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Berlin: Den Knoten raus

Schnüre, Kabel, Besenstiele – daraus wird Trend. Thade Precht umknüpft alles mit bunten Schnüren.

Kaum ein Marktbesucher lief ohne Kommentar vorüber, als Thade Precht und Nora Schmidt zum ersten Mal ihr Werk ausstellten. Kabel und Schnüre hingen von ihrem Stand. „Keiner wusste so recht, was das sein sollte“, sagt Schmidt. Aber die Knoten, die Precht und Schmidt in mühevoller Handarbeit um die Kabel geknüpft hatten, riefen Erinnerungen wach. Alte Damen blieben stehen und sagten: „Diesen Knoten kann ich auch“ und erinnerten sich an Knüpftechniken, die sie in der Schule gelernt hatten.

Die Neuköllner Designer Thade Precht und Nora Schmidt haben etwas Ungeliebtem den Kampf angesagt, indem sie es umarmen. Statt Kabel zu verstecken und zu tarnen, um sie möglichst im Raum verschwinden zu lassen, setzen die beiden 33-Jährigen sie in Szene: mit Schnüren in Neonfarbe. In ihrem Online-Shop „Knot Knot“ können Kunden aus 18 verschiedenen Farben und zwei Knüpftechniken wählen. Damit umknoten Precht und Schmidt in ihrem Büro in Mitte alles vom Lautsprecher- bis zum Verlängerungskabel. Auch den gefürchteten Kabelsalat bändigen die beiden mit ihrer Handarbeit.

Wie sehr sie damit im Trend liegen, war ihnen gar nicht bewusst – bis die Anfrage eines Verlags kam, ob sie mit ihren Knüpftechniken ein Handarbeitsbuch machen wollten. Im Internet gibt es bereits etliche Anleitungen und Videos zum Knüpfen von Alltagsgegenständen, vom Hundehalsband bis zur Hängematte. Damit lebt ein Trend wieder auf, den mancher aus Schulzeiten noch mit Freundschaftsbändchen und Pausenhöfen verbinden mag.

Das Material der Stunde ist Paracord – ursprünglich wurde dieses Nylonseil im Zweiten Weltkrieg als Fangleine für US-Fallschirme genutzt. Jetzt dient es, meist in Neonfarben, zu Armbändern und Schlüsselanhängern. Thade Precht hat für das Buch etliche neue Knüpftechniken recherchiert und sich Blasen in die Hände geknotet. Jetzt umknüpft er weitere Gegenstände, von der Vase bis zum Besenstiel. Das Buch soll im Februar erscheinen.

Die Idee zu „Knot Knot“ kam Thade Precht eher zufällig. Zunächst bastelte er in einem Design-Workshop mit einer Kollegin an einer eleganten Lösung für den Kabelsalat. Sie probierten eine Weile damit herum, die Kabel miteinander zu verflechten – das Ergebnis überzeugte sie nicht, die Kabel landeten in einer Ecke in Prechts Wohnung. Ein paar Monate später lief er durch einen Baumarkt, vorbei an den Regalen mit leuchtend blauen Schnüren. „Ich fand das Material so cool, dass ich ein paar Meter mitgenommen habe“, sagt er. Zu Hause deponierte Precht das Seil wieder in einer Ecke – direkt neben der vergessenen Kabel-Flechterei. Irgendwann habe es dann Klick gemacht, sagt er.

Für die Umsetzung nahm Precht Kontakt zu Nora Schmidt auf, mit der er Produktdesign studiert und bereits zusammengearbeitet hatte. Sie knotete sofort begeistert mit. Ihr Sohn war da gerade zwei Monate alt. „Wenn er geschlafen hat, habe ich mich hingesetzt, habe Musik gehört und geknüpft“, sagt Schmidt. Für sie hat das Knoten durch die rhythmischen Bewegungen etwas geradezu Meditatives. „Und man kann es überall machen, das ist wie Stricken.“

Schmidts liebstes „Knot Knot“-Produkt ist das Leuchtpendel, eine schlichte Glühbirne an einem bunt umknüpften Kabel. Aus dem geplanten Buch hat es ihr besonders der Besen mit dem verzierten Griff angetan. „Das Neonmaterial wertet auch alte, marode Gegenstände auf, so dass sie im Raum nicht mehr so wehtun – wie dieser schrottige Schrubber“, sagt Schmidt.

Ringe, Gürtel, Taschengurte, Jutesackträger – Thade Precht knüpft und umknüpft in der Vorbereitung für das Buch etwa hundert Alltagsgegenstände. Sein kniffligstes Projekt, für das er noch eine Lösung sucht ist eine Leuchtweste für den Straßenverkehr. Selbst die könnte mit seinen Knoten noch zum Trend werden. Franziska Felber

Die Knotenprofis finden Sie im Internet unter: www.knot-knot.de

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