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Berlin: Die Nacht war nicht allein zum Schlafen da

Von Matthias Oloew Die Füße schmerzen, der Rücken hat sich auch schon gemeldet, die Sonne verabschiedet sich über den Baumwipfeln des Tiergartens: Die Parade zum Christopher Street Day ist gelaufen. Auch die Ansprachen sind verklungen.

Von Matthias Oloew

Die Füße schmerzen, der Rücken hat sich auch schon gemeldet, die Sonne verabschiedet sich über den Baumwipfeln des Tiergartens: Die Parade zum Christopher Street Day ist gelaufen. Auch die Ansprachen sind verklungen. Jetzt sitzen sie zu Hunderten an den Straßenrändern am Fuß der Siegessäule und machen sich Gedanken darüber, wie der Tag beendet werden soll.

Die Feier-Strategen der lesbisch-schwulen Szene haben da einiges in petto. Bis Mitternacht läuft auf der Bühne am Großen Stern zum Beispiel noch das Programm mit Live-Musik und einem abschließenden Feuerwerk. Man könnte dabei bleiben, sich an den Getränke- und Imbissbuden mit Nahrhaftem versorgen und ansonsten kleine blaue Beutel mit den Produktproben des Sponsors Nivea zuwerfen lassen. Nach dem Gewaltmarsch durch die halbe Innenstadt (warum müssen Lesben und Schwule eigentlich immer so eine lange Strecke zurücklegen?) ist das aber nicht unbedingt die beste Alternative.

Wer es lieber weniger aufwendig, dafür alternativer und politisch ein bisschen linker haben will, geht zum Beispiel in die Kreuzberger Oranienstraße. Mittlerweile ist der Mond aufgegangen. Was sich auf der kleinen Bühne am Heinrichplatz tut, kann man gut hören, aber im Dämmerlicht schlecht sehen. Eine Lesben-Combo aus Gießen tritt auf und intoniert Selbstfindungs-Songs im Punk-Rock-Stil: „Wir sind laut und lesbisch, wir sind alles, was ihr hasst.“

Die Frauen tanzen vor der Bühne Pogo, weiter hinten machen Joints die Runde. Vor dem „Roses“ haut eine Trommelformation ordentlich auf die Pauke, gleich dahinter schiebt sich demonstrativ ein betagter Mercedes-Mannschaftswagen der Polizei ins Bild. Die Szenerie ist wieder einmal perfekt. Fast nichts bleibt sich in Berlin so treu wie Kreuzberg. Egal ob hetero oder homo.

Im SO 36 beginnt einige Zeit später eine Party Die SO-DJs, die eben noch auf dem Heinrichplatz zum Tanzen auflegten, stehen jetzt drinnen an den Plattentellern. „Doppelherz“ ist das Ganze umschrieben, schließlich haben sich das SO und das Kreuzberger SchwuZ wieder für eine gemeinsamen Party entschieden. Fünf Euro kostet der Spaß für beide Läden. Damit sind die Kreuzberger mit Abstand die preisgünstigsten Partys. Die Gäste wissen das zu schätzen. Es ist rappelvoll. Im SchwuZ am Mehringdamm hält es denn auch mit tropischen Temperaturen niemand lange aus - so wie in der Kalkscheune in Mitte, wo die drei Tanzflächen bei „Diven Attacks“ zum Teil gähnend leer blieben. Dafür war’s im Hof voller, wo Gäste aus Thüringen und Schwaben vom lauschigen Stelldichein und den schönen Frauen schwärmten. Am Ende hatte die Attacke der Diven auch einen historischen Wert: Es war die letzte Party dieser Art. Mitarbeit: Andrea Winter

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