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Klimaaktivisten sitzen mit ihren Händen zusammengeklebt auf einer Straße am Potsdamer Platz.

© dpa/Jörg Carstensen

Aktivistin von der „Letzten Generation“: „Hunderte werden in Berlin Straßen blockieren“

Seit mehr als einem Jahr klebt sie sich auf Berlins Straßen. Im Interview spricht Carla Rochel über sinnstiftende Staus, Gewalt auf den Straßen und ein mögliches Ende der Blockaden.

Carla Rochel, Ende April will die „Letzte Generation“ Berlin zum Stillstand bringen. Worauf muss sich die Stadt einstellen?
All die Menschen, die in den letzten Wochen in ganz Deutschland unterwegs waren, kommen nach Berlin. Hunderte werden hier auf die Straße gehen und Straßen blockieren.

Sie selbst haben vor mehr als einem Jahr Ihr Studium in Heidelberg abgebrochen und sind für den zivilen Widerstand nach Berlin gezogen. Warum?
Es ging damit los, dass ich den Hungerstreik vor dem Reichstagsgebäude beobachtet habe. Am Anfang dachte ich noch, dass das alles übertrieben ist; das Gespräch mit Olaf Scholz hat mir dann aber echt den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich weiß noch, dass ich das Video mit meinen Mitbewohnerinnen geschaut habe, weinend auf dem Fußboden saß, und dachte: „Das kann doch nicht wahr sein.“ Scholz hat einfach komplett an der Realität vorbei argumentiert! Und dann habe ich von dem Plan der „Letzten Generation“ gehört.

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Im Januar 2022 waren Sie bei der ersten Berliner Straßenblockade dabei.
Wir hatten uns wochenlang darauf vorbereitet. Trotzdem habe ich drei Nächte nicht geschlafen und war ein absolutes Nervenbündel. Als die Polizei uns an dem Tag in Gewahrsam genommen hat, hat sich das komplett surreal angefühlt. Ich war damals 19, hatte mir ein schönes Leben mit WG-Partys ausgemalt – und saß stattdessen in der Polizeizelle.

Warum sind Sie bis heute trotzdem davon überzeugt, dass Sie das Richtige tun?
Für mich war diese Form des zivilen Widerstands nach den letzten Jahren der logische Schritt. Umfragen zeigen immer wieder, dass Mehrheiten der Bevölkerung für Klimaschutz sind. Mit „Fridays for Future“ haben Millionen Menschen protestiert. Trotzdem ist nichts beziehungsweise nicht genug passiert.

Das Taxi, das vor mir stand, hat kurz gebremst und dann nochmal Gas gegeben, bis es gegen mich gefahren ist. 

Carla Rochel, Klimaaktivistin 

Und seitdem sich Aktivist:innen auf die Straße kleben, tut sich mehr?
Zumindest spüren die Politiker:innen weiterhin den Druck. „Fridays for Future“ ist es nicht gelungen, die Aufmerksamkeit für das Thema dauerhaft hochzuhalten. Wir haben dafür gesorgt, dass auch während des Ukraine-Kriegs und der Pandemie an den Abendbrottischen und in Talkshows über die Klimakrise diskutiert wurde.

Viel diskutiert wurde vor allem auch über die Art des Protests. Können Sie den Frust der Autofahrer:innen nachvollziehen?
Ja, ich verstehe das total. Es ist aber nicht so, dass uns alle von der Straße ziehen und wütend sind. Es gibt mehr Menschen als man denkt, die sich bei uns bedanken. Ein Autofahrer hat uns mal gesagt, das sei der sinnstiftendste Stau, den er je erlebt habe.

In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass Berlin ein „hartes Pflaster“ für Blockaden sei, härter als beispielsweise Leipzig.
Das liegt auch daran, dass sich die Proteste hier seit mehr als einem Jahr fokussieren. Vor allem im letzten Herbst ist die Stimmung heftig hochgekocht. Ich saß mal vor dem Hauptbahnhof und das Taxi, das vor mir stand, hat kurz gebremst und dann nochmal Gas gegeben, bis es gegen mich gefahren ist. Das ist eine Szene, die ich immer wieder im Kopf habe, wenn ich auf die Straße gehe.

Alle Aktivist:innen haben einen Notfallkontakt hinterlegt. Wird der Worst Case einkalkuliert, dass irgendwann jemand überfahren werden könnte?
Ja. Es kann sein, dass mal jemand ausrastet und gegen eine Person fährt. Das ist die schrecklichste Vorstellung, die ich habe, aber auch das, was wir den Leuten immer wieder in unseren Trainings sagen. Die mehr als tausend Aktivist:innen sind darauf eingestellt, dass sie solche Gewalt erfahren können.

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Erklärtes Ziel der „Letzten Generation“ ist es, in diesem Jahr noch deutlich zu wachsen. Unter anderem sollen Facebook-Kampagnen geplant sein.
Wir halten schon jetzt in allen größeren Städten wöchentliche Vorträge, in denen wir erklären, was die Klimakrise macht, wie ziviler Widerstand funktioniert und was unser Plan ist. Jeden Tag kommen mehr Menschen dazu.

Stichwort Mehrheiten: In Berlin hat sich kürzlich keine ausreichende für den Volksentscheid „Berlin klimaneutral 2030“ gefunden.
Dass zwei Drittel der Leute nicht zu dieser Wahl gegangen sind, finde ich irre. Das zeigt, dass wir als Gesellschaft noch nicht begriffen haben, in was für einer Krise wir stecken.

Der Sprecher der Initiative, Stefan Zimmer, hat davon gesprochen, dass er oft mit den Worten „Ach, da sind ja die Klima-Kleber“ begrüßt wurde. Ist die „Letzte Generation“ für das Scheitern des Volksentscheids mitverantwortlich?
Ich glaube, was dadurch klar wird, ist, dass die Leute uns nicht auseinanderhalten können, dass aber auch immer mehr Menschen verschiedene Dinge tun: Ein Volksentscheid wird angemeldet, Leute kleben sich auf die Straße, andere organisieren riesige Demos. Ich glaube nicht, dass sich alle Menschen auf die Straße kleben müssen, um irgendwas für die Klimakrise zu tun. Aber ich glaube, dass sich alle Leute jetzt entscheiden sollten, was sie machen. Wir brauchen Menschen, die sich hinter uns stellen und sagen: Das, was die da fordern, ist komplett vernünftig und legitim.

Die Kernforderungen der „Letzten Generation“ sind ein Neun-Euro-Ticket, ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Klima-Gesellschaftsrat. Enden die Blockaden, sobald all das gegeben ist?
Wir beenden unsere Blockaden, wenn die Regierung sich bewegt. Wenn die Wissenschaftler:innen sagen: „Hey, wir sind auf einem Kurs, mit dem wir nicht mehr über die Klimakillpunkte rasen“, können wir mit unserem Protest aufhören. Ich bin optimistisch und hoffe, dass Ende des Jahres niemand mehr auf der Straße sitzt und wir als Gesellschaft ein großes Stück weiter sind.

Und wenn nicht? Werden die Aktionen dann radikaler, um das Aufmerksamkeitslevel zu halten?
Unser Protest wird immer friedlich bleiben und sich nicht gegen Menschen richten. Das haben wir von Anfang an festgelegt und das ist das, was gerade den größten Nutzen bringen kann.

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