mit zwei Bier intus schubsen wir die Scheiben ungefähr da hin, wo sie hinsollen. Und wenn nicht, bleibt Platz für einen guten Spruch.

Denn Shuffleboard holt das Schlechteste aus uns heraus. Es dauert keine drei Spielzüge, bis nicht nur ich jeden danebengegangenen Schubser hämisch kommentiere. „Da bist du wohl übers Ziel hinausgeschossen“ sind Sprüche, die sich anbieten.

Als eine meiner Gegnerinnen ihre eigene Scheibe in den Minusbereich schießt und ich das mit „Super gemacht!“ kommentiere, zeigt sie mir den Mittelfinger. „Ich glaube, das Spiel ist super, um unterdrückte Konflikte in Teams auszuleben“, sagt eine meiner Mitspielerinnen später. Wenn ein Schuss danebengeht, schüttele ich frustriert den dünnen Stab und sehe aus wie King Kong mit einem Wischmopp in der Hand. Meine Freunde sind begeistert.

Nach knapp drei Stunden haben wir zwei Spiele gespielt. Ich habe beide Male unterdurchschnittlich geschubst, aber mein Team hat meine Leistung abgefangen. Trotz der unterschiedlichen Talentverteilung hatten wir alle Spaß – beim Shuffleboard muss man auch nicht allzu viel tun, der sportliche Einsatz hält sich in Grenzen. Man kann nebenbei Bier trinken und sich unterhalten.

Am besten funktioniert das Spiel zu viert. Dann muss niemand lang auf den nächsten Spielzug warten und wenn man sich mal verschubst, ist der Frust nicht so groß. Auch wenn ich meinen Gegnern ihre Niederlage genüsslich aufs Brot schmiere. Eins habe ich an diesem Abend auch über mich selbst gelernt: Ich bin nicht nur ein guter Verlierer, sondern auch ein schlechter Gewinner.

Shuffleboard Club Berlin, Thiemannstr. 11, geöffnet Donnerstag bis Samstag ab 18 Uhr. Eine Stunde Spielen kostet 32 Euro an Freitagen und Samstagen, donnerstags 26 Euro. Die Tischvariante ist günstiger. Und demnächst sollen die Preise noch etwas sinken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false