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Die Blue Man Group ist beim Anbaden im Strandbad Wannsee aufgetreten.

© dpa

Traditionelles Anbaden am Berliner Wannsee: Blue Man Group und Mutprobe bei sieben Grad Wassertemperatur

Beim Anbaden im Strandbad Wannsee blieben die meisten Besucher lieber auf dem Trockenen. Die mutigen Schwimmer konnten sich in mobilen Saunen wieder aufwärmen.

Ein paar Schritte nur, bis der Mann mit den knielangen Shorts und dem leichten Bauchansatz jene Zone erreicht, in der es wehtut. Deshalb zögert er ja auch erst mal, die nackten Füße stecken im Sand, er blickt unschlüssig, irgendwann aber überwindet er sich. Ein Schritt, noch einer, dann steht er bis zu den Knöcheln im Wasser. Sieben Grad kalt ist der Wannsee, wer schwimmen geht, ist mutig.

Kaum jemand sieht ihn, den Mann mit den Shorts, er ist der Erste am Karsamstag, der sich ins Wasser traut. Es ist 10.15 Uhr, das Strandbad Wannsee hat seit 15 Minuten geöffnet, der zweite Tag des traditionellen Anbadens hat begonnen. Die Sonne scheint, ein kalter Wind bläst, die Standkörbe sind fast leer, noch gibt es kaum Besucher, dabei ist der Eintritt frei.

Immerhin, bis Mittag steigt die Zahl der Gäste, es sind ungefähr 40. Am Karfreitag, dem Beginn des Anbadens, war mehr los. „Da war richtig viel zu tun“, sagt ein Verkäufer am Imbissstand. „Da war voll“, sagt auch ein Bademeister, „obwohl das Wetter schlechter war als heute.“ Da trat ja auch die berühmte Blue Men Group auf. Genaue Zahlen zu den Besuchern haben sie nicht, bei freiem Eintritt werde nicht gezählt.

„Die Leute kaufen vor den Feiertagen noch ein, deshalb kommen am Samstag weniger als gestern“, sagt ein anderer Schwimmmeister. Und alle, die kommen, tragen erst mal dicke Winterjacken, bevor sie sich langsam ausziehen.

Der Wannsee als Sehnsuchtsort

In einem der Strandkörbe sitzt Wilhelm Berger (Name geändert), ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht, dem man seine 81 Jahre nicht ansieht. Wahrscheinlich genießen wenige Besucher an diesem Tag das Bad so sehr wie er. „Das Strandbad Wannsee“, sagt Berger, „das war ja ein Sehnsuchtsort für uns“, sagt er. „Wir haben die Bilder ja nur im Westfernsehen gesehen.“

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Berger hat zu DDR-Zeiten in Wittenberg gewohnt, ab und zu, wenn er in Ost-Berlin war, stand er in der Nähe der Glienicker Brücke und träumte sich an den westlichen Strand des Wannsees. Jetzt ist er zum ersten Mal im Bad, der Eintritt kostet ja nichts, die ganzen Jahre war er nicht gekommen, weil er sich den Eintritt sparen wollte. Vom kostenlosen Anbaden in den vergangenen Jahren hat er nie etwas mitbekommen, erst am Freitagabend sah er im Fernsehen, dass er auch am Samstag umsonst an den Strand gehen kann. „Und jetzt“, sagt er, „genieße ich es einfach. Es ist wunderbar.“

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Ein paar Strandkörbe weiter sitzen Ewa und Marek, die nur ihre Vornamen nennen, und genießen ebenfalls. Ewa im schwarzen Badeanzug in der Sonne, ein Handtuch auf den Knien, Marek im grünen Polo-Shirt. Er sagt, dass sie hier den ganzen Tag bleiben. Nur mit Baden ist nichts, „zu kalt“. Der Mann mit den Shorts ist nur ein paar Meter von ihnen entfernt ins Wasser gegangen, sie haben ihn bewundernd beobachtet.

"Die ersten 20 Meter im Wasser sind die Hölle"

Aber er ist ja nicht der Einzige, der sich ins Wasser traut. 50 Meter weiter kommt eine ganze Gruppe fröstelnd aus dem Wannsee. Eine Frau im orangefarbenen Badeanzug rubbelt sich trocken. „Die ersten 20 Meter sind die Hölle“, sagt sie. „Es ist ja lange flach, und bis man den Kopf eintauchen kann, sind die Beine ganz kalt.“

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Ungefähr zehn Minuten, sagt sie, habe sie es ausgehalten. Ein Jugendlicher, der auch zu seinem Handtuch hetzt, ist schon nach fünf Minuten aus dem Wasser gekommen. „Die sieben Grad merkt man“, sagt er.

Deshalb stehen ja drei mobile Saunen am Strand, zwei davon direkt am Wasser, mit Panoramascheiben und Blick auf die vorbeigleitenden Segelboote und Fahrschiffe. Vier bis sechs Personen finden Platz in den Schwitzräumen. Am Karfreitag waren sie voll besetzt, jetzt, am Karsamstag, nützen nur wenige Besucher das Angebot.

Der Mann mit den Shorts beendet seinen Trip in den Wannsee, als das Wasser seine Knie erreicht. Er geht zurück an den Strand, zehn Minuten Pause, dann noch mal ins Wasser. Diesmal taucht er den Kopf unter. Kurz darauf verschwindet er schnell in einer Sauna. Da hockt er dann entspannt, ganz für sich allein.

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